Schlechte Noten von der Stiftung Warentest
Rechtsberatung im Internet - mehr schlecht als recht
Online-Portale für Rechtsberatung versprechen zeitnah individuellen juristischen Rat von Rechtsanwälten, oft rund um die Uhr. Eine aktuelle Finanztest-Untersuchung zeigt, wie die Beratung von sieben ausgewählten Anbietern funktioniert und ob sie qualitativ überzeugen.
Wer Ärger mit seinem Vermieter oder Arbeitgeber hat, wer in einen Unfall verwickelt war oder wer kurz vor einer Scheidung steht, braucht oft schnell einen juristischen Rat. Da liegt es nahe, zuerst im Internet zu suchen. Doch wie hilfreich ist es, online einen Anwalt zu befragen? Und sind die Angebote im Internet seriös?
Finanztest hat fünf Plattformen für Online-Rechtsberatung und zwei Online-Kanzleien unter die Lupe genommen – mit durchwachsenem Ergebnis. Dabei ging es zum einen um die Qualität der Antworten auf Testfälle, zum anderen zum Beispiel um die Nutzerfreundlichkeit, die Datenschutzbestimmungen und die Kosten.
Die Durchführung des Tests
Für ihren Test haben die Finanztest-Juristen fünf Rechtsfragen aus verschiedenen Gebieten wie Miet- und Arbeitsrecht entwickelt und im Februar 2024 auf den Internetseiten von fünf Plattformen für Rechtsberatung - sie vermitteln lediglich zwischen Ratsuchenden und Rechtsanwälten - sowie zwei Online-Kanzleien - sie haben selbst Anwälte - eingegeben.
Zusätzlich haben die Website-Experten unter anderem ausprobiert und bewertet, wie nutzerfreundlich die Portale sind. Zusätzlich haben juristische Gutachter die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und Datenschutzerklärungen geprüft
Hohe Preisspanne
Die Anbieter haben unterschiedliche Preismodelle. In manchen Fällen können Kunden die Preise für anwaltlichen Rat selbst bestimmen. Auf einigen Plattformen für Onlinerechtsberatung bestimmen die Nutzer bei Beauftragung selbst, wie viel ihnen die Antwort wert ist. Sie stellen etwa mit einem Schieberegler ein, wie schnell und wie detailliert die gewünschte Rechtsauskunft ausfallen soll. Außerdem geben diese Portale einen Mindestpreis dafür vor.
Nur bei einem Portal gibt es eine kostenlose schriftliche Ersteinschätzung. Kleine Einschränkung: Diese ist nicht rechtsverbindlich. Andere Plattformen schicken erst nach erfolgter Anfrage ein Preisangebot für die Rechtsauskunft.
Insgesamt reichten die Preise für eine Online-Beratung von 5 Euro bis knapp 290 Euro. Oft bewegten sich die Preise jedoch zwischen 80 und 120 Euro.
Der Ablauf ist überall gleich unkompliziert: Frage stellen, Preis festlegen oder Preisangebot annehmen, abwarten, schriftlich Rechtsrat erhalten. Das geht 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche.
Nach der Beratung können Nutzer teilweise Bewertungen abgeben. Beim Portal JustAnswer erhalten die beratenden Anwälte und Anwältinnen sogar erst ihr Honorar, wenn sie eine positive Bewertung – das heißt drei bis fünf Sterne – bekommen.
Das Fazit der Tester ist ernüchternd: Qualität durchwachsen
Die Ergebnisse der Beratung waren ernüchternd. Die Qualität reichte von mustergültig bis spektakulär daneben. Kein Anbieter hat uns in allen fünf Fällen überzeugt, manch einer gab überhaupt keine brauchbaren Antworten.
„Die Rechtsberatung per Mausklick hat uns nicht überzeugt. Jeder Anbieter für Online-Rechtsberatung leistete sich mindestens einen Aussetzer bei den Antworten auf unsere Modellfälle“, so die Rechtsexpertin Eugénie Zobel. „Zum Teil erhielten wir haarsträubende Ratschläge.“
Für den Musterfall, in dem es um einen Verdacht auf Unfallflucht mit dem Mietwagen geht, empfahl zum Beispiel ein Anbieter, bei der Polizei auszusagen. Dazu sind Betroffene aber nicht verpflichtet und Strafverteidiger raten davon stets dringend ab, bevor sie die Akte und die Rechtslage geprüft haben.
Wer Hilfe bei einem juristischen Problem benötigt, sollte zunächst kostenlose Alternativen zur Online-Beratung versuchen. „Als erste Maßnahme kann die Recherche im Internet nach aktuell geltenden Regeln und Gerichtsurteilen durchaus hilfreich sein“, so Zobel. „Ergibt sich kein eindeutiges Bild, können je nach Rechtsfrage unter anderem Mietervereine, Verbraucherzentralen oder Schlichtungsstellen helfen.“
Tipps für die Suche nach einem geeigneten Anwalt
Um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, den für Euren Fall richtigen Anwalt zu finden, solltet Ihr folgende Tipps befolgen. Eine Garantie gibt es allerdings nicht.
- Spezialisierung. Kein Rechtsanwalt kann alles. Wer ein Rechtsgebiet oder besser noch: das entscheidende Rechtsproblem kennt, kann den Fall besser bearbeiten.
- Tätigkeitsgebiete. Was Rechtsanwälte als Tätigkeitsgebiet angeben oder als Interessen oder Schwerpunkte nennen, ist praktisch nicht prüfbare Selbstbeschreibung und sagt dementsprechend wenig über Erfahrung und Qualifikation aus.
- Fachanwälte. Sie haben eine Prüfung bei der Rechtsanwaltskammer bestanden. Für diese werden sie erst zugelassen, wenn sie die Bearbeitung einer Mindestanzahl von Fällen im jeweiligen Rechtsgebiet nachweisen. Fachanwälte gibt es für praktisch jedes Fachgebiet.
- Erfolge. Ein gutes Zeichen ist es, wenn ein Anwalt Eurem Fall ähnliche Mandate bereits erfolgreich bearbeitet hat.
- Ansehen. Am ehesten können andere Rechtsanwälte die Kompetenz und Erfahrung von Kollegen einschätzen. Wenn sie jemanden in den Vorstand einer Rechtsanwaltskammer oder Arbeitsgemeinschaft im Deutschen Anwaltsverein wählen, ist das ein gutes Zeichen auch für potenzielle Mandanten.
- Erreichbarkeit. Vor allem bei komplizierten familienrechtlichen Streitigkeiten kann der persönliche Kontakt zum Anwalt wichtig sein. Daher sollte die Kanzlei nicht zu weit entfernt sein. Im Streit um Verbraucherrechte reicht es in der Regel aus, die Kanzlei über Internet oder Telefon erreichen zu können.
- Kanzleiprofil. Manche Kanzleien arbeiten ausschließlich für bestimmte Mandantengruppen wie Arbeitgeber, Unternehmen oder Vermieter. Solche Kanzleien werden Euch als Arbeitnehmer, Verbraucher oder Mieter nicht vertreten.
Quelle: Stiftung Warentest
Weitere Tipps zur Anwaltssuche sowie die ausführlichen Testergebnisse zur Online-Rechtsberatung finden sich in der Juli-Ausgabe der Zeitschrift Finanztest und unter www.test.de. (as/Stiftung Warentest)