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Emotionaler Auftritt der 82-Jährigen

„Waren die Ersten, die nicht vergast wurden“: Holocaust-Überlebende trifft Aiblinger Jugendliche

Dr. Eva Umlauf betreibt als eine der letzten Holocaustüberlebende Aufklärungsarbeit an Schulen.
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Dr. Eva Umlauf betreibt als eine der letzten Holocaustüberlebenden Aufklärungsarbeit an Schulen.

In Kürze jährt sich zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkriegs. Dr. Eva Umlauf, eine der letzten Holocaustüberlebenden, traf nun Bad Aiblinger Schüler. Von welchen furchtbaren Erlebnissen sie berichtet – und warum sie Auschwitz überlebte.

Bad Aibling – Plötzlich ist es ganz still zwischen den Stuhlreihen. Als Dr. Eva Umlauf in der Aula des Gymnasiums Bad Aibling auf der Bühne von ihren Erlebnissen erzählt, ist ihr die gebannte Aufmerksamkeit zahlreicher junger Menschen sicher. Zu eindrucksvoll sind ihre Worte, zu erschütternd, grausam und doch hoffnungsvoll zugleich. Die 82-Jährige gehört zu den letzten noch lebenden Holocaustüberlebenden. 1944 wurde sie als kleines Mädchen nach Auschwitz deportiert. Sie entging dem Tod nur knapp, ihr Vater und weitere Familienmitglieder starben. „Es ist wichtig, zu wissen, was passiert ist, um die in der Zukunft zu wissen, was zu tun ist“, betont die in München lebende Kinderärztin und Psychotherapeutin im Gespräch mit Schülern.

Weil sich das Ende des Zweiten Weltkrieges im Mai zum 80. Mal jährt, hat die Schule verschiedene Veranstaltungen zu dem Thema geplant. Dazu gehören auch Vorträge vor der 11. und 12. Jahrgangsstufe, für die man nun Eva Umlauf gewinnen konnte, die dabei unter anderem Passagen aus ihrem Buch „Die Nummer auf deinem Unterarm ist blau wie deine Augen“ vortrug. „Manchmal ist es wichtiger, zu überlegen, was man eigentlich tut, was wirklich wichtig ist, als in Latein, Englisch, Physik oder Chemie unterrichtet zu werden“, sagte zu Beginn Schulleiter Mark Lörz und begrüßte den Ehrengast. Zeitzeugengespräche machten oftmals die abstrakte historische Realität des Holocausts für Schüler zugänglich.

„Vergessen Sie das Kind, es wird kaum überleben“

Und dass Eva Umlauf Eindrucksvolles zu berichten hat, wurde bereits nach wenigen Augenblicken in der Schul-Aula deutlich. 1942 wurde sie in einem slowakischen Konzentrationslager geboren. Später habe ihre Mutter den Satz „Vergessen Sie das Kind, es wird kaum überleben“ zu hören bekommen. „Aber wie ihr seht, bin ich heute hier“, sagte Umlauf, die sich dennoch oft gefragt habe, wieso ihre schwangere Mutter damals nicht erschossen wurde. „Kinder und schwangere Frauen waren damals nutzlos.“ Über ihre Geburt am 19. Dezember 1942, „es war ein bitterkalter Tag“, habe sie sehr oft mit ihrer Mutter gesprochen. Umlauf kam in einem unbeheizten Raum zur Welt, das erwärmte Wasser, mit dem das Baby gewaschen werden sollte, war nach kurzer Zeit wieder angefroren. Dennoch überlebte das Neugeborene. „Die Geburt war wie ein Wunder“, sagt die heute 82-Jährige.

Mit klaren Worten verdeutlicht Dr. Eva Umlauf die Schrecken des Holocaust vor Schülern des Bad Aiblinger Gymnasiums.

