„Bei schönem Wetter radle ich auch Umwege“
60-jähriger Gmunder radelt jeden Tag nach Rosenheim in die Arbeit
Jeden Tag, bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit: Burkhard Eysell (60) fährt stets mit seinem Fahrrad von Ostin nach Rosenheim in die Arbeit. Das sind hin und zurück 80 Kilometer. Warum er sich das antut, erklärt er uns im Interview.
Gmund – Drei Wochen hat die bundesweite Aktion Stadtradeln dazu aufgerufen, das Auto stehen zu lassen und möglichst oft aufs Rad zu steigen. Burkhard Eysell (60) aus Gmund am Tegernsee ist in diesen drei Wochen 2343 Kilometern geradelt – ein Tagesschnitt von über 111 Kilometern. Für ihn nichts Außergewöhnliches, wie der Agraringenieur beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Rosenheim im Interview verrät.
Herr Eysell, wie kommen Sie auf so viele Kilometer?
Burkhard Eysell: Ich gebe zu, dass ich heuer in diesen drei Wochen Urlaub hatte. Mit dem Team Radsport Tegernseer Tal war ich im Trainingslager in Istrien, und während des restlichen Urlaubs bin ich natürlich auch viel geradelt. Aber ich habe auch in den vergangenen Jahren für das Stadtradeln schon immer über 2000 Kilometer gesammelt. Ich fahre jeden Tag in die Arbeit, also von Ostin nach Rosenheim, das sind schon mal hin und zurück 80 Kilometer. Wenn das Wetter schön ist, mache ich auch mal ein paar Umwege, zum Beispiel über Wilparting statt über Au.
Sie fahren bei jedem Wetter?
Eysell: Ja, bei jedem Wetter, zu jeder Jahreszeit, auch im Winter. Bei Schneefall ist es schon manchmal grenzwertig. In den vergangenen Jahren habe ich dann manchmal das Auto genommen, aber im letzten Winter bin ich komplett durchgefahren.
Ein Auto steht also doch in Ihrer Garage?
Eysell: Doch, das brauche ich für mein Sicherheitsgefühl (lacht). Aber ich habe es seit Mitte November nicht mehr benutzt. Die Batterie ist abgeklemmt.
„Ich bin schon zweimal von hinten vom Rad gefahren worden“
Was motiviert Sie zu diesem Extrem-Radeln?
Eysell: Sowohl sportliche und als auch ökologische Gründe. Ich bin im Radsport Team Tegernseer Tal, dafür ist es ein gutes Training. Und mir bedeutet der Umweltschutz sehr viel. Mit meinem Alltagsradeln kann ich zeigen, was mit dem Fahrrad alles machbar ist. Die Räder werden ja auch immer besser: die Technik, die Beleuchtung, die Ausrüstung – und auch die Kleidung, wenn man wetterfest sein will.
Wie kommt es bei den Menschen in Ihrem Umfeld an?
Eysell: Ich würde mich einen Überzeugungstäter nennen und stehe dazu. Aber klar, natürlich halten mich manche für etwas verrückt. Es ist ja schon ein Spleen. Aber ich beobachte auch, dass immer mehr Kollegen aufs Rad steigen, um in die Arbeit zu fahren.
Bei Ihnen ist das ja eine gewaltige Strecke: Ostin-Rosenheim. Durchgehende Radwege gibt es da nicht. Haben Sie keine Angst?
Eysell: Doch, ich habe immer Angst, wenn ich auf den größeren Straßen ohne Radwege fahre. Ich bin schon zweimal von hinten vom Rad gefahren worden – einmal von einem Auto, einmal von einem Motorrad – und war beide Male schwer verletzt. Sicher fühle ich mich oft nicht, ich bin ja auch im Dunkeln unterwegs, weil sich schon morgens um 4 Uhr in Ostin los muss. Aber ich radle trotzdem weiter. Das Schlimme ist die Rücksichtslosigkeit mancher Autofahrer, die bei Gegenverkehr mit viel zu geringem Abstand überholen und dabei nicht mal vom Gas gehen. Das müsste nicht sein.
Auch der Einkauf wird natürlich mit dem Fahrrad erledigt
Sie sind also ein großer Verfechter von Radwegen?
Eysell: Auf alle Fälle. Ich warte wie viele andere seit fünf Jahren sehnsüchtig auf den Radweg Ostin – Hausham. Das ist mit dem großen Autoverkehr eine nicht ungefährliche Strecke, und in den Sommermonaten sind hier viele Radler unterwegs. Gerade auch für ältere Menschen sind Radwege enorm wichtig. Mit den neuen E-Bikes steigen ja wieder viele Senioren aufs Rad und machen Ausflüge.
Apropos E-Bike: für Sie eine Option?
Eysell: Noch nicht (lacht). Wenn ich nach dem Einkaufen mit meinem 25 Kilo-Sack Kartoffeln den Berg hinauf muss, dann habe ich schon mal gedacht ,Jetzt wäre etwas Unterstützung schön’. Aber so lange es ohne geht, mache ich das.