Was hinter den Störungen im Zugverkehr steckt
Kolbermoorer Bahnreisender empört: Fallen in der Region besonders viele Züge aus?
Wenn ein Zug ausfällt oder die Anschlussbahn aufgrund von Verspätungen schon weg ist, ist der Ärger bei Reisenden oftmals groß. Das stößt derzeit auch einem Kolbermoorer extrem sauer auf. Worüber er sich besonders ärgert und warum die Region derzeit extrem betroffen ist.
Kolbermoor / Landkreis Rosenheim – Unvorhergesehene Unfälle, witterungsbedingte technische Störungen oder Bauarbeiten an den Gleisen. Die Liste mit Gründen, warum Züge verspätet fahren oder ganz ausfallen, ist lang. Für viele Bahnreisende gehören diese Umstände deshalb immer wieder zum leidigen Alltag. Doch ist es derzeit besonders schlimm? „Es fallen täglich unzählige Verbindungen aus“, findet jedenfalls ein OVB-Leser aus Kolbermoor und verweist auf die „momentanen Zustände“, in denen besonders viele Störungen auftreten würden.
Seine kritische Beobachtung: „Täglich stranden zig Bahnreisende an Bahnhöfen und der Bahn ist das vollkommen egal.“ Doch ist der Landkreis Rosenheim tatsächlich besonders stark von derartigen Ausfällen im Bahnverkehr betroffen? Eine einfache Antwort darauf kann die Deutsche Bahn nicht liefern, da im Landkreis Rosenheim unterschiedliche Zugunternehmen unterwegs sind, wie eine Unternehmenssprecherin erklärt. Mehr Auskunft gibt es da bei der Bayerischen Eisenbahngesellschaft (BEG).
„Personalverfügbarkeit derzeit sehr angespannt“
Wie diese als Aufgabenträger für den bayerischen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) mitteilt, verkehren im Landkreis Rosenheim mit der Bayerischen Regiobahn (BRB) und der Südostbayernbahn (SOB) zwei verschiedene Verkehrsunternehmen. Im Netz Chiemgau-Inntal der BRB sei die Zugausfallquote in den vergangenen Monaten vergleichsweise gering und habe deutlich unter dem bayernweiten Durchschnitt gelegen, erklärt Wolfgang Oeser, Pressesprecher der Bayerische Eisenbahngesellschaft. „Eine spürbare Zunahme ist in den vergangenen Wochen nicht festzustellen.“
Die genannten Zugausfälle bezögen sich somit in erster Linie auf die Verkehrsleistungen der Südostbayernbahn. Nach deren Angaben ist die Personalverfügbarkeit bei den Triebfahrzeugführern aufgrund eines „extrem hohen Krankheitsstands derzeit sehr angespannt“. Laut Oeser komme die Haupturlaubszeit hinzu, die sich zusätzlich negativ auf die Personalsituation auswirke. „Daher kam es in den vergangenen Wochen zu vermehrten Zugausfällen auf diversen Strecken im von der SOB betriebenen Linienstern Mühldorf“, so der Sprecher. Auch der Landkreis Rosenheim sei davon betroffen.
Beispielhaft nennt er das vergangene Wochenende (27. und 28. Juli), an dem die SOB das Zugangebot auf einigen Strecken (unter anderem die Linie RB 44 Mühldorf – Rosenheim und die Linie RB 48 Wasserburg – Grafing) nochmals auf einen Zweistundentakt reduzieren (mit ergänzenden SEV-Bussen) musste, um den Fahrgästen eine bessere Planbarkeit zu ermöglichen. Nach Angaben der SOB soll sich die Personalsituation in dieser Woche jedoch wieder verbessern. „Wir gehen davon aus, dass sich der Betrieb dann stabilisiert“, sagt Oeser.
