Verfehlte Kalkulation beim On-Demand-Verkehrsprojekt
Wird „Rosi“ zu einem „Fass ohne Boden“? – So reagiert Breitbrunn auf das Defizit
Das On-Demand-Verkehrsprojekt „Rosi“ in Breitbrunn, das seit Mai 2022 in Betrieb ist, steht vor finanziellen Herausforderungen. Trotz hoher Akzeptanz in der Bevölkerung gibt es erhebliche Defizite. Wie es dazu kam und wie Breitbrunn damit nun umgeht.
Breitbrunn – Die „Rosi“ hat ihren Betrieb im Mai 2022 aufgenommen und war von Beginn an ein „Senkrecht-Starter“, mit sehr hoher Akzeptanz in der Bevölkerung.
Neben Fördermitteln des Freistaates Bayern und des Landkreises Rosenheim, tragen die elf beteiligten Gemeinden den Großteil der Kosten, erklärt Bürgermeister Anton Baumgartner (Parteifreie/ÜWG) den finanziellen Aspekt.
Österreich als Vorbild
In Anlehnung an „IST-Mobil“, eines in Österreich bereits damals erfolgreich betriebenen „On-Demand“-Angebotes, wurden in den Jahren 2018 und 2019 feste Finanzierungszusagen für eine sechsjährige Projektlaufzeit von den involvierten Gemeinden beschlossen, erinnert der Rathauschef.
Die nachfolgende Angebotsausschreibung erfolgte dann durch die Rosenheimer Verkehrsgesellschaft m.b.H (RoVG), einer Tochtergesellschaft des Landkreises Rosenheim, von der auch die Verträge mit dem Ausschreibungssieger, der Regionalverkehr Oberbayern (RVO), geschlossen wurden.
Bereits während des ersten Betriebsjahres war schon absehbar, dass die zugrundeliegende Kalkulation deutlich verfehlt und ein erhebliches Defizit anfallen wird.
Neben einer massiven Steigerung der Betriebskosten, veranlasst unter anderem durch eine hohe Fahrleistung, ist auch die Projektumsetzung, welche in wesentlichen Teilen nicht auf Basis des im Vorfeld vorgestellten Konzeptes beauftragt wurde, für dieses Defizit verantwortlich, begründet Baumgartner. So werden beim „IST-Mobil“ aus Kostengründen ausschließlich bestehende Strukturen (Taxi, Bus) genutzt und bewusst auf eigene Fahrzeuge und eigenes Personal verzichtet.
Beschluss der beteiligten Gemeinden notwendig
Ein wesentlicher Anteil am Defizit ist zudem entstanden, da die vom Freistaat Bayern zugesagte Förderung in der Höhe falsch berechnet wurde. Zahlreiche in der Zwischenzeit geführte Gespräche mit den beteiligten Parteien brachten keinen Erfolg. Auch verschiedene Anpassungen und Änderungen im Betriebsablauf – Reduzierung von Leerfahrten, Fahrpreiserhöhung und dergleichen – führten zu keiner spürbaren Defizitreduzierung, listet das Gemeindeoberhaupt auf.
Vom Landkreis Rosenheim wird eine Beteiligung am Defizit aktuell abgelehnt, ebenso ist vom Freistaat Bayern keine weitere Förderung zu erwarten, wundert sich der Bürgermeister. Die geschlossenen Verträge beinhalten zudem keinerlei Kostenrisiko beim Auftragnehmer, dem RVO, da dieses komplett bei der RoVG liegt. Um „Rosi“ aufrechtzuerhalten, ist aus Sicht der RoVG ein Beschluss der beteiligten Gemeinden notwendig, sowohl das bereits in der Vergangenheit angefallene als auch das künftige Defizit vollständig zu übernehmen. Eine Rechtsgrundlage hierfür gibt es aber nicht.
Von Breitbrunn wurde für die ersten sechs Betriebsjahre eine Finanzzusage in Höhe von 52.931,42 Euro gegeben, bestätigt der Bürgermeister. Für das erste Betriebsjahr (Mai 2022 – April 2023) wurde der Gemeinde darüber hinaus ein Defizit von 3.298,44 Euro in Rechnung gestellt. Für die weiteren Betriebsjahre bis 2028 würden nach Berechnungen weitere 49.228,26 Euro als Minus anfallen.
Gelder auch von Kreis und Land
Aufgrund der zugrundeliegenden Beschlusslage wurden vonseiten der Kommune bisher noch keine Defizitzahlungen geleistet. Die vereinbarten Beiträge für das erste (5145,24 Euro) und zweite Betriebsjahr (6615,30 Euro) wurden entsprechend geleistet.
Die Gemeinde sieht „Rosi“ nach wie vor äußerst positiv und bleibt bei der getroffenen Finanzierungszusage. Sie vertraut aber im Gegenzug darauf, dass das Angebot mindestens bis zum vereinbarten Projektende 2028 aufrechterhalten wird.
Aufgrund des bisher sehr positiven Verlaufs und einer hohen Akzeptanz in der Bevölkerung wäre eine teilweise Beteiligung am anfallenden Defizit durchaus vorstellbar. Allerdings wird die alleinige und vollständige Übernahme der anfallenden Mehrkosten durch die Projektgemeinden jedoch äußerst kritisch gesehen.
In der anschließenden Diskussion forderte das Plenum unter anderem belastbare Zahlen, ein wirtschaftlicheres Konzept, eine kostendeckende und nachhaltige Planung, Preisstaffeln zum Beispiel bei Nachtfahrten, Synergie-Effekte beim Einsatz der bestehenden Strukturen. Hier stellte sich die Frage, ob es überhaupt eigene Fahrzeuge brauche, die zusätzliche Kosten verursachen? Kann das prognostiziere Defizit noch weiter ansteigen? Generell halte man am Projekt fest, fürchte aber „ein Fass ohne Boden“, so der Tenor.
Nach eingehender Beratung entschied sich das Gremium unisono gegen die weitere Finanzierung des On-Demand-Verkehrs „Rosi“ und die Übernahme des bisherigen und künftig anfallenden Defizits auf Grundlage der vorgestellten Prognoserechnung mit einem zusätzlichen Gesamtbetrag von aktuell rund 52.526,70 Euro.