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Exklusives Interview zum Thema KI

Heilsbringer oder überbewertet? Was künstliche Intelligenz wirklich kann – und was noch nicht

Was bringt uns die KI? Florian Schiller (oben), Geschäftsführer der OVB Media, Stefan Andorfer (mitte), Mitglied der Geschäftsleitung der Münchner Marketing Akademie und Florian Wiesböck, Geschäftsführer des Stellwerk 18 Rosenheim, sprechen exklusiv über die Technologie der Zukunft.
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Was bringt uns die KI? Florian Schiller (oben), Geschäftsführer der OVB Media, Stefan Andorfer (mitte), Mitglied der Geschäftsleitung der Münchner Marketing Akademie und Florian Wiesböck, Geschäftsführer des Stellwerk 18 Rosenheim, sprechen exklusiv über die Technologie der Zukunft.

Der Begriff Künstliche Intelligenz wurde erstmals 1955 dem amerikanischen Informatiker John McCarthy zugeordnet. 2023 war „ChatGPT” eines der meistgesuchten Wörter auf Google. Aber ist KI wirklich die Lösung für alles? Welche Risiken stecken dahinter? Drei Experten geben einen exklusiven Einblick.

Rosenheim – Egal ob Datenanalyse, komplexe Entscheidungsprozesse oder nur die vorgefertigte Geburtstagskarte. Künstliche Intelligenz (KI) ist im Alltag angekommen. Doch was für Chancen bietet die neue Technologie und wohin geht die Entwicklung in der Region Rosenheim? Florian Schiller, Geschäftsführer von OVB Media, Stefan Andorfer, Mitglied der Geschäftsleitung der Münchner Marketing Akademie und Florian Wiesböck, Geschäftsführer des Stellwerk 18 Rosenheim, sprechen exklusiv über die Technik der Zukunft.

Wann haben Sie sich zum ersten Mal mit Künstlicher Intelligenz beschäftigt und war Ihnen von Anfang an klar, wie wichtig das Thema werden würde?

Florian Wiesböck: Das erste Mal damit zu tun hatte vermutlich jeder, der Videospiele spielt und bei der Fußballsimulation Fifa gegen den Computer verloren hat. Auch das war schon eine Art von Künstlicher Intelligenz. Nur hat da niemand darüber geredet. Bisher war es eher ein Thema für die Forschung. Was es jetzt so spannend macht, ist, dass es nicht mehr in geschlossenen Laboren bleibt, sondern Sie, ich und jeder andere es im Alltag nutzen kann. 

Florian Schiller: Beschäftigt hat es uns schon bei der Personalisierung von Online-News im Jahr 2015. Das bedeutet, was bekomme ich, wenn ich auf die Startseite gehe? Was gibt es für Empfehlungen für unterschiedliche Nutzer? Das haben wir „intelligent“ eingebaut. Der Algorithmus sollte anhand des Nutzungsverhaltens verstehen, was auf der Seite angezeigt wird. Das begann vor einigen Jahren. Die große Explosion folgte durch „ChatGPT”.

Stefan Andorfer: Ich erinnere mich an ein Meeting im November 2022 mit meinem Geschäftspartner. Damals haben wir noch darüber gewitzelt, dass eine KI bald die ganze Arbeit für uns erledigen wird. Wie prophetisch sich unsere Worte letztlich erweisen sollten, war uns noch nicht bewusst. In den Wochen und Monaten danach wurde uns dann jedoch zunehmend die immense Tragweite dieser Entwicklung klar und wir haben damit begonnen, tief in die Materie einzutauchen.

„Der Sprung war enorm“

Was bedeutet KI sowohl privat als auch für Unternehmen? 

Schiller: Der Sprung in den vergangenen beiden Jahren war enorm und eröffnet ganz neue Möglichkeiten, auch für Unternehmen. Es ist ein Hype entstanden, der natürlich erstmal auf dem Boden der Tatsachen ankommen wird. Aber es steckt viel Substanz dahinter.

Wiesböck: Auch das hat mit der Massenakzeptanz zu tun. Solange KI eher etwas für Nerds war, die in einer Blackbox an Algorithmen gearbeitet haben, konnte sich keiner darunter etwas vorstellen. Jetzt ist die Akzeptanz da und niemand hat mehr Angst, damit zu herumzuprobieren, auch Firmen nicht.    

Andorfer: Besonders interessant ist der Punkt „Effizienz-Steigerung“. KI kann uns dabei helfen, in einem erheblichen Ausmaß Zeit zu sparen und Prozesse zu optimieren, da sie viele Aufgaben in Sekunden erledigen kann, für die ein Mensch viel Zeit benötigt. Das wiederum bedeutet, dass wir bessere Ergebnisse in viel schnellerer Zeit erzielen und diese in wichtigere Aufgaben investieren können.

Was ist aus Ihrer Sicht der größte Mehrwert? 

Schiller: Es vereinfacht schon jetzt einige Prozesse in der redaktionellen Arbeit. Beim Redigieren, Transkribieren oder in der Datenanalyse ist die KI bereits präsent. Und das ist erst die erste Stufe.

Wiesböck: KI kann außerdem dafür genutzt werden, um Maschinen zu automatisieren. Sie kann analysieren, welche Probleme es gibt, wann welcher Schritt erfolgen muss oder wie viele Aufträge bearbeitet werden können. Zudem kann die KI Entscheidungen treffen, die zu einem hohen Grad auf Daten basieren. Da würde ich mir nicht zumuten, eine bessere Entscheidung zu treffen als die KI. 

