Von Kenia nach Edling
„Hochemotionales Erlebnis“: Instagram-Koch Noah und Mama Barbara aus Edling über bewegende Adoption
Als „Schwarze Perle Bayerns“ wurde Noah Hansen in den sozialen Medien bekannt. Er und seine Schwester Barbara wurden vor 20 Jahren von den Hansens aus Edling adoptiert. Darüber hat ihre „Herzensmama“ nun ein Buch geschrieben – über die bewegende Geschichte einer Familie und die Integration in Bayern.
Edling/Samerberg – Noah Hansen sitzt an einem Küchentisch, blättert in einem Buch bis zu den hinteren Seiten und fängt an zu lesen: „Du hast noch nie Crème brûlée probiert? Wie hast du die letzten Jahre überlebt?“ und wirft selbst ein: „Ja, das frage ich mich auch. Ich liebe Crème brûlée.“ Seine Mutter Barbara Hansen sitzt ihm gegenüber, hat ihren Kopf auf ihre Hände gestützt und hört ihm zu.
Noah Hansen liest auf Instagram aus Buch vor
Zu sehen ist die Szene auf einem Video der Reihe „Noah liest (ausnahmsweise)“, die auf den Instagram-Profilen von Noah (_quinoah.k) und Barbara Hansen (spring.barb) ausgestrahlt wird. Noah Hansen unterhält seine rund 146.000 Follower normalerweise mit Kochvideos, auf denen er in urbayerischem Dialekt verschiedene Rezepte vorstellt. Damit ist der junge Samerberger, der im Gasthaus Alpenrose den Kochlöffel schwingt, weit über die Grenzen der Region bekannt. Anlass für die außertourliche Videoreihe ist der Roman „Autumn’s spring. Ein Herbst voller Frühling“, den Barbara Hansen kürzlich geschrieben und im self publishing Verfahren herausgebracht hat. Darin verarbeitet die 50-jährige Edlingerin ihre Erfahrungen rund um die Adoption ihrer Kinder, Noah und Barbara, aus Kenia.
Doch von vorne: Alles begann vor rund 20 Jahren. Damals entschieden sich Barbara Hansen und ihr Mann Jürgen dazu, ein Kind aus Kenia zu adoptieren, erzählt Barbara Hansen am Telefon. Den Wunsch dazu hätten die Hansens quasi schon gehabt, als sie sich kennengelernt hätten. „Es gibt so viele Kinder, die keine Eltern haben. Wir konnten uns deswegen gut vorstellen, auch nicht-leibliche Kinder in unsere Familie aufzunehmen“, erklärt Barbara Hansen. Gesagt, getan. 2005 adoptierten die Hansens zwei Kinder aus Kenia.
Viel Bürokratie und Auflagen
Der Weg dorthin war jedoch schwierig und sehr aufwendig. „Fast ein Jahr lang bereiteten wir uns in Deutschland auf die Adoption vor“, berichtet Barbara Hansen. Erziehungsseminare beim Jugendamt, Beantworten von Fragebögen mit 140 Fragen oder Hausbesuche der Behörde hätten die Hansens beispielsweise absolvieren müssen. „Es waren viele bürokratische Auflagen zu meistern“, berichtet die Edlingerin.
Dann erst konnte Barbara Hansen laut eigenen Angaben nach Kenia fliegen. Auch wenn sie davor noch nie in dem ostafrikanischen Land war, begeisterte sie sich dafür schon lange. „Meine Eltern waren mit einem Missionar aus Kenia befreundet. Seine Geschichten haben mich schon immer unglaublich fasziniert“, erzählt die Edlingerin. 2004 reiste sie dann zum ersten Mal nach Kenia, um ihre Adoptivkinder abzuholen.
Erste Zeit war „absolut schön“
„Das alles war ein hochemotionales Erlebnis“, erinnert sich Barbara Hansen. Zur Adoption für sie freigegeben wurde Noah. „Er wurde mir gleich einmal in die Arme gedrückt“, berichtet die Edlingerin. Die erste Zeit in Afrika beschreibt Barbara Hansen als „absolut schön, auch wenn alles anders und neu war.“ Eigentlich sollte sie nur wenige Wochen dort bleiben. Letztlich habe es jedoch acht Monate gedauert bis zum Abschluss der Adoption. Ihr Mann Jürgen habe sie währenddessen dort immer wieder besucht. Nach ein paar Wochen hätten sich die beiden dann dazu entschlossen, auch Barbara, die damals etwa zweieinhalb Jahre alt gewesen sei, aufzunehmen.
