Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Deutsche Bahn entscheidet Ende Oktober

Gemeinderat für Erhalt des alten Bahnhofs in Ostermünchen: Werden Stetten und Berg eingekesselt?

Den Erhalt des alten Bahnhofs in Ostermünchen fordert der Tuntenhausener Gemeinderat mit einem 12:9-Votum. Die finale Entscheidung dazu trifft die Deutsche Bahn Ende Oktober.
+
Den Erhalt des alten Bahnhofs in Ostermünchen fordert der Tuntenhausener Gemeinderat mit einem 12:9-Votum. Die finale Entscheidung dazu trifft die Deutsche Bahn Ende Oktober.

In der Debatte um den Brenner-Nordzulauf hat sich der Tuntenhausener Gemeinderat für den Erhalt der Bestandsstrecke und des alten Bahnhofs ausgesprochen. Was das für die Menschen in Stetten und Berg bedeutet und welche Folgen es für die Landwirtschaft hat.

Tuntenhausen – Es war eine schwierige Entscheidung. Und sie war knapp. Mit einem 12:9-Votum stimmte der Gemeinderat Tuntenhausen für den Erhalt des alten Bahnhofs und damit für die Modernisierung der Bestandsstrecke sowie den Bau einer zwei- statt vierspurigen Neubautrasse.

Brenner-Nordzulauf wird immer konkreter

Der Bau der Brenner-Nordzulauf-Trasse scheint nicht verhinderbar zu sein. Die Planungen der Deutschen Bahn gehen weiter, werden immer konkreter. „Ende Oktober will die Bahn ihre Entscheidung für Ostermünchen bekanntgeben“, informierte Bürgermeister Georg Weigl (CSU/FW). Dann wird klar sein, ob eine vier- bis sechsspurige Neubautrasse mit modernem Bahnhof kommt oder die Bestandsstrecke mit altem Bahnhof erhalten und nur eine zwei- bis vierspurige Neubautrasse errichtet werden.

Anfang August gaben Vertreter der Deutschen Bahn dem Gemeinderat Einblick in ihre Planungswerkstatt und stellten zwei Alternativen für Ostermünchen vor. In seiner Sitzung vom 12. Oktober musste der Rat nun Position beziehen. „Wobei unsere Entscheidung nur eine von vielen Stellungnahmen sein wird, die die Bahn in ihre Abwägungen einfließen lässt“, betonte Weigl und machte erneut klar: „Unser Einfluss ist nicht hoch. Am Ende entscheidet die Bahn.“

Zwei Varianten, zwei Wahlmöglichkeiten

Ausgangspunkt für die Positionierung des Gemeinderates waren folgende Fakten: Die Variante „Neubau Bahnhof“ würde 51,4 Hektar Land verschlingen – auf Tuntenhausener Gemeindegebiet 37,5 Hektar – und sich ab einem Überwerfungsbauwerk in Weiching über den neuen, barrierefreien Bahnhof am Ortseingang von Ostermünchen über Stetten, Berg und Brettschleipfen bis Aubenhausen mit vier Neubaugleisen und einer sechsspurigen Verknüpfungsstelle ausbreiten.

Die Weiden und die Existenz von etwa acht Landwirten sowie der Sportplatz des SV Ostermünchen wären für immer verloren. Die Landschaft würde sich auf einer Breite von etwa 60 Metern über mindestens zehn Jahre in eine Großbaustelle mit immensen Erdbewegungen verwandeln. 

Rückbau könnte zehn Hektar Land bringen

Durch den Rückbau der Bestandsstrecke könnten nach Angaben der Bahn etwa zehn Hektar Land zurückgewonnen werden. Die Bahn argumentiert, dass sich der Flächenbedarf dadurch insgesamt reduziere, also bei 41,5 Hektar liege. „Das sollten wir in der Betrachtung allerdings außen vor lassen, weil nicht klar ist, was die Bahn mit dem alten Damm oder den Einschnitten macht“, betone Weigl. Zudem gehöre der Grund der Bahn. „Bis auf die 3000 Quadratmeter Parkplatz am Bahnhof. Die gehören der Gemeinde.“ Weigl hatte auch schon Überlegungen angestellt, ob der alte Bahndamm später als Ortsdurchfahrt oder Radweg oder Gewerbefläche nutzbar wäre. „Das ist viel Theorie, das müsste alles erst noch geprüft werden.“

Mit altem Bahnhof werden fünf Hektar Land gerettet

Die Variante „Erhalt des alten Bahnhofs“ würde 45,4 Hektar verbrauchen – auf gemeindlichen Fluren 32,5 Hektar. Das wären fünf Hektar weniger Flächenfraß. Die Investitionskosten wären voraussichtlich geringer. Im Bereich Weiching müssten allerdings zwei Überwerfungsbauwerke errichtet werden.

