Events in Wasserburg und Rosenheim – Sektenexperte warnt
Vom Kabarett bis zur „Frieden-Konferenz“: Wird die Region zur Bühne rechter Esoterik?
„Frieden-Konferenz“ nennt sich eine Veranstaltung am 28. Oktober in Wasserburg. „Spitze Zungen“ verspricht Kabarett am 22. Oktober im KUKO Rosenheim. Klingt beides gut in diesen krisenreichen Zeiten. Doch ein Sektenexperte warnt vor den Veranstaltern.
Wasserburg/Rosenheim – „Ausverkauft“ ist laut „Guru Ticketing“ die eintägige „Frieden-Konferenz“ am Samstag, 28. Oktober, in Wasserburg. Der Veranstaltungsort werde erst zwei Tage vor Beginn mitgeteilt, heißt es auf der Homepage. Eine Geheimhaltung, die aufhorchen lässt. Auf der Rednerliste: der Schweizer Historiker und Publizist Daniele Ganser, der Kirchenrebell Eugen Drewermann und Astrologin Sabine Schäfer. Moderator ist Erich Hambach, Gründer eines gleichnamigen Kulturfördervereins. Er hat laut eigenen Angaben auf der Vereinsinternetseite 2016 die „Friedensweg-Community“ mitgegründet, die sich als moderne Pilgerbewegung für den Frieden verstehe.
Bündnis plant in Wasserburg Gegenkundgebung
Die „Frieden-Konferenz“ in Wasserburg ist keine öffentliche Veranstaltung, teilnehmen kann nur, wer sich angemeldet und eine Gebühr bezahlt hat. Angesichts der Rednerliste regt sich allerdings Widerstand in der Stadt. Ein „Bündnis gegen Verschwörungsideologien“ ruft zum Protest auf.
Die Initiative, die erst kürzlich von einer bereits in der Pandemie engagierten Wasserburgerin (Name der Redaktion bekannt) gegründet wurde, will aufklärend tätig werden. „Mag eine Friedenskonferenz angesichts der weltweit zunehmenden militärischen Konflikte so dringlich erscheinen wie selten, so erweist sich die Liste der Referentinnen und Referenten als Who-is-who der verschwörungsideologischen oder rechts-esoterischen Szene“, schreibt die Sprecherin in einer Pressemitteilung. Das „Bündnis gegen Verschwörungsideologien“ wirft dem Hambach-Kulturförderverein vor, Desinformationen zu betreiben und angesichts der vielfältigen Krisen Angst zu schüren. Deshalb sei für Samstag, 28. Oktober eine Gegenkundgebung, am mutmaßlichen Veranstaltungsort, der Wasserburger Badria-Halle, geplant.
Experte Pöhlmann: „Spirituelle Überwisser“
Dr. Matthias Pöhlmann, landeskirchlicher Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, teilt die Sorge des Wasserburger Bündnisses. Die Initiatoren gehören nach seinen Erfahrungen zu den bekanntesten Vertretern der rechten Esoterik. Hinter dem Veranstalter, dem Hambacher Kulturförderverein, und der Initiative „Friedensweg“ stehe eine „Allianz querdenkender Besserwisser und spiritueller Überwisser“, erklärt Pöhlmann auf Anfrage.
Erich Hambach sei einer der Köpfe der rechten Esoterik und ein großer Netzwerker. Er biete viele Veranstaltungen in Zusammenarbeit mit Daniele Ganser an, so auch in Wasserburg, wo die Veranstaltung mit „powered by Daniele Ganser“ beworben wird. Ganser ist Historiker, er tourt mit seinen Vorträgen zur Friedenspolitik durch Deutschland. Er sät laut Pöhlmann Zweifel im Publikum durch viele Suggestivfragen. Einige der bei den Friedenskonferenzen sprechenden Referenten hätten außerdem eine Nähe zur während der Pandemie entstandenen Querdenker-Szene, so der Autor des Buches „Rechte Esoterik, wenn sich alternatives Denken und Extremismus gefährlich vermischen“.
Kritik an politischen Entscheidungen sei in einer Demokratie legitim, ein öffentlicher Diskurs über Hintergründe und Vorgehensweisen notwendig, so Pöhlmann. Doch Hambach und seine Mitstreiterinnen und Mitstreiter würden vor allem eins wollen: „die Legitimation demokratischer Institutionen in Zweifel ziehen und Misstrauen säen“.
