Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Exklusiver Einblick ins Insel-Leben

Mit 60 PS über den Chiemsee zur Schule – Insel-Familien und ihr nicht alltägliches Leben

Toughe Jungs: Zwei der drei „Hohner-Buam“ auf dem Chiemsee. Damals waren Lorenz und Joseph noch jung, inzwischen haben sie alle Extremwetterlagen erlebt. Ihr älterer Bruder Toni steuert das Häuslboot inzwischen selbst.
+
Toughe Jungs: Zwei der drei „Hohner-Buam“ auf dem Chiemsee. Damals waren Lorenz und Joseph noch jung, inzwischen haben sie alle Extremwetterlagen erlebt. Ihr älterer Bruder Toni steuert das Häuslboot inzwischen selbst.

Mal eben mit dem SUP nach Gstadt, Freunde besuchen, oder auf dem Nachhauseweg Abkühlung im See suchen – das sind die schönen Seiten, wenn man auf der Fraueninsel lebt. Ob für die Inselkinder, Jugendlichen und ihre Familien aber wirklich alles ganz so leicht ist? Ein Blick ins Insel-Leben.

Chiemsee – Rund 220 Einwohner sind aktuell auf der nur 15,5 Hektar großen Fraueninsel gemeldet. Darunter befinden sich 17 schulpflichtige Kinder und Jugendliche, zu denen auch vier ukrainische Flüchtlingskinder gehören, die derzeit im Kloster auf der Fraueninsel untergebracht sind. Doch wie lebt es sich als Familie auf der zwar malerischen, aber abgeschiedenen Insel? Eines zeigt die OVB-Recherche: Das Inselleben erlebt jeder anders.

Bunt gemischt

Sigi Hohner war als Chefredakteurin jahrelang für den Musiksender MTV in Berlin tätig. Inzwischen arbeitet die studierte Psychologin als Buchautorin und Journalistin und als Coach. Seit rund zwölf Jahren ist die Fraueninsel ihre Heimat – und auch die ihres Mannes, der als Mediator erfolgreich ist, und der drei Söhne. Das sind die 13-jährigen Zwillinge Lorenz und Joseph, die beim SB Chiemgau Traunstein spielen und eine Profi-Fußballkarriere anstreben, und der drei Jahre ältere Toni. Alle drei besuchen die Waldorfschule in Prien.

Elke Dingfelder hingegen lebt schon immer auf der Fraueninsel und ist eine der treibenden Kräfte hinter dem „Inselladl“. Wie schon sie selbst, wachsen auch ihre Kinder im Alter von zehn und 13 Jahren auf der Insel auf. Sie besuchen das Ludwig-Thoma-Gymnasium in Prien.

Über den See zum Schulbus rasen

Toni Hohner ist mit seinen 16 Jahren inzwischen ganz offiziell alt genug, um das Kajütboot – „vermutlich das älteste Häuslboot, das hier rumschwimmt“ – selbst zu steuern. Und das tut er auch regelmäßig. Besonders wenn es mal wieder etwas knapp wird vor Schulbeginn um 8 Uhr. Dann packt er seine jüngeren Geschwister ein und rast in fünf bis sechs Minuten rüber nach Gstadt. Überhaupt ist das eigene Boot das bevorzugte Fortbewegungsmittel von Familie Hohner und kommt oft fünf- bis sechsmal täglich zum Einsatz.

Früher Tagesbeginn

Anders sieht das bei den Kindern von Elke Dingfelder aus, deren Schule um 7.15 Uhr beginnt. Sie fahren bereits um 6.05 Uhr mit der ersten Fähre ans Festland, was bedeutet, dass der Tag der Familie bereits um kurz nach 5 Uhr beginnt. Nur bei unerwarteten Verspätungen kommt das eigene Boot für den Schulweg ins Spiel. Doch im übrigen Leben spielt das Boot auch hier eine essenzielle Rolle: „Ohne das geht es auf der Insel eigentlich nicht“, so Elke Dingfelder.