Ein Blick in die Planungswerkstatt der Deutschen Bahn: Beim Erhalt des alten Bahnhofs Ostermünchen würden im Süden zwei Neubaugleise und im Norden die Bestandsstrecke an Stetten und Berg vorbeiführen.

Die Neubautrasse würde zweispurig vorbei an Stetten und Berg über Aubenhausen durch das Gemeindegebiet führen. Die Bestandsstrecke bliebe erhalten und müsste ertüchtigt werden. „Die Ortschaften wären dann auf zwei Seiten von Bahnstrecken eingekesselt“, gab der Bürgermeister zu bedenken. Ein Erhalt des Sportplatzes wäre „eventuell“ durch die Einhausung der beiden Gleise möglich. „Es ist aber nicht sicher, ob wir diese Einhausung auch wirklich durchsetzen können.“ Die Bahnsteige des alten Bahnhofs, kündigte der Bürgermeister an, würden im Rahmen eines aktuellen Förderprogramms erhöht, womit zumindest das barrierefreie Einsteigen erleichtert werde.

Weitere Flächen werden für Baustelle gebraucht

Bei beiden Varianten müssten zum dauerhaften Flächenverbrauch noch die Flächen addiert werden, die während der Bauarbeiten benötigt werden. Nach Informationen des Bürgerdialog Brennernordzulauf wären das vermutlich weitere 15 Hektar.

Wie schwer jedem einzelnen Gemeinderat sein persönliches Votum fiel, spiegelte die Diskussion wider. Nachgefragt wurde die Park-and-Ride-Fläche am neuen Bahnhof. „Diese ist in den Flächenverbrauch schon eingerechnet, allerdings können wir die Angaben der Bahn nicht prüfen“, erläuterte der Bürgermeister. Verkehrssicherung und Unterhaltung des P&R-Parkplatzes gingen nach Fertigstellung in die Verantwortung der Gemeinde über.

„Wir müssen den Bahndamm nicht nehmen“

Andreas Gigglinger (CSU/FW) interessierte der konkrete Rückbau des Bahndamms und ein eventueller Verkauf an die Gemeinde. Allerdings hat die Bahn dafür noch keine konkreten Konzepte, wie die Planer schon in der Ratssitzung am 3. August informierten. „Dazu gibt es noch keine Gespräche“, informierte der Bürgermeister. „Wir könnten in einem Kaufvertrag eine Sanierung und alle anderen Forderungen fixieren, aber wir müssen den Grund nicht nehmen.“

Für und Wider schwer abzuwägen

Stefan Hofbauer (UW Ostermünchen), Mitglied der Bürgerinitiative Brennerdialog Rosenheimer Land, wies darauf hin, dass der Bahndamm einen naturschutzrechtlichen Status habe und demzufolge auch nach einer Sanierung nicht bebaubar sei. Er informierte auch über die BI-Bürgerversammlung zum Thema alter oder neuer Bahnhof: „Es ist kein repräsentatives Bild, aber es gab mehr Befürworter für den Erhalt des Bestandes.“ Gleichzeitig sei klar geworden, dass die Bürger ausführlichere Informationen bräuchten, um das Ausmaß der jeweiligen Varianten einschätzen zu können. Hofbauer resümierte, dass sich auch aus vielen persönlichen Gesprächen kein klares Bild ableiten lasse, ob die Einwohner der betroffenen Ortsteile für den neuen oder alten Bahnhof seien, denn: „Für und Wider sind einfach schwer abzuwägen.“

Großflächige Zerstörung wertvoller Landschaft

Viele Einwohner entlang der Neubautrasse solidarisieren sich mit der Forderung der Bürgerinitiativen im Brennerdialog Rosenheimer Land. Diese hatten bei Protesten gegen die Hochgeschwindigkeitsstrecke am 4. März klargemacht: „Wir brauchen den Brenner-Nordzulauf nicht.“ Argumente dagegen sind der millionenfache, tonnenschwere CO2-Ausstoß, die großflächige Zerstörung wertvoller Landschaft, hochwertige landwirtschaftliche Acker- und Grünflächen sowie persönlicher Existenzen. Sie fordern die Modernisierung und Auslastung der Bestandsstrecke.

