Mehr als 350 Menschen leben am Existenzminimum
Kolbermoor kratzt an 20.000er-Einwohner-Marke – doch das Wachstum hat auch Schattenseiten
Kolbermoor kratzt an der 20.000er-Marke und avanciert zur größten Stadt im Landkreis Rosenheim. Doch die steigende Einwohnerzahl bringt auch Probleme mit sich.
Kolbermoor – Die Stadt wächst. „Wir gehen stark auf die 20.000 Einwohner zu“, informierte Bürgermeister Peter Kloo auf der jüngsten Bürgerversammlung. 24 Einwohner fehlen noch bis zur 20.000er-Marke, auch „wenn die Angaben des Statistischen Landesamtes hinterherhinken“. Damit avanciert Kolbermoor mit aktuell 19.976 Einwohnern zur größten Stadt im Landkreis Rosenheim, denn Bad Aibling hat nach statistischen Angaben „nur“ 19.625 Einwohner.
Die Kolbermoorer Statistik zeigt aber auch, dass die Altersgruppe der 50- bis 60-Jährigen am stärksten vertreten ist, die meisten Kolbermoorer zwischen 30 und 70 Jahren alt sind, es in den jüngeren Generationen aber an Nachwuchs fehlt. „Die Entwicklung war vorausgesagt“, betonte Kloo, „dennoch müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir es kompensieren wollen, dass im Jahr 2025 im Landkreis 25.000 Menschen mehr aus dem Beruf ausscheiden, als ins Berufsleben eintreten.“
Ohne Zuzug würde die Stadt noch schneller altern
Ohne Zuzug wäre Kolbermoor schnell überaltert, erklärte der Bürgermeister die Statistik, denn allein nach Sterbefällen und Geburten gerechnet, würde die Einwohnerzahl pro Jahr um etwa 100 sinken. Vielmehr „wechselt sich die Bevölkerung aber alle 15 Jahre aus“, wie an den Zu- und Wegzügen zu sehen ist. Im Corona-Jahr 2020 gingen mehr Menschen (1283) aus Kolbermoor weg als kamen (884). Im Jahr 2022 kehrten 366 Bürger der Stadt den Rücken, dafür zogen 1723 Neubürger nach Kolbermoor. „Daran erkennt man auch die Entwicklung der Neubaugebiete in Spinnerei- und Conradtypark“, so der Bürgermeister.
77 Prozent aller Kolbermoorer sind Deutsche. Der Anteil der Ausländer an der Bevölkerung hat sich in den vergangenen zehn Jahren von vier auf 16 Prozent erhöht. „In Kolbermoor leben derzeit 110 Flüchtlinge und weitere 118 Menschen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft“, informierte Peter Kloo.
Lage am Wohnungsmarkt weiter angespannt
Die Lage am Wohnungsmarkt bleibt weiter angespannt. „Aufgrund der demografischen Entwicklung ist die Wohnfläche pro Person seit 1974 von 24 auf 47 Quadratmeter angestiegen“, machte der Bürgermeister klar. Kolbermoor verfügt über 300 städtische Wohnungen. Alle sind belegt, trotzdem stehen 272 Menschen auf der Warteliste. Nach dem Abriss des „Invalidenhauses“ an der Unteren Mangfallstraße soll dort ab 2025 neu gebaut werden. Geplant sind 30 Wohnungen über das Kommunale Wohnbauprogramm. „Derzeit prüfen wir, welche Fördermöglichkeiten es für nachhaltige Gebäude in Holzbauweise gibt“, so Peter Kloo. Die konkreten Planungen sollen 2024 erfolgen.
Aufnahmestopp bei der Kolbermoorer Tafel
Corona-Pandemie, Inflation und Energiekrise waren und sind für alle Menschen eine enorme Herausforderung. Doch 350 Kolbermoorer können ihr Leben nicht mehr aus eigener Kraft meistern. Sie leben am Existenzminimum und sind auf Lebensmittel von der Tafel angewiesen. „Der Zulauf zur Kolbermoorer Tafel wächst, doch wir stoßen an unsere Grenzen“, bedauerte Peter Kloo. Es musste ein Aufnahmestopp verhängt werden, da die Raum- und Lagermöglichkeiten nicht ausreichen, Kühlketten nicht eingehalten werden können und auch die ehrenamtlichen Helfer an die Grenze ihrer Belastbarkeit gelangt sind. Eine Lösung sei noch nicht gefunden, so der Bürgermeister.
Bürgerhaus bleibt Netzwerkstelle
Für viele Besucher der Bürgerversammlung war auch die Information neu, dass Tafel und Bürgerhaus „Mangfalltreff“ ab Januar getrennte Wege gehen. Die Stadt Kolbermoor hatte den Kooperationsvertrag mit der Diakonie gekündigt. Die Verantwortung für die Tafel bleibt weiterhin bei der Diakonie. Das Bürgerhaus wird auf Stadtratsbeschluss künftig von der Arbeiterwohlfahrt betrieben. Ansprechpartnerin für die Bürger ist dort auch künftig Daniela Dobner. „Der Mangfalltreff ist eine Netzwerkstelle, soll Angebote für die ganze Stadt koordinieren“, so der Bürgermeister. Auch in Zukunft werde das Bürgerhaus die Heimat von Selbsthilfegruppen, Frauentreffs, jungen Familien, Senioren, Einsamen, Menschen mit Migrationshintergrund und Flüchtlingen sein.