Jahrelang von Baustellen eingekesselt
Campingplatz im Inntal von Brenner-Nordzulauf bedroht: „Hier wird ein kleines Paradies zerstört“
Friedliche Campingidylle, wenn fünf Meter entfernt ein Zug nach dem anderen vorbeirattert? Schwer vorzustellen und daher die größte Sorge der Campingplatzbetreiber am Natursee Einöden. Denn ein Teilstück des Brenner-Nordzulaufs soll genau auf ihrem Platz gebaut werden.
Fischbach/Flintsbach/Oberaudorf/Inntal – Hans Fleischmann sitzt gemütlich auf der Bank vor seinem Campingwagen und blickt gedankenversunken auf den Natursee Einöden. Abgeschirmt, mit Blick auf das ruhige Wasser, genießt er die Nachmittagssonne. Er hat es sich über die Jahre gemütlich gemacht. Der Campingplatz im Inntal ist sozusagen sein zweites Zuhause geworden. „Ich verbringe den Großteil meiner Zeit hier und fühle mich sehr wohl”, sagt Fleischmann und spannt den Sonnenschirm noch etwas weiter auf.
Dauercamper und Touristen befürchten das Schlimmste
Und damit ist er nicht alleine. Fleischmann ist einer von rund 50 Dauergästen des Camping-Erholungsvereins Bayern (CEB), der sich im Jahr 1980 rund um das Gelände am See gründete. „Manche sind seit über 30 Jahren auf dem Platz und das ganze Jahr über hier“, sagt Frank Schneider, Vorstand des Vereins. Ehrenamtlich pflegen, erhalten und betreiben die Mitglieder das Grundstück rund um den Natursee und bieten damit einen Rückzugsort im Grünen.
Um das weiterhin zu gewährleisten, ist der CEB aber auch auf Touristen angewiesen. „Wir haben rund 30 Touristenplätze und etwa 5500 Übernachtungen pro Jahr”, erklärt Schneider. Gerade für Reisende, die nur kurz mal von der Autobahn herunterfahren, sei der Platz ideal. Hinzu kommen Urlauber, die ein paar Wochen im Inntal verbringen wollen.
Doch nun droht ein großes Problem, wie Hans Fleischmann verdeutlicht. Seine Befürchtung: „Erst sitzen wir jahrelang mitten auf einer Baustelle und dann fahren die Züge direkt bei uns vorbei.” Was der Vorsitzende des Vereins andeutet, wird mit einem Blick auf die Pläne des Brenner-Nordzulaufs deutlich. Inmitten der viel diskutierten Verknüpfungsstelle Niederaudorf droht der Campingplatz eingekesselt zu werden. Im Westen soll ein mehrgleisiger Verladebahnhof entstehen, im Süden eine Straße, über die das Material transportiert wird. Im Osten wird direkt am Campingplatz der Tunnel und das Tunnelportal errichtet und im Norden die Bestandsstrecke verlegt. „Das alles über einen Zeitraum von 15 Jahren”, meint Schneider.
Doch auch wenn der Nordzulauf erstmal steht, befürchten die Erholungssuchenden, keine Ruhe zu finden. Denn dort, wo aktuell noch einige Plätze vergeben werden, würde die Lärmschutzwand der Verknüpfungsstelle durchlaufen. Im Süden soll außerdem ein Versickerbecken gebaut werden, das potenzielle Ausweichmöglichkeiten ausschließt. Für Fleischmann ist daher klar: „Hier wird ein kleines Paradies zerstört.”
Da sich das befürchtete „Horrorszenario“ immer deutlicher anbahnte, wurde der Verein bereits aktiv. Fleischmann und Schneider versuchten, mit der Bahn in Kontakt zu treten, Alternativen zu diskutieren oder Schadensersatz in Millionenhöhe zu fordern. Bisher mit wenig Erfolg. „Die Bahn hat ihre Pläne, die sie im Bundestag 2025 so vorlegen wird”, meint Schneider.
Die Deutsche Bahn hat ihre Pläne gemacht
Das bestätigte auch Manuel Gotthalmseder, Projektabschnittsleiter der Deutschen Bahn, bei den Bürgersprechstunden im Inntal. „Wir haben versucht, eine möglichst verträgliche Lösung für die Strecke zu finden, die für uns realistisch erscheint”, machte er deutlich. Somit scheidet aus Sicht der Bahn auch eine Verlegung der Verknüpfungsstelle in den Wildbarren aus. Auch wenn hier die Gemeinden sowie auch der Verein anderer Meinung sind. Über „einzelne Detailverbesserungen“ könne man allerdings immer reden, wie Gotthalmseder betonte. Im Gespräch mit Schneider wurde somit in Aussicht gestellt, das Versickerbecken an einer anderen Stelle zu bauen, um eventuelle Ausweichmöglichkeiten für den Verlust der Stellplätze anbieten zu können.
Wert der Stellplätze sinkt drastisch
Doch das Hauptproblem für die Betreiber bleibt bestehen. „Wenn das so kommt, ist der Ort bei weitem nicht mehr so attraktiv”, ist Schneider überzeugt. Die Dauercamper und Touristen wären sicher nicht begeistert, nur einen Steinwurf entfernt von einer viel befahrenen Bahnlinie Zeit zu verbringen. Dementsprechend sinkt auch der Wert für die Stellplätze. „Manche hier hoffen noch, andere schauen sich schon nach Interessenten um“, bestätigt Fleischmann. Eines ist klar: Beim Blick auf den idyllischen Natursee kreisen seine Gedanken mittlerweile längst darum, wie lange es sein „kleines Paradies“ überhaupt noch geben wird.