Andorfer: Aber auch im Kundenservice ist KI interessant: Stichwort Chatbots. Die KI übernimmt dabei zum Beispiel repetitive Prozesse, sie kann große Datenmengen analysieren, Muster darin erkennen und zunehmend als Kundenberater fungieren. 

Was kann die KI (noch) nicht? Welche Risiken gibt es? 

Andorfer:  Sogenannte „Deep Fakes“ werden ein riesiges Problem darstellen. Man kann menschliche Stimmen und sogar Gesichter praktisch „kopieren“. Hier müssen schnellstens rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Was KI außerdem nicht kann, ist komplexes, menschliches, empathisches Empfinden und die Fähigkeit zur Selbstreflexion.

Schiller: Es herrscht eine teilweise gefährliche Goldgräberstimmung. Ganz große Firmen investieren Milliardenbeträge in den Aufbau von Kapazitäten, Servern und Technik. Was dabei am Anfang herauskommt, ist für viele erstmal ein Minusgeschäft. Jeder hat Angst, etwas zu verpassen. Es wird viel spekuliert und das gehört dazu. Das gibt das Fundament für die tatsächliche Entwicklung. 

Eine Kritik von Informatikern: Sie bekommen zahlreiche Anfragen von Firmen, die KI „möglichst schnell irgendwie” umsetzen wollen. Wie nehmen Sie das wahr?

Wiesböck: Ich finde es faszinierend, wie die Nachfrage plötzlich explodiert ist. Ich teile auch die Angst, dass manche Firmen sich zu schnell auf etwas stürzen. Aber ich glaube, man kann nicht viel kaputt machen. Viele Unternehmen machen das nicht selbst, sondern über externe Anbieter, die sich darauf spezialisieren. Ich würde aber abraten, jetzt irgendwas zusammenzustricken, ohne das Fachwissen zu haben. Dafür gibt es zu viel Raum für Fehler. 

Schiller: Nichts zu tun, ist für viele keine Alternative. Man will schnell Erfolge vorweisen und hat Angst, etwas zu verpassen. Aber es braucht Geduld, es muss herumprobiert werden. Es wird Sackgassen geben. Das geht nicht in einem Hauruck-Verfahren.   

Andorfer: Es herrscht ein Aktionismus, wie wir ihn lange nicht mehr gesehen haben. Die Kehrseite davon und damit auch der Punkt, in dem wir den Informatik-Kollegen beipflichten. Tatsächlich herrscht in manchen Unternehmen eine vollkommen verkehrte Erwartungshaltung in Bezug auf KI. Insbesondere Anwendungen der sogenannten „Generativen KI“ werden als „magic button“ wahrgenommen, auf den man nur drücken muss und schon kommen hinten fertige Ergebnisse raus. Aber genau diese Komplexitäts-Reduktion und der damit verbundene „blinde Aktionismus“ ist der vollkommen falsche Weg.

Was wäre der richtige Weg, um KI sinnvoll zu nutzen? 

Andorfer: Ich weiß nicht, ob es den einen richtigen Weg gibt. Das hängt am Ende sehr stark vom jeweiligen Unternehmen und den spezifischen Herausforderungen ab. Grundsätzlich bin ich fest davon überzeugt, dass wir einen positiven Zugang zu dieser Innovation entwickeln sollten. KI wird als eine sogenannte „Sprung-Innovation“ gesehen und hat dadurch das Potenzial, die Welt in einem ähnlichen Umfang zu verändern, wie das Internet oder die industrielle Revolution. Wir sollten also mit einer großen Portion Neugier und Technologie-Offenheit – aber auch mit Hirn und Verstand an diese neuen Möglichkeiten herangehen.

Wiesböck: Es geht vor allem darum, die KI für das jeweilige Unternehmen zu nutzen. Was genau brauche ich eigentlich, was könnte ich optimieren, was sind vielleicht triviale Aufgaben, bei denen ich das austesten kann? 

Schiller: Der erste Schritt dafür ist, Standard- und Routineaufgaben zu erkennen. Das ist bei uns beispielsweise das Redigieren und Korrigieren von Texten. Das frisst viele Ressourcen und mithilfe von KI deutlich beschleunigt werden. 

„Das kann keine Maschine ersetzen“

Müssen Mitarbeiter Angst haben, von der KI langfristig ersetzt zu werden?

Wiesböck: Da kann ich noch weiter ausholen als Sie vorher mit dem Informatiker McCarthy. Die Diskussion, ob Technologie Arbeitsplätze zerstört oder erhält, gibt es seit der industriellen Revolution. Egal ob Fließband, Dampfmaschine oder Elektrizität. Danach wurden es eher immer mehr Plätze. Innovation führt dazu, dass Unternehmen sich zukunftsfähig aufstellen und Arbeitsplätze schaffen. 

Schiller: Es steht außer Frage, dass sich die Berufsbilder verändern werden. Ein Beispiel: Schauen Sie sich eine Buchhaltung vor der Erfindung von Excel an. Die war riesengroß. Heute braucht es andere Anforderungen und so wird es auch mit der Künstlichen Intelligenz sein. 

Andorfer: Ein Fachartikel mit 1000 Wörtern kann inzwischen in 20 Sekunden generiert werden. Man kann ganze Songs mit KI produzieren. Bilder und sogar Kunst können per Knopfdruck erzeugt werden. Um es kurz zu machen: es besteht durchaus die Gefahr, dass es in Zukunft an manchen Berufen weniger Bedarf geben wird. Dafür entstehen allerdings neue Berufe. Außerdem geht nichts über das geübte Auge einer Fotografin, das Naturtalent einer Autorin oder das ästhetische Empfinden eines Grafikers. Das kann eine Maschine nicht ersetzen. 

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