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Schulbus-Selbstzahler in Kolbermoor

Kostenexplosion für Schüler nach MVV-Beitritt: So reagieren die Eltern

Für Selbstzahler verdreifachen sich die Kosten für den Stadtbus-Schülerverkehr. Elternbeirat und betroffene  Eltern wie (von links) Vjera Eberle, Monika Tietz, Daniela Makosch, Sabrina Winkler und Daniela Kreißl suchen nach Lösungen zwischen grünem Stadtbus, unsicherem Schulweg und einem Chaos an Elterntaxis.
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Für Selbstzahler explodieren die Kosten für den Kolbermoorer Stadtbus-Schülerverkehr. Elternbeirat und betroffene Eltern wie (von links) Vjera Eberle, Monika Tietz, Daniela Makosch, Sabrina Winkler und Daniela Kneißl suchen nach Lösungen zwischen grünem Stadtbus, unsicherem Schulweg und einem Chaos an Elterntaxis.

Die Kosten für das Schülerjahresticket in Kolbermoor steigen künftig exorbitant. Welche Gründe es dafür gibt, und welche Konsequenzen die Familien ziehen.

Kolbermoor – Der Kolbermoorer Stadtrat hat sich im Februar einstimmig für den Beitritt der Stadt zum Münchner Verkehrs- und Tarifverbund (MVV) ausgesprochen. Der Vorteil: Künftig gibt es ein Ticket für alles im MVV-Gebiet: Stadtbus, Bus, Zug, S-Bahn, U-Bahn und Tram. Der Nachteil: Es wird teurer – zumindest innerorts und vor allem für Familien mit Schulkindern.

80 Kolbermoorer Familien sind betroffen

Schüler, die weiter als zwei Kilometer (Grundschule) oder drei Kilometer (weiterführende Schulen bis zur zehnten Klasse) entfernt von ihrer Schule wohnen, erhalten auch künftig ein kostenloses Schülerticket. Die Jahreskarte für jene Schüler, die keinen Anspruch auf kostenlose Beförderung haben – sogenannte Selbstzahler – kostet derzeit 110 Euro. Nach Informationen der Stadtverwaltung sind es derzeit 80 Schüler, die als Selbstzahler mit dem Kolbermoorer Stadtbus-Jahresticket zur Schule fahren. „Mit dem Beitritt zum MVV kostet das Ticket ab Dezember oder Januar aber 365 Euro pro Jahr“, macht Vjera Eberle, Vorsitzende des Elternbeirats der Adolf-Rasp-Schule, auf eine enorme Preisexplosion aufmerksam. Zwar gilt dieses Ticket dann im gesamten Bereich des Münchner Verkehrsverbundes. Doch ist das eine Leistung, die Grundschüler brauchen?

Im Schülerverkehr ewig unterwegs

„Grundsätzlich ist das ein günstiges Ticket für ältere Schüler und Auszubildende“, räumt Eberle ein. „Betrachtet man aber Grundschüler in Kolbermoor, ist es sicher alles andere als günstig, denn sie fahren zweimal am Tag mit dem Stadtbus – zur Schule und nach Hause – und das nur in Kolbermoor.“ Dabei sei die Schülerbeförderung nicht gerade alltagstauglich. „Die Kinder warten oftmals lange auf den Bus und sind dann 30 bis 40 Minuten zur Schule unterwegs“, erklärt Daniela Kneißl. Zu Fuß bräuchten sie 25 Minuten. Mit dem Rad wären sie noch schneller. Doch der Schulbus ist einfach sicherer.

Eltern fragen seit Monaten bei der Stadt nach

Nach der Entscheidung für den MVV sind viele selbstzahlende Eltern frühzeitig an die Stadt herangetreten, spätestens bei der Bestellung des neues Jahrestickets vor den Sommerferien. Sie hoffen auf eine Lösung. Bisher ohne Erfolg. „Von der Stadt gibt es vage Antworten. Wir haben das Gefühl, eine klare Antwort wird hinausgezögert, bis die Frist abläuft“, kritisiert der Elternbeirat der Adolf-Rasp-Grundschule.

Sind Grundschüler schon allein im MVV-Gebiet unterwegs?

