Friedensforscher oder Verschwörungsideologe?
Volksverhetzung? Antisemitismus? Kritiker laufen Sturm gegen Kurhaus-Vorträge in Bad Aibling
Aufschrei in der Kurstadt: Der Schweizer Historiker Dr. Daniele Ganser kommt im September zu drei Vorträgen ins Kurhaus Bad Aibling – und eine ganze Reihe von Bürgern läuft dagegen Sturm. Von Fassungslosigkeit und Entsetzen ist die Rede.
Bad Aibling – Fassungslos und schockiert sei man, dass hier einem „Verschwörungsideologen“ eine öffentliche Plattform gegeben werde, heißt es in einem offenen Protestschreiben von rund 100 Erstunterzeichnern.
Währenddessen sind laut Veranstalter zwei der drei Vorträge zum Thema „Ukraine – warum Krieg? Die wahren Hintergründe!“ bereits ausverkauft (Eintritt zwischen 25 und 29 Euro pro Karte). Man freue sich, insgesamt rund 1000 Besucher dazu begrüßen zu können, heißt es auf der Internetseite des Hambacher Kulturfördervereins.
Während sich der Historiker auf seiner Homepage auch als Friedensforscher bezeichnet, zählen ihn die Unterzeichner des Protestbriefs zu einem der aktivsten Akteure der verschwörungsideologischen Szene im deutschsprachigen Raum, heißt es in dem Schreiben, das auch an die Stadt gerichtet ist.
Bürgermeister Stephan Schlier (CSU) stellt dazu klar, „dass mir ganz persönlich dieser Auftritt missfällt und ich ihn missbillige. Soweit ich mich über die Person Dr. Ganser informieren konnte, lehne ich seine Aussagen ganz entschieden ab! Mir wäre es viel lieber, wenn es keinen Auftritt in unserer Stadt gäbe.“
Gleichwohl sei aber festzuhalten, dass die Stadt nicht über die Vermietung des Kurhaussaales entscheiden kann: Sie verpachte es an die AIB KUR und diese wiederum an Pächter beziehungsweise Wirt. „Alleine dieser schließt die Mietverträge mit Nutzern ab. Eine Einmischung ist uns rechtlich nicht möglich und steht uns deshalb auch nicht zu.“ Ähnlich sieht es laut Verwaltungsleiter Michael Brandl. auch die Aib Kur.
Letztlich verweist Schlier darauf, „dass zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung auch die Meinungsfreiheit gehört. Auch wenn es sehr, sehr schwer fällt – so wie mir in diesem Fall mit der Veranstaltung im September – manche Meinungen auszuhalten, gehört dies doch zu unserer Demokratie dazu.“
„,Aushalten‘ können wir uns nicht mehr leisten“
Das wiederum stößt Michael Stacheder, einem der Erstunterzeichner des Protests, auf: „Wir können es uns nicht mehr leisten zu sagen ,das muss man aushalten’. Man muss sich jetzt entscheiden, was freie Meinungsäußerung ist und was Volksverhetzung. Ich sage, da spricht ein Demagoge.“
Zuletzt war ein Auftritt Gansers in Halle von Protesten eines Bündnisses für Zivilcourage begleitet worden. Auch dieses kritisierte, „dass ein kommunales Gebäude zur Bühne für Antisemitismus und extrem rechte Verschwörungserzählungen gemacht werden soll.“
Anfragen beiben ohne Antwort
Ganser wird nachgesagt, immer wieder seine Rolle als Historiker betonen, der nur Fragen stelle, inhaltlich jedoch Verschwörungstheorien zu verbreiten, etwa hinsichtlich der Anschläge auf des World Trade Center. Er selbst war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen (laut automatischer Rückantwort befindet er sich in der Sommerpause), verwehrte sich in der Vergangenheit aber immer vehement gegen die Verschwörungstheoretiker-Vorwürfe.
Unbeantwortet blieb auch eine Anfrage an den Veranstalter, den „Hambacher Kulturförderverein“ von Erich Hambach aus Baiern, der sich Lösungspraktiker und Friedensaktivist nennt. Sektenforscher Matthias Pöhlmann bezeichnet Hambach hingegen als einen „rechten Esoteriker“ und hält die Vereinssatzung für „anschlussfähig an alle möglichen Theorien, sogar an die Reichsbürgerinitiative“.
Kurhauspächter nicht erreichbar
Pächter des Kurhauses ist die Forster GmbH, die gestern für eine Stellungnahme und die Schilderung der Angelegenheit aus ihrer Sicht weder telefonisch noch per E-Mail erreichbar war.
Sie haben unterschrieben
Zu den rund 100 Erstunterzeichnern des Protestbriefes zählen Vertreter aus Politik, Ärzteschaft, Handwerk, Kunst und Landwirtschaft sowie Pädagogen, Rentner, die Vorsitzende des Vereins „Weiße Rose Stiftung“, der Vizepräsident des Bayerischen Landtags, Markus Rinderspacher (SPD) und die Maria Noichl (SPD), Abgeordnete des Europäischen Parlaments.
