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Silk Road Race

Krasser Härtetest: Wie Ludwig Steiner aus Rohrdorf durch die Berge Kirgistans radelte

Allein auf weiter Flur: Ludwig Steiner im Tianshan-Gebirge.
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Allein auf weiter Flur: Ludwig Steiner im Tianshan-Gebirge.

Auf der Seidenstraße tauschten Abend- und Morgenland einst Waren. Heute messen sich dort, in der zerklüfteten Berglandschaft Kirgistans, Radsport-Verrückte. So wie Ludwig Steiner: Wie der Rohrdorfer den Härtetest überstand.

Rohrdorf – Rüttelpisten, Geröll, Gebirgspfade: Wer das Ziel am Yssykköl-See erreicht, hat eine Strapaze hinter sich, wie sie auch im entbehrungsreichen Radsport selten ist. Den „Silk Road Race“ : 1800 Kilometer von Karakol nach Tscholponata, über 30.000 Höhenmeter, mehr Wetterwechsel als Streckenabschnitte mit Asphalt. „Ein harter Brocken. Der härteste. Brutal. Schön. Gnadenlos.“ So beurteilt das Fachmagazin „Cleat“ die Fahrt durchs Hochgebirge in Kirgistan. Ludwig Steiner aus Rohrdorf hat es geschafft. Und er sagt: „Das muss man schon mögen.“

Man muss nicht verrückt sein, aber es schadet auch nicht

Erst seit 2018 gibt es das Rennen. Man müsse nicht unbedingt verrückt sein, um da mitzumachen, heißt es, aber es schade auch nicht. „Nette Freaks“, so beschreibt Ludwig Steiner die Teilnehmer am Race. Eigentlich ist es für die meisten kein Rennen. Sondern eine Frage des Durchkommens: 30 bis 50 Prozent der Teilnehmer schaffen es nicht.

Ruheplatz mit Aussicht: Ludwig Steiner im Tianshan-Gebirge.

Wildnis und Endlosstrecken: Das hatte es Ludwig Steiner angetan

Ludwig Steiner, 44 Jahre alt, verheiratet und Vater von zwei Kindern, macht Sport, so lange er sich erinnern kann. Bergsteigen, Skifahren, Rennrad, Mountainbike, Klettern, „Sport hat eigentlich immer dazu gehört“, sagt er. Irgendwann sah er auf Youtube ein Video über Langstrecken-Radrennen. Und meldete sich prompt für eine Fahrt durch Marokko an. Diesen Härtetest absolvierte er im Oktober 2022.

Danach fühlte er sich bereit für Kirgistan. Diese Endlosstrecken durch wildes Gelände, die Herausforderung; der Solo-Fight mit einfachsten Mitteln: Das hatte es ihm angetan. „Was mir gefällt, ist die Kombination, die du auch beim Bergsteigen hast“, sagt er. Wetter, Landschaft, Bewegung. „Und Eigenverantwortung. Deine Entscheidungen haben eine Konsequenz, ob es um die Ausrüstung, die Kleidung oder ums Essen geht.“

Ein bisschen außerhalb der Komfortzone

„Man verlässt ein bisschen die Komfortzone“, sagt Steiner und macht sich damit vermutlich der groben Untertreibung schuldig. Lange Abschnitte oberhalb von 3000 Höhenmetern, Kälte, Hitze, Regen, Sonne – Gegenwind. Manchmal waren die Wege ruppig, manchmal kaum zu erkennen. Und manchmal nicht zu fahren. „Es ist manchmal gar nicht schlecht, wenn man das Rad schiebt“, sagt er. „Vor allem, wenn einem der Hintern ohnehin wehtut.“