Eisenbahninfrastruktur „in einem schlechten Zustand“
Auf die Frage nach generell besonders anfälligen Strecken in der Region stellt Oeser klar, dass sich die Eisenbahninfrastruktur bayern- beziehungsweise bundesweit „in einem schlechten Zustand“ befinde. Zahlreiche Fahrbahnmängel, Langsamfahrstellen und Störungen der Leit- und Sicherungstechnik würden auf allen Strecken, auch im Raum Rosenheim, einen erheblichen Einflussfaktor auf den Betrieb darstellen. Auch das weiterhin hohe Bauvolumen führe zu zahlreichen Verspätungen und Ausfällen.
Ein weiterer Grund für Verzögerungen: Auf der Strecke Salzburg – Rosenheim – München wirken sich zudem die Grenzkontrollen in den Zügen beim Halt in Freilassing negativ auf die Pünktlichkeit der BRB-Züge aus, erklärt Oeser. Deshalb habe man mittlerweile in Freilassing einen größeren Zeitpuffer in den Fahrplan eingebaut. Doch klar ist auch, dass es auf vielen Strecken dennoch immer wieder zu Problemen kommt, worüber sich nicht nur der Leser aus Kolbermoor ärgert. Sein Appell: Wenn schon Züge ausfallen, dann sollten die Bahnreisenden wenigstens richtig informiert werden. „Die einzige Aussage, die man von der Bahn bekommt, wenn man sich nach dem Warum erkundigt, ist aber, dass man sich einfach damit abfinden muss“, sagt der empörte Leser über entsprechende Beschwerde-Hotlines. Dort werde teils einfach aufgelegt, wenn man sich beschweren möchte. Dabei sollte eine Beschwerde zur Verbesserung führen. „Warum gibt es eine Beschwerde-Hotline, wenn die Mitarbeiter einem nicht zuhören und nur sagen, man muss sich damit abfinden?“
Tests zur Kundenorientierung bei Beschwerden
„Im Falle von Zugausfällen erwarten wir, dass die Fahrgäste umfassend informiert und adäquate Reisealternativen genannt werden“, sagt BEG-Pressesprecher Wolfgang Oeser. Er empfiehlt den Fahrgästen, sich direkt an das zuständige Eisenbahnverkehrsunternehmen zu wenden. Die vom OVB-Leser dargestellten mangelnden Informationen bei Anrufen der Beschwerde-Hotlines seien auch für die BEG „nicht akzeptabel“. Demnach sollten alle Mitarbeiter grundsätzlich in den Kundendialogen über aktuelle Zugausfälle und deren Ursachen informiert und dementsprechend aussagefähig sein. Unabhängig davon lasse man die Kundenorientierung bei Beschwerden im Rahmen des Qualitätsmesssystems regelmäßig durch ein unabhängiges Testinstitut erheben.
Hierzu würden auch Testanrufe bei den Kundendialogen durchgeführt und hinsichtlich der Erreichbarkeit, der sozial-kommunikativen und der fachlichen Kompetenz beurteilt. „Hierbei erheben wir Strafzahlungen, falls die vertraglich vorgegebenen Standards nicht erreicht werden“, so Oeser. Insofern gehe man davon aus, dass seitens der Verkehrsunternehmen ein hohes finanzielles Eigeninteresse besteht, für einen zuverlässigen Kundendialog zu sorgen.
Im Rahmen des Berichts über den Halbjahresumsatz der Deutschen Bahn ging DB-Vorstandsvorsitzender Dr. Richard Lutz auch auf die thematisierte mangelhafte Infrastruktur ein. „Extremwetterereignisse in nie dagewesenem Ausmaß haben die ohnehin sanierungsbedürftige Schieneninfrastruktur an die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit gebracht und die betriebliche und finanzielle Lage im Personen- und Güterverkehr verschärft.“ Dazu, so Lutz, seien beispielsweise Streiks hinzugekommen. In puncto Verspätung wolle man jedoch mit dem „Aktionsplan Pünktlichkeit“ der DB-Konzern in besonders stark ausgelasteten Knoten den planmäßigen Beginn von Fahrten vorantreiben.