Mit der Zeit bauten Barbara Hansen und die Kinder eine immer nähere Bindung zueinander auf. „Dadurch war der Umzug von Kenia nach Edling kein Problem. Die Kinder fühlten sich sofort daheim, weil sie so an mich gewöhnt waren – auch wenn es bei uns Februar war und Minus 15 Grad hatte“, erinnert sich Barbara Hansen. Die Familie begann ihr Leben in Bayern. Später gesellte sich zu Noah und Barbara noch ein weiteres Geschwisterchen.
„Sprache ist ja nicht angeboren.“
In Edling seien die Kinder überwiegend positiv aufgenommen worden. „Viele Fragen kamen aus Interesse und auch aus Neugierde“, erinnert sich die 55-Jährige. „Nur ein einziges Mal habe es damals auch einen rassistischen Kommentar gegeben.“ Für so manche Nachfragen hätten die Hansens jedoch viel Humor und Geduld gebraucht – zum Beispiel, wenn es um Sprache oder Kultur gegangen sei. „Noah war ja noch ein Baby und Barbara war gerade mal drei Jahre alt, als sie hierherkamen. Kinder in einem derart jungen Alter ‚besitzen‘ kaum eine Kultur und können auch noch nicht reden. Sprache ist ja nicht angeboren“, so die Edlingerin.
All diese Erfahrungen und vor allem die Zeit in Kenia wollte Barbara Hansen aufschreiben. Schon als Kind führte sie gerne Brieffreundschaften. Später studierte sie Literaturwissenschaften. Anschließend begann sie als Deutsch- und Religionslehrerin zu arbeiten und unterrichtet derzeit an der FOS/BOS in Wasserburg. 2013 startete sie dann zum ersten Mal den Versuch, ihre Erlebnisse in Worte zu fassen. „Damals schaffte ich jedoch nur 20 Seiten“, erinnert sich Barbara Hansen. 2023 nahm sich die Lehrerin eine berufliche Auszeit. Innerhalb von vier Monaten habe ich dann alles aufgeschrieben“, so Barbara Hansen.
Noah auf Instagram zum Star geworden
Als ihr Sohn Noah 2024 aus einem Jux heraus als „Schwarze Perle Bayerns“ zu einem Instagram-Star wurde und das öffentliche Interesse an seiner Adoptionsgeschichte wuchs, entschied sich Barbara Hansen dazu, ihren gesellschaftskritischen Roman zu veröffentlichen. „Autumn’s spring. Ein Herbst voller Frühling“ handelt von der Kluft zwischen Weiß und Schwarz sowie Arm und Reich und der Liebe einer „Herzensmama“, wie Adoptionsmütter auch genannt werden. Immer wieder lässt Barbara Hansen laut eigenen Angaben ihre Erlebnisse miteinfließen, ohne dabei zu autobiografisch zu werden. „Das Buch spielt zum Beispiel im Jahr 2008, weil in der Geschichte auch der damalige Bürgerkrieg eine Rolle spielt. Unsere Kinder haben wir jedoch schon 2005 adoptiert“, erklärt die Edlingerin.
Mit ihrer Geschichte will Barbara Hansen Einblicke in das Leben in Kenia geben. In Zeiten von Trump'scher Manier alias „America First“ und der Streichung von Geldern für Entwicklungshilfen will die 50-Jährige den Fokus darauf setzen, dass alle auf einer Welt leben, betont die Edlingerin. Dass die Bereitschaft für ausländische Projekte zu spenden schwinde, würden die Hansens auch beim Verein „Hand in Hand für Kenia“ spüren. Der Verein wurde im August 2005, nach dem Aufenthalt von Barbara Hansen in Kenia, gegründet und setzt sich seitdem für die gemeinnützigen Projekte der Kinder- und Jugendhilfe in Kenia ein, heißt es auf der Website des Vereins.