Das slowakische Konzentrationslager war kein Vernichtungslager, anders als das KZ in Auschwitz. Dorthin wurde Umlauf mit ihrer Mutter am 3. November 1944 gebracht. Doch als sie mit den Zügen dort ankamen, „gab es keine Rampe mehr, keine Selektion, die Leute wurden nicht mehr vergast“, erzählt die Münchnerin von ihrem unglaublichen Schicksal. Denn die Lok sei aus der Slowakei drei Tage verspätet angekommen. Drei Tage, die über Leben und Tod entschieden. Deshalb hätten viele aus diesem Transport letztlich überlebt. Umlauf verdeutlicht: „Wir waren die Ersten, die in Auschwitz nicht direkt vergast worden sind.“

„A26.959“

Dennoch berichtet Umlauf von den unmenschlichen Bedingungen nach der Ankunft in Birkenau, vom Prozedere der „vollkommenen Entmenschlichung“. Vom ewigen Warten in eisiger Kälte, dem Ausziehen der Kleidung, der Kontrolle sämtlicher Körperöffnungen, der Rasur aller Körperbehaarung, der Desinfektion. „Bei der Registrierung hielt mich meine Mutter im Arm, als wir in einer langen Schlange standen“, erzählt die Zeitzeugin. Nachdem ihrer Mutter eine Nummer in den Arm tätowiert wurde, war auch ihr kleiner kindlicher Unterarm an der Reihe. „A26.959“. Als die Nadel in die Haut eindrang, verlor das Kind das Bewusstsein. „Uns wurde damals ein Stempel aufgedrückt, den wir niemals ablegen konnten.“

Und auch wenn sich sämtliche Überlebende später die Nummer operativ entfernen ließen, macht Umlauf klar: Das „Brandmal“ bleibt immer erhalten. Als die Russen Auschwitz 1945 befreit hatten, blieb Umlauf, als abgemagertes und todkrankes Mädchen, mit ihrer Mutter noch eine Weile dort in einem Lazarett, bis ihre frisch geborene Schwester sechs Wochen alt war. Eva Umlauf kann sich später freilich nicht mehr an die vielen schrecklichen Erlebnisse erinnern. Doch das Erbe ihrer Vergangenheit holt sie immer wieder ein und prägt ihr Leben.

Rückkehr ins „Land der Täter“

Wieso sie später nach Deutschland, „ins Land der Täter“, zurückkehrte, wollte ein Schüler des Aiblinger Gymnasiums wissen. „Tatsächlich wegen der Liebe“, gesteht Umlauf. Sie heiratet 1966 ihren Mann, dem sie ein Jahr später nach München folgt. Dort wird sie Mutter dreier Söhne und führt jahrzehntelang ein erfülltes Leben. Auf die Frage, wie sie die heutige Lage einschätzt und ob sie sich angesichts vieler auch judenfeindlicher Gewalttaten und einem Rechtsruck in Deutschland noch sicher fühle, sagt sie überlegt: „Antisemitismus war immer da, jedoch wird er immer salonfähiger.“ Dass die Polizei heute vor einer Synagoge stehen muss, sei nicht schön, aber notwendig.

Viele Schüler lauschten den Worten von Dr. Eva Umlauf, einer der letzten Holocaustüberlebenden.

„Wir befinden uns in einer schweren, gefährlichen Situation und man muss aufpassen, wenn man bedenkt, was derzeit alles passiert“, betont die 82-Jährige. Sie hätte nie gedacht, einen solchen Judenhass tatsächlich noch einmal erleben zu müssen. Doch bei allen Sorgen versprühte Umlauf auch Hoffnung und machte deutlich, dass die Jugend die Zukunft sei. Auch deshalb betreibe sie seit vielen Jahren Aufklärungsarbeit und besuche etwa Schulen. „Ohne die Vergangenheit zu kennen, kann man die Zukunft nicht gestalten.“ Es sei entscheidend, zu verstehen, was einst passiert ist, um nicht zuletzt an der Wahlurne zu wissen, was zu tun ist, so die Holocaustüberlebende.

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