Im Bereich Ostermünchen wurde bei einer Protestaktion am 4. März mit dem Einschlagen hunderter Mahnstäbe verdeutlicht, welche riesigen, wertvollen Weideflächen die Brenner-Nordzulauf-Trasse vernichten würde.

Diese Argumente hatte auch ein Landwirt aus Berg in einem Schreiben an die Gemeinde noch einmal angeführt. Eigentlich wollte er in der Bürgerfragestunde sprechen. Da er aber die Fristen nicht eingehalten hatte, war das nicht mehr möglich. So verlas Bürgermeister Weigl seine Stellungnahme in der öffentlichen Sitzung.

Trogbauweise aus Kostengründen abgelehnt

Markus Hauser (CSU/FW) sprach sich für den Erhalt des alten Bahnhofes aus, da der Landwirtschaft dadurch fünf Hektar weniger Fläche verloren gingen. „Für die Landwirtschaft ist der Brenner-Nordzulauf eine Katastrophe, egal welche Variante kommt“, betonte Hans Stürzer (CSU/FW). Er hatte die Hoffnung, dass die Rückbaufläche des Bahndamms möglicherweise als naheliegende Ausgleichsfläche für die Landwirtschaft zur Verfügung stehen könnte. Gleichzeitig machte er klar, dass eine für den Erhalt des Sportplatzes erhoffte Trogbauweise in Berg von den Planern aus Kostengründen bereits abgelehnt worden sei. Er gab die Einkesselung von Berg und Stetten zu bedenken und erklärte: „Es ist wirklich sehr schwierig, aber wenn wir weit, also 50 oder 100 Jahre voraus denken, macht ein Neubau eigentlich mehr Sinn.“

Auch Maria Breuer (UW Ostermünchen) stellte die gewünschte Trogbauweise in Berg und Stetten in Zweifel: „Solange wir nicht Brief und Siegel darauf haben, dass das funktioniert, ist es besser, wir haben etwas Neues.“

Barrierefreiheit für alten Bahnhof gefordert

Franz Reil (CSU/FW) forderte, dass auch am alten Bahnhof der Einbau eines Aufzugs für Barrierefreiheit möglich sein müsse. „Das kann aber nur die Bahn entscheiden“, erklärte der Bürgermeister. Auch Reil hatte im Vorfeld der Entscheidung viele Gespräche geführt: „Keiner ist sich sicher, welche Variante besser wäre, selbst die Landwirte nicht.“

Christian Birmoser (Unabhängige Liste Tuntenhausen) wollte auch die Auswirkungen für Weiching nicht aus dem Fokus verlieren. Georg Weigl und Stefan Hofbauer erläuterten, dass beim Erhalt des alten Bahnhofs ist in diesem Bereich ein zweites Überwerfungsbauwerk erforderlich sei. Zudem müsse der bestehende Bahndamm um etwa drei bis vier Meter erhöht werden.

Bei der Planungsalternative Beibehaltung Bahnhof Ostermünchen würde ein vierspuriger Bahndamm durch Weiching nach Ostermünchen führen, ehe sich Bestands- und Neubaustrecke verzweigen.

Welche Argumente für den Neubau sprechen

Für Dr. Anna Fernández Diarte (UW Ostermünchen) überwogen die Argumente für den Neubau eines modernen Bahnhofs. Marcus Straßer (Liste 83104) hatte die Vor- und Nachteile persönlich und aus Pendlersicht so abgewogen, dass er für einen modernen Bahnhof mit ausreichend Parkplätzen und Ladesäulen plädierte und gegen eine Einkesselung der Ortschaften. Zudem hofft er, dass der Rückbau der alten Bahnanlagen so erfolge, dass die Flächen wieder nutzbar werden.

Gemeinde muss Kernforderungen anpassen

Theresia Englhart (Frauenliste) forderte die „Rückabwicklung der Deutschen Bahn“. Martin Lurz (WG Hohenthann) erinnerte an die Kernforderung der Gemeinde: „Wir waren für den Erhalt des Bahnhofs, weil wir die Neubaustrecke grundsätzlich nicht wollten.“ Jetzt gehe die gesamte Diskussion bereits davon aus, dass die Brenner-Nordzulauf-Trasse gebaut werde. „In der kommenden Gemeinderatssitzung werden wir unsere Kernforderungen anpassen“, kündigte der Bürgermeister an.

Schließlich stimmte die Mehrheit der Räte (12:9) für den Erhalt des alten Bahnhofs. „So geben wir es an die Deutsche Bahn weiter“, kündigte Bürgermeister Georg Weigl an. Am 26. Oktober werde diese ihre finale Entscheidung verkünden.

Kommentare