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Innenstadtrevitalisierung in Kolbermoor

Neues Leben in Traditionswirtschaft: Wie Tibor Tavali aus dem „Servus Füglein“ ein Wohlfühllokal macht

Neues Leben im „Servus Füglein“: Tibor Tavali (Sechster von links) ist es gelungen, eines der ältesten Kolbermoorer Gasthäuser wiederzubeleben. Wie man sieht, sind seine Gäste darüber mehr als glücklich, aber natürlich auch (vorn, von links) Tochter Victoria, Ehefrau Erika, Sohn Lionel und Mitarbeiterin Jasmin Raml.
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Neues Leben im „Servus Füglein“: Tibor Tavali (Sechster von links) ist es gelungen, eines der ältesten Kolbermoorer Gasthäuser wiederzubeleben. Wie man sieht, sind seine Gäste darüber mehr als glücklich, aber natürlich auch (vorn, von links) Tochter Victoria, Ehefrau Erika, Sohn Lionel und Mitarbeiterin Jasmin Raml.

Vor einem Jahr war es noch ein Trinklokal, doch jetzt fühlen sich die Kolbermoorer hier wohl: Wie es Tibor Tavali (40) geschafft hat, aus dem „Servus Füglein“ wieder das beliebte Traditionswirtshaus zu machen.

Kolbermoor – „Es fühlt sich an, als käme man nach Hause“, erzählen die Kolbermoorer, wenn sie nach dem Gasthaus „Servus Füglein“ gefragt werden. Eines der ältesten Lokale der Stadt hat sich in kurzer Zeit von einem Trink- zu einem Wohlfühllokal gemausert. „In den vergangenen zehn Jahren konnte man nicht mehr reingehen“, erzählt eine Frau, die sich mit ihren Freundinnen hier jetzt wieder regelmäßig trifft. Auch wenn das „Servus Füglein“ immer eine Institution war, mit der sich für viele Abvierziger schöne Erinnerungen verbinden: Die Gäste zogen sich mehr und mehr zurück, weil Trinker die Gaststube in Besitz genommen hatten.

Neueröffnung mit Hausverboten

Trotzdem wagt Tibor Tavali (40) im vergangenen Jahr den Neubeginn. Am 15. September 2022 eröffnete er das „Servus Füglein“ neu und peilte erst einmal selbst die Lage. „Ich musste 28 Hausverbote aussprechen“, erzählt er von den Anfängen und einem konsequenten Aufräumen. „Das war sehr mutig“, wissen seine Gäste, denn jedem ist klar, dass dies kein reibungsloser Prozess war.

Zwei Monate später startet Tibor auch mit der Küche, spricht die Kolbermoorer direkt an und erzählt ihnen von seinen Plänen. „Die Frauen haben erst einmal ihre Männer vorgeschickt, damit sie sich ein Bild machen“, erinnert er sich und überzeugt mit guter Küche – 60 Prozent bayrisch und 40 Prozent international – und Freundlichkeit. Neun Monate später sind die Gäste zurückgekehrt, ist das „Servus Füglein“ wieder zum Stammlokal vieler Vereine geworden. Auch die Kolbermoorer Frauen sind regelmäßig zu Gast: „Weil es uns hier einfach gefällt“, sagt Vorsitzende Marianne Mayer. „Weil‘s gemütlich ist, gut schmeckt, und Tibor sich immer Zeit für einen Ratsch nimmt.“

Das Gasthaus Füglein im Jahr 1897: In der Chronik „Heimat Kolbermoor“ berichten Horst Rivier und Claus Hardt davon, dass Gastwirt Michael Füglein aus Großkarolinenfeld nach Kolbermoor kam und die Gastwirtschaft „Zum Tyroler“ kaufte.

Zwei Großkarolinenfelder – ein Gasthof

Das „Füglein“ gehört zu den ältesten Wirtschaften der Stadt Kolbermoor. Sein genaues Alter ist nicht überliefert. Doch mit dem Namen Füglein ist es schon seit 1897 verbunden. In jenem Jahr, so hat der Gründer des Industrie- und Heimatmuseums Horst Rivier recherchiert, kam der Gastwirt Michael Füglein von Großkarolinenfeld nach Kolbermoor und kaufte von Andreas Landes die Gastwirtschaft „Zum Tyroler“ an der Rosenheimer Straße 21. Später benannte er sie in „Gasthaus zum Rosenheimerhof von Michael Füglein“ um und baute sogar eine Turnhalle für den sozialen Turnverein an.

Diese historische Postkarte zeigt das umgebaute „Gasthaus zum Rosenheimerhof von Michael Füglein“ im Jahr 1900.