Mit einem Euro pro Tag im gesamten MVV-Gebiet unterwegs sein zu können, klingt zwar attraktiv. Für Grundschüler ist es das aber nicht. „Im Alter von sechs bis zehn Jahren fährt ein Kind unbegleitet nirgendwohin“, betonen die betroffenen Eltern. Deshalb hoffen 40 Grundschul-Familien auf eine Kompromisslösung. „Die Eltern sind ja bereit, mehr zu zahlen, aber nicht den dreifachen Preis“, betont die Elternbeiratsvorsitzende: „Schließlich brauchen die Kinder das Ticket nur für den Schulweg, nicht am Wochenende und auch nicht in den Ferien.“

Welche alternativen Modelle es gibt

Die Mütter haben schon viele Modelle durchgerechnet. Seit zehn Jahren kostet ein Einzelticket im Stadtgebiet von Kolbermoor einen Euro. Mit dem MVV-Beitritt würde der Kurzstreckentarif künftig 1,80 Euro für die Einzelfahrt für Kinder betragen. Mit dem Fahrplanwechsel am 10. Dezember gelten zwar wieder neue Preise, aber aktuell kostet eine Tageskarte 3,60 Euro. „Mit der Zehner-Streifenkarte würde sich der Preis auf 1,70 Euro pro Fahrt reduzieren, das wären also 3,40 Euro am Tag“, rechnet Eberle vor. Ein Schuljahr hat um die 200 Schultage. Damit kämen die Eltern auf 680 Euro. Diese Variante wäre also noch teurer als die Jahreskarte.

Sollen die Kinder doch mit dem Fahrrad fahren, könnte man meinen. Doch das dürfen sie erst, wenn sie den „Fahrradführerschein“ in der Tasche haben. Und die dafür erforderliche Verkehrserziehung durch die Polizei mit Theorie, Praxis und einer Fahrradprüfung findet erst in der vierten Klasse statt.

Belastung für Familienbudgets

Der neue Preis belastet die Familienbudgets enorm – zusätzlich zu Energiepreisexplosion und Inflation. Viele Eltern haben zwei oder sogar drei Kinder an Grundschulen und weiterführenden Schulen. Sie kalkulieren genau, denn 730 für zwei oder 1095 Euro für drei Kinder statt bisher 220 für zwei oder 330 für drei Kinder sind ein gewaltiger Unterschied. „Fast schon ein Familienurlaub“, machen die Mütter vom Elternbeirat klar.

Theoretisches Beispiel erklärt die Kosten

Ein theoretisches Beispiel soll den finanziellen Aufwand und die Widersprüche verdeutlichen: „Musterfamilie Huber“ wohnt in der Kranzhornstraße in Kolbermoor, hat ein Kind an der Pauline-Thoma-Mittelschule und zwei Kinder an der Adolf-Rasp-Grundschule. Die einfache „Auslieferungsstrecke“ des Nachwuchses hat 3,7 Kilometer. Mit Bringen und Holen „in einem Ritt“ – diesen Optimalfall gibt es natürlich so gut wie nie – kommen am Tag 7,4 Kilometer zusammen. Das sind an 22 Schultagen im Monat 162,8 Kilometer. Der durchschnittliche Benzinverbrauch eines Pkw wird in Deutschland mit 7,7 Litern pro 100 Kilometer angegeben. Unsere Familie braucht also etwa 12,5 Liter Benzin fürs Elterntaxi im Monat. Bei einem Preis von 1,90 Euro pro Liter muss die Familie rund 24 Euro einplanen. Sinken die Treibstoffpreise wieder, kommt sie natürlich günstiger weg.

Eine einfache Rechnung

Generell stehen jedem Schüler in Deutschland Ferien im Umfang von 75 Werktagen zu. Wenn man von den 365 Tagen im Jahr die 75 Ferientage, alle Wochenenden, Feiertage und möglichen Brückentage abzieht, kommt man auf bis zu maximal 200 Schultage im Jahr. Hochgerechnet würde „Musterfamilie Huber“ im Jahr also 1480 Kilometer mit dem Elterntaxi für drei Kinder zurücklegen, dafür circa 114 Liter Benzin brauchen und etwa 217 Euro bezahlen.

Das Schülerticket für drei „selbstzahlende“ Kinder aber kostet das Fünffache, nämlich 1095 Euro im Jahr. Und selbst wenn der Mittelschüler der „Hubers“ zur Schule laufen oder mit dem Rad fahren würde, blieben für zwei Schulbuskinder Kosten von 730 Euro im Jahr. Ein Schulbuskind allein kostet 365 Euro im Jahr. Das Elterntaxi ist also in jedem Fall um ein Vielfaches günstiger als das selbst gezahlte Schülerticket. „Ganz klar, dass die betroffenen Eltern ihre Kinder dann mit dem Auto zur Schule fahren“, macht der Elternbeirat klar.

Umweltbelastung nimmt wieder zu

„Abgesehen davon, dass eine derartige Kostenexplosion den Schülern und Eltern gegenüber unfair ist, ist sie auch verkehrstechnisch sehr kurz gedacht und alles andere als umweltfreundlich“, betont Vjera Eberle. Beim Benziner kommen durchschnittlich 120 Gramm CO2 pro gefahrenem Kilometer aus dem Auspuff. Im Falle unserer „Musterfamlie Huber“ aus der Kranzhornstraße wären das also 177,6 Kilogramm (177.600 Gramm) an 200 Schultagen. Bei 40 zusätzlichen Elterntaxis wie dem der „Hubers“ kämen also etwa 7104 Kilogramm CO2 hinzu: Das sind sieben Tonnen CO2. Bei 80 Elterntaxis mit ähnlichen Tagesstrecken wäre es 14 Tonnen.