Allein auf weiter Flut: Hilfe kommt nicht so schnell

Der „Silk Road Race“ ist ein „not supported“ Rennen. Heißt: Die Fahrer sind weitestgehend auf sich allein gestellt. Regelmäßige Verpflegungsstationen wie bei der Wendelstein-Rundfahrt gibt es nicht. Essen muss man sich ergattern, mal in einer Bar, mal in einem Lebensmittelgeschäft, mal am Checkpoint. „Man stopft dann alles rein, saugt alles auf wie ein Kamel.“ Besonders gut: Pizza. „Die kann man sich zusammenfalten und mitnehmen.“

Fahrer dürfen einander etwa im Pannenfall nicht helfen. Die Teilnehmer haben einen GPS-Tracker dabei, mit Notruf-Button. Aber der ist für wirklich ernste Fälle gedacht., nicht dann, wenn lediglich die Motivation gezerrt ist. Und selbst, wenn es Notfall ist: Es dauert es mehrere Stunden, bis der Rettungswagen eintrifft.

Akklimatisieren auf über 3000 Meter Höhe

In der Vorbereitung spulte Steiner unzählige Kilometer ab. Die letzten Tage vor dem Start verbrachte er bereits im Hochgebirge Kirgistans. Zur Gewöhnung an die Höhe. Fünf Tage am Kegety-Pass, auf über 3000 Meter Höhe. Übernachten im Auto, und jeden Tag hinauf auf die Passhöhe auf 3850 Meter. Immer wieder rauschten Schneeschauer über die Geröll-Landschaft. Steiner machte sich Gedanken: Was, wenn das die ganze Zeit so weitergehen würde?

Tat es nicht, der Rohrdorfer hatte Glück. Einigermaßen mit dem Wetter, auch mit dem Rad: Keine Panne unterbrach die Fahrt. Einmal stürzte er in einen Graben, ohne sich ernsthaft zu verletzen. Seinen Tiefpunkt hatte er im Tal, auf einer Straße, die zwei Dörfer verbindet. 100 Kilometer Tortur auf einer Rüttelpiste, auf deren Schotterdecke die Reifen unzähliger Autos Rillen wie auf einem Waschbrett erzeugt hatten. Flach sei die Straße gewesen, eher eine Herausforderung an die Psyche: „Man kommt nicht vom Fleck. Es ist brutal heiß. Es dauert unglaublich lang und ist frustrierend.“ In der Nacht danach übergab er sich. Weil er sich einen Sonnenstich zugezogen hatte.  

Eine für Normalfahrer kaum vorstellbare Leistung

„Ich war in einem Tunnel“, erinnert sich Steiner. Auf dem Sattel halten, schnaufen, treten. Zehn, 15 oder 20 Stunden, unterbrochen von wenigen Stunden Schlaf. Nach neun Tagen und 15 Stunden war die Strapaze für ihn beendet – fünf Tage vor Ende der Frist. Um diese Zeit zu erreichen, musste Steiner jeden Tag im Schnitt knapp 200 Kilometer und über 3000 Höhenmeter zurücklegen. Auf dem Mountainbike, in hartem Gelände! Er wurde 23. unter etwa 100 Finishern aus aller Welt.

In Tscholponata erholte er sich, „schlafen, essen, trinken, am Pool liegen“, sagt er. „Viel anderes habe ich erstmal nicht gemacht.“ Außer mit seinem Onkel Ausflüge zu machen. Oder an die Fahrer zu denken, die noch immer unterwegs waren. „Ich war so platt, ich konnte mir gar nicht vorstellen, noch fünf Tage zu fahren.“

Man lernt, das Alltägliche zu schätzen

Aus Kirgistan ist er nun zurück, das Herbstfest in Rosenheim hat er schon besucht. Nicht zum ersten Mal. Aber anders als sonst. Die neun Tage, sie haben ihn verändert, sagt er. Die Maß Bier, saubere Kleidung. Einfach mal ruhig dasitzen. Oder duschen. Oder im Bett liegen. Scheinbar selbstverständlich, in Wahrheit unbezahlbar. Nach zwei Wochen in Kirgistans Hochgebirge weiß Ludwig Steiner Bescheid: „Das erdet einen brutal.“

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