Wie es der Zufall will, ist es 125 Jahre später wieder ein Großkarolinenfelder, der nach Kolbermoor kommt, um dem Gasthof neues Leben einzuhauchen: Tibor Tavali. „Ich hatte schon meine Zweifel, ob das gelingt“, verrät seine Frau Erika (39). Beiden war bewusst, wie schwer es ist, gegen den schlechten Ruf eines Restaurants anzukämpfen. Noch dazu in einer Zeit, in der viele Gastronomen durch massiv steigende Energie- und Lebensmittelpreise um ihre Existenz ringen. „Es kommt, wie es kommt“, überzeugte Tibor seine Frau: „Wenn wir gut ankommen, haben wir Glück. Wenn es nicht klappt, finde ich in der Gastronomie als Angestellter jederzeit einen anderen Job.“

An sechs Tagen geöffnet

Vor 20 Jahren sind Tibor und Erika Tavali aus dem ungarischen Györ nach Deutschland gekommen. „Eigentlich wollten wir nur ein paar Jahre hier bleiben, doch jetzt fühlt es sich wie die zweite Heimat an“, erzählen sie. Der Hotelfachmann arbeitete in verschiedenen Hotels: als Rezeptionist, Kellner, Serviceleiter. „Am Anfang war es richtig hart“, erinnert er sich. Doch er fasst schnell Fuß, arbeitet mit großen Köchen zusammen, lernt das Fach von der Pike auf kennen und kann heute alles selbst.

Schon in Großkarolinenfeld gelang es ihm, ein kleines Restaurant mit 30 Plätzen neu zu beleben. Dann wird fürs „Servus Füglein“ ein neuer Wirt gesucht. Tibor will sich vergrößern und ergreift die Chance. Er ist ein zweites Mal erfolgreich und steuert sogar gegen den Strom. Während andere Wirtshäuser ihre Öffnungszeiten reduzieren, weil ihnen die Fachkräfte fehlen, öffnet er an sechs Tagen pro Woche von 10.30 bis 23 Uhr – und das mit einem Team, das man an einer Hand abzählen kann.

Wie er das schafft? Tibor kennt die Statistik. Er weiß, dass nur zwei von zehn Wirten überleben. „Viele stellen es sich zu leicht vor, aber Gastronomie ist anstrengend und funktioniert nur, wenn du mehr als 100 Prozent gibst und über Deine Grenzen gehst“, beschreibt der 40-Jährige. Er ist dazu bereit: „Ich bin immer hier.“

Historisches Unikat in großer Konkurrenz

Er steht selbst in der Küche. Mittags unterstützt ihn seine Frau Erika im Restaurant. Am Abend besucht sie ihn mit den Kindern Victoria (4) und Lionel (10). „Und so ist es ein richtig familiäres Lokal geworden“, beschreibt er seine Philosophie.

Die gastronomische Konkurrenz in Kolbermoor ist groß. Im Umkreis von wenigen hundert Metern gibt es nicht nur das „Grammophon“ und ein indisches Restaurant. Das Milano am Rathaus wurde erst im vergangenen Jahr eröffnet, in Stadler-Bräu und Stadtcafé zog erst kürzlich neues Leben ein. „Zum Glück“, lobt Stadtmarketing-Chef Christian Poitsch die gastronomische Revitalisierung des Ortskerns und freut sich, denn: „Überall läuft es gut. Ich höre nur zufriedene Stimmen.“

Konkurrenz fürchtet Tibor Tavali nicht. Er ist sich sicher: „Das, was ich habe, hat sonst keiner: Dieser kleine, urige Laden ist ein Unikat. Traditionell bayrisch und gemütlich.“ Auch Robert Füglein, der Urenkel des einstigen Begründers des Gasthauses „Füglein“ freut sich über die Entwicklung, denn: „Wir sind sehr zufrieden und gehen selbst gern hin, weil es gute Speisen gibt, und die Wirtsleute immer freundlich sind.“

Vereine kehren in ihr Stammlokal zurück

„Hier schmeckt‘s wie bei Muttern“, sagen die Gäste. Sie fühlen sich wohl bei Tibor, Erika und ihrem kleinen Team. Und so kehrt ein Verein nach dem anderen ins Stammlokal zurück – zum Stammtisch, zu Vorstandssitzungen oder auch zum Schafkopf-Turnier. „Ich habe hier jetzt eine dufte Truppe“, freut sich der Wirt über seine Gäste. Manchmal feuert er mit Holz die Gulaschkanone an, um etwas aus der Heimat zu kochen. Auch die bayerischen Gerichte des Ungarn kommen gut an: „Nirgendwo schmeckt der Wildgulasch so gut wie bei Tibi“, schwärmt Christian Wagner, der Chef des Siedlungsvereins.

Ein Geheimrezept hat Tibor Tavali nicht, einfach nur „Herzblut und Liebe zu meinen Beruf“. Er nimmt sich Zeit für seine Gerichte und seine Gäste, verbringt den ganzen Tag in seinem Restaurant und ist glücklich, denn er hat den Traum seiner Familie vom eigenen Lokal wahr gemacht.

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