Das Verkehrsaufkommen durch die Elterntaxis wird oft unterschätzt. An den Grundschulen – hier die Zufahrtsstraße zur Adolf-Rasp-Grundschule – bringen ehrenamtliche Schulweghelfer die Kinder sicher über die Straße.

Umweltbewusste Selbstzahler gibt es bald nicht mehr

„Wir haben extra auf das Elterntaxi verzichtet, auch um die Umwelt zu schonen“, erklärt Daniela Makosch. Gleichzeitig sei der Schulbus aber tatsächlich eine sichere Möglichkeit, die Kinder zur Selbstständigkeit zu erziehen, denn sie steigen direkt vor der Adolf-Rasp-Schule gefahrlos aus.

Doch das künftige Mehr an Elterntaxis hat nicht nur einen Umweltaspekt, sondern birgt auch verkehrstechnische Gefahren. „Stadt, Polizei, Schulen und Schulweghelfer bemühen sich so sehr, dass weniger Elterntaxis fahren. Dabei helfen auch viele Eltern mit, indem sie als Selbstzahler Busfahrkarten kaufen“, betont Monika Tietz, die Koordinatorin der Schulweghelfer an der Adolf-Rasp-Schule.

Im Ehrenamt für mehr Schulwegsicherheit

Jeden Morgen bringen im gesamten Stadtgebiet 45 Schülerlotsen Kolbermoors Grundschüler ehrenamtlich sicher über die Straße. „Das Verkehrsaufkommen wird unterschätzt. Am Morgen geht es schon recht chaotisch zu“, beschreibt Tietz die Minuten kurz vor Unterrichtsbeginn und fragt sich, wie es werden soll, wenn künftig für 40 weitere Grundschulfamilien die Schulbusoption wegfällt.

Auch in der „Rushhour“ nach Unterrichtsschluss sind die Kinder nicht sicher unterwegs. An der Mangfallschule stehen ihnen dann ehrenamtliche Helfer zur Seite. „Uns fehlen leider ausreichend Schülerlotsen, um den Kindern auch mittags einen sicheren Schulweg zu ermöglichen“, wirbt Monika Tietz um weitere ehrenamtliche Helfer für die Adolf-Rasp-Schule.

Hort oder Ganztagsschule fallen als Alternativen weg

Die Eltern haben sich Gedanken gemacht, wie sie die enormen Kosten umgehen könnten. Fahrgemeinschaften kommen nicht immer in Frage, da die Kinder zu unterschiedlichen Zeiten Unterrichtsschluss haben. Zudem arbeiten alle Mütter und tragen mit ihrer Einkommenssteuer auch zum Haushalt der Stadt Kolbermoor bei. Trotz Teilzeit-Jobs müssen sie am Morgen und am Nachmittag hetzen, um Arbeit und Familie unter einen Hut zu bringen. Alternativen wären Hort oder Ganztagsbetreuung, doch dafür fehlen in Kolbermoor die Fachkräfte und damit die Plätze.

Familien müssen neu planen

„Die Schulbusvariante war für viele Familien eine ideale Möglichkeit, Arbeit und Familie zu vereinbaren sowie die Kinder auf einem sicheren Weg in die Schule oder nach Hause zu wissen“, betonen die Mütter. Es sei keineswegs das Ziel der Eltern, den Bus kostenlos zu bekommen, aber: „Eine moderate Steigerung auf 150 Euro wäre angemessen, aber keine Verdreifachung der Kosten.“

Gibt es im Verbund Platz für „Extrawürste“?

Doch hat die Stadt Kolbermoor überhaupt die Chance, im Münchener Verkehrsverbund eine Sonderlösung für die Kolbermoorer Schüler anzubieten? „Die Problematik der Kosten für die Beförderung der nicht beförderungspflichtigen Grundschüler im Stadtbus zur Schule im Rahmen des neuen MVV-Tarifs ist uns bewusst“, informiert Stadtmarketing-Chef Christian Poitsch auf Anfrage des OVB. „Bis dato haben all unsere Vorstöße beim MVV hinsichtlich eines dafür angepassten Tickets oder Tarifs zur Schülerbeförderung leider keine Lösung gebracht.“ Die Stadt stehe aber weiterhin in intensiven Gesprächen mit dem MVV.

Bei insgesamt 80 Schülern, die den Schulbus selbst bezahlen, fallen im Vergleich zu den bisherigen Kosten von 110 Euro künftig Mehrkosten von 255 Euro pro Kind und damit insgesamt von 20.400 Euro an. Doch über eine Bezuschussung des 365-Euro-Tickets muss die Stadt gar nicht erst nachdenken, denn: „Diese ist kommunalrechtlich nicht umzusetzen“, erklärt Christian Poitsch.

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