Bürgermeister Kölbl: „Da kommen wir nicht aus“
Die Kritik an der Veranstaltung ist bereits bis zur Stadt Wasserburg durchgedrungen. Insbesondere, da es sich bei beim Veranstaltungsort – angesichts der 1000 Besucher, die erwartet werden – um die Badria-Halle handeln könnte. Betreiber sind die Stadtwerke Wasserburg, eine Tochter der Stadt.
Bürgermeister Michael Kölbl teilt auf Anfrage mit, es gebe einen Grundsatzbeschluss des Stadtrates zur Vergabepraxis. Danach dürften in kommunalen Räumen wie dem Badria keine parteipolitischen Veranstaltungen stattfinden. Wenn ein Kulturförderverein die Anmietung beantrage, seien der Stadt rein rechtlich gesehen die Hände gebunden. „Da kommen wir nicht aus“, betont er. „Wir sind jedoch sehr sensibilisiert, was diese Veranstaltung angeht. Wir werden sie uns genau anschauen“, so Kölbl.
VKR: Veranstalter hat Anspruch auf Vertragsabschluss
Ähnlich auch die Reaktion der Veranstaltungs- und Kongress GmbH (VKR), die das Kultur- und Kongresszentrum Rosenheim (KUKO) betreibt. Hier findet am 22 Oktober ein Kabarett-Abend unter dem Motto „Spitze Zungen!“ statt. Stars wie Lisa Fitz, bekannte Kabarettisten wie Uwe Steimle und Marco Rima treten auf. Auch hier gibt es Verbindungen zum Kulturförderverein von Hambach. Seine Initiativen „Friedensweg“ und „Menschen mit Mut“ sind Veranstalter.
Das Kultur- und Kongresszentrum ist eine öffentliche Einrichtung der Stadt. Die VKR sei bei der Bearbeitung von Veranstaltungsanfragen an das öffentliche Recht, insbesondere die Grundrechte der anfragenden Veranstalter gebunden. Dazu gehören laut Geschäftsführer Florian Englert die Handlungsfreiheit, das Recht auf Chancengleichheit und auf Meinungsfreiheit.
Veranstalter hätten einen Anspruch auf Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung wie dem KUKO, wenn die Räume nicht anderweitig vergeben seien, die Bestuhlung ausreiche und keine verfassungsfeindlichen oder strafrechtlich relevanten Inhalte konkret zu erwarten seien. Würden diese Kriterien erfüllt, bestehe ein „öffentlich-rechtlicher Kontrahierungszwang, also ein Anspruch des Veranstalters auf Abschluss eines Veranstaltungsvertrags und damit auf Zugang“. Der Kabarett-Abend sei vor Vertragsabschluss wie immer auf die Entscheidungskriterien hin überprüft worden. Die Veranstaltung diene als kulturelles Angebot dem gesellschaftlichen Widmungszweck des KUKO. Englert beruft sich außerdem auf das Bundesverfassungsgericht, das die Ansicht vertrete, es sei keine Aufgabe der Betreiber öffentlicher Einrichtungen, „den Meinungsdiskurs durch willkürliche Veranstaltungsverbote zu unterbinden“.
Hambach äußert sich auf Anfrage zur Kritik in einer Mail an die Redaktion folgendermaßen: Im Rahmen seiner „langjährigen Aufklärungs- und Friedensarbeit“ sei er immer wieder beleidigt und auf üble Weise denunziert worden, schon lange vor Corona. Nachdem er die Hannah Arendt Akademie, eine online-Bildungseinrichtung mitbegründet habe, hätten nicht nur Beleidigungen, Denunziationen und Lügen zugenommen, die Angriffe seien massiver geworden. „Wer mich kennt, weiß – Aufgeben ist für mich keine Option!“.
Vorträge zum Thema
Das „Bündnis gegen Verschwörungsideologien“ Wasserburg lädt am Sonntag, 22. Oktober, um 18 Uhr in die Wasserburger Paulanerstuben ein. Der Journalist und Buchautor Peter Bierl, die freie Journalistin Margarete Moulin, der für das „Jüdische Forum Berlin“ aktive Kameramann Christoph Schedl und Florian Rieder von der „Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern“ sprechen zum Thema Verschwörungsideologien. Die Veranstaltung sei kostenlos. Der Sektenbeauftragte der evangelischen Kirche in Bayern Dr. Matthias Pöhlmann spricht am Montag, 23. Oktober, um 19 Uhr über „rechte Esoterik“ im Bildungszentrum St. Nikolaus in Rosenheim.