Toughe Inselkinder

Sorgen bereiten Sigi Hohner der Weg übers Wasser und die Selbstständigkeit ihrer Kinder keine: „Ich habe so ein Ultravertrauen in die Kinder. Sie sind so tough, richtige Inselkinder eben. Die behalten auch in Krisensituationen die Nerven.“
Tough sind auch die Kinder von Elke Dingfelder, denen starker Wellengang ebenfalls nichts ausmacht, die dem Fahren mit dem eigenen Boot aber etwas abgeklärter gegenüberstehen. Auf die Frage, ob es denn für sie etwas Besonderes sei, antworten sie cool: „Ist es denn für die anderen Kinder etwas Besonderes, mit dem Bus zu fahren?“

Zugeeist: Im Sommer kann jeder, im Winter jedoch wird das Leben auf der Insel härter.

Elementare Erfahrung

Als Frau aus der Stadt sei das Leben mitten auf dem Chiemsee zu Beginn schon „total aufregend“ gewesen, so Sigi Hohner. „Inzwischen sind wir aber alle so derart unerschrocken.“ Und überhaupt: „Man hat ja keine Wahl. Ich muss da raus. Ich muss auch in den Sturm oder den Hagel.“ Das sei eine gute, eine elementare Erfahrung, die sie nicht mehr missen möchte. „Die Insel bringt die Lebendigkeit des Lebens zum Vorschein“, davon ist Sigi Hohner überzeugt. „Und wenn ich wie zuletzt das Boot nach einem Arbeitstag in München bei Vollmond über den Chiemsee nach Hause steuere, ist das einfach ungeheuer erhebend.“

Absolute Freiheit

Ihre Kinder würden hier die absolute Freiheit erleben, erzählt Sigi Hohner. Besonders toll für die Jungs sei der Fußballplatz und auch, dass ihre Freunde nie nur für ein paar Stunden vorbeikämen, sondern wenn dann gleich für ein oder zwei Nächte. Und so sei ihr „offenes Haus“ ständig voll.

„Die Insellage und die Natur mögen meine Kinder schon sehr. Manchmal, bevor sie auf dem Rückweg von der Schule zur Haustür reingehen, springen sie einfach noch in den See“, lacht Elke Dingfelder. Doch ganz unproblematisch sei nicht alles für sie. „Wenn meine Kinder selbstständig Freunde treffen wollen, ist der zusätzliche Weg mit dem Schiff schon eine Hürde“, bedauert Elke Dingfelder etwas. Dazu kommt: Die Inselkinder hätten zwar eine kostenfreie Schüler-Jahresfahrkarte für die Chiemsee-Schifffahrt, doch Besucherkinder müssten den vollen Preis bezahlen. Der liegt hin und zurück derzeit bei bis zu 5,40 Euro für Kinder bis zu einem Alter von 15 Jahren.

Keine Geheimnisse voreinander

Die Mitarbeiter der Chiemsee-Schifffahrt seien „freundlich und aufmerksam“, berichtet Elke Dingfelder. Das bestätigt auch Sigi Hohner. Als deren Schwiegervater einmal mit den damals dreijährigen Zwillingen an Land fahren wollte, wurde er scharf angesprochen, wo er denn mit den „Hohner-Buam“ hinwolle. „Ja, man muss damit leben können, dass hier jeder alles über einen weiß“, berichtet Sigi Hohner lachend. Das könne Vor- und Nachteile haben. Doch auch wenn sich bei weitem nicht alle Bewohner der Insel gut verstehen würden: „Im Notfall halten hier alle zusammen.“

Änderungsbedarf

Sehr traurig ist Sigi Hohner über das zumindest vorläufige Ende und die ungewisse Zukunft des „Inselladls“. „Die Frauen dort haben sich ja so reingehangen. Das Inselladl war so ein Segen, man kann es gar nicht genügend preisen.“ Sie hofft, dass die Gemeinde einen guten Nachfolger findet, der die Nahversorgung aufrecht erhält. Und noch zwei Anregungspunkte hat Sigi Hohner: Die Straße in Gstadt zur Bushaltestelle rüber sei für jüngere Kinder ziemlich gefährlich. Und auch das Bushäuschen dort könnte besser gegen Wind und Wetter geschützt sein.

Dürfte sich Elke Dingfelder etwas wünschen, wäre es, dass die Zeiten des Fährbetriebs besonders nachmittags besser auf die Schulbusse abgestimmt wären. „Toll wäre auch ein Freunde-Ticket, das den Besuchern von Familien auf der Fraueninsel eine etwas vergünstigte Fahrt ermöglicht.“ Denn nicht alle könnten sich ein eigenes Boot leisten oder wären beruflich so flexibel, um Sonderfahrten zu absolvieren.

Kommentare