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Bayerns Finanzminister über Steuern, Bräuche und Schulden

Ist es fair, dass Bayern die Hälfte des Länderfinanzausgleichs zahlt, Herr Füracker?

Finanzminister Albert Füracker stellte sich den Fragen der OVB Redaktion
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Finanzminister Albert Füracker stellte sich den Fragen der OVB Redaktion.

Ist der Länderfinanzausgleich noch gerecht? Warum müssen Erbschaftssteuer und Grundsteuer reformiert werden? Und hat das Brauchtum noch eine Zukunft? Bayerns Finanzminister Albert Füracker gibt Antworten im OVB-Exklusivinterview - und poltert gegen Berlin.

Rosenheim - „Die Herausforderungen der letzten Jahre waren riesig“, sagte Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) bei einem Treffen mit Rosenheimer Unternehmern in der Kunstmühle. Grundsteuer, Erbschaftssteuer und die Bewältigung der Kosten für die Pandemie beschäftigen viele. Finanzminister Albert Füracker, selbst gebürtiger Oberpfälzer, besuchte im Anschluss die OVB-Redaktion und stellte sich unseren Fragen.

Herr Minister Füracker, Sie haben sich kürzlich mit Unternehmern aus der Region Rosenheim getroffen, um deren dringliche Themen zu besprechen. Darunter ist auch die Unsicherheit in Bezug auf diverse neue Steuergesetze. Unter anderem die gerade reformierte Grundsteuer. Aus Reihen der Unternehmer war zu hören, dass die in ihrer jetzigen Form nicht gerecht sei. Sehen Sie das auch so?

Albert Füracker: Fakt ist zunächst, dass die Neuregelung der Grundsteuer keine politische Idee war, sondern eine Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts. Der Bund hat ein Modell gewählt, das aus bayerischer Sicht weder fair noch praktikabel ist. Beim Bundesmodell muss alle sieben Jahre erneut eine Grundsteuererklärung abgegeben werden und alle sieben Jahre steigen erwartbar auch die Steuern, weil die Immobilien teurer werden – und dass verbunden mit riesiger Bürokratie. Wir haben uns in Bayern bewusst gegen ein wertabhängiges Modell und für weniger Bürokratie entschieden. Dabei setzen wir auf klare Faktoren: die Größe des Grundstücks, die Größe der Wohnfläche und die Nutzungsart. Dies ist eine transparente, nachvollziehbare Basis für die künftige Berechnung der Grundsteuer. Diese Daten müssen auch nur einmal abgegeben werden, nicht wie beim Bund alle sieben Jahre. Das ist ein riesiger Schritt zur Entbürokratisierung im Steuerrecht.

Warum ist eine Grundsteuer überhaupt notwendig?

Füracker: Mit der Grundsteuer ermöglicht die Kommune wichtige öffentliche Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger. Die Grundsteuer beruht auf dem Grundgedanken, welchen Aufwand eine Gemeinde für ein Grundstück hat. Je größer ein Grundstück ist, desto größer ist in der Regel auch der kommunale Aufwand. Daher empfinde ich unsere Grundsteuer als gerecht. Denn was ein Haus wert ist, wird ja zum Beispiel bei der Erbschaftsteuer bewertet, oder was die Eigentümerin oder der Eigentümer verdient, wird bei der Einkommensteuer bewertet. Die Größe des Grundstücks ist auch der maßgebliche Faktor beim kommunalen Abgabengesetz, bei z. B. Anschlüssen von Wasser oder Kanal. Im Vergleich zu anderen Bundesländern halte ich das Bayerische Grundsteuermodell daher für das Beste. 

Letztendlich entscheidet der Hebesatz der Kommunen über die Höhe der Grundsteuer. Die Hebesätze sind allerdings sehr unterschiedlich. Als Beispiel erhebt die Stadt Rosenheim einen Satz von 480 Prozent, die Nachbargemeinde Stephanskirchen nur 270 Prozent. Ist das fair?

Füracker: Wir haben ein grundgesetzlich garantiertes Hebesatzrecht der Kommunen. Die Grundsteuer ist eine kommunale Steuer, d. h. das gesamte Steueraufkommen steht ausschließlich den Kommunen zu. Eigentlich ist der Freistaat daher nur Dienstleister für seine Kommunen. Dieses Hebesatzrecht wird auch nicht angetastet. Die neue Grundsteuer verteilt das Steuersubstrat innerhalb einer Kommune neu. Wir appellieren an die Kommunen, alleine wegen der Reform selbst nicht mehr Steuern zu erheben als zuvor – also aufkommensneutral zu agieren. 

Finanzminister Füracker tauschte sich mit Unternehmern aus der Region aus.

Viele Grundsteuererklärung fehlen noch

Bayern hat die Frist für die Abgabe der Grundsteuererklärung bis Ende April verlängert. Bis Mitte Januar wurden nur knapp die Hälfte aller Erklärungen abgegeben. Wie viele erwarten Sie letztendlich?

Füracker: Ende Januar waren es etwa 70 Prozent. Derzeit sind es etwa 76 Prozent.

Haben Sie eine Erklärung, warum da noch so viele fehlen?

Füracker: Auch bei anderen Steuerverfahren werden bis kurz nach Ende der Frist häufig etwa 70 Prozent der Erklärungen abgegeben. Diese Werte sind also nicht ungewöhnlich. Wir sind da sehr pragmatisch. Man muss bedenken: das ist die größte Steuerreform seit Jahrzehnten. Unsere Steuerberaterinnen und Steuerberater sind in den letzten Jahren massiv belastetet: Corona-Hilfen, Energiehilfen und die Grundsteuer. Das verstehen wir und haben daher die Frist noch einmal um drei Monate verlängert.

Der Arbeitsaufwand wird auch bei den Finanzämtern deswegen enorm sein. Bleiben deswegen andere Arbeiten auf der Strecke?

Füracker: Wir haben für die Grundsteuer neues Personal eingestellt und mehrere hundert Beamtinnen und Beamte in den letzten Jahren zusätzlich ausgebildet. Wir haben uns vorbereitet auf das, was auf uns zukommt. Die Grundsteuer für etwa 6,5 Millionen Grundstücke muss neu berechnet werden. Der Aufwand dafür ist riesig. Ich habe größten Respekt vor der Steuerverwaltung. Alle arbeiten mit Hochdruck an dieser großen Herausforderung. 

Freibeträge sollen erhöht werden

Neben der Grundsteuer bewegt auch die Änderung des Bewertungsgesetzes der Erbschaftsteuer die Menschen. Im Extremfall könnte es dazu kommen, dass die Erben gezwungen sind, das Grundstück zu verkaufen, um die Erbschaftsteuer begleichen zu können. Sie haben sich im Dezember für eine Erhöhung der Freibeträge ausgesprochen. Ist das jetzt noch realistisch?

Füracker: Bayern kämpft ja schon länger dafür. Wir haben schon in der Großen Koalition 2020 in Berlin den Antrag eingebracht, dass die Freibeträge erhöht werden müssen. Zudem haben wir auch eine Regionalisierung der Freibeträge gefordert, weil die Grundstückssituation in Rosenheim eben eine ganz andere ist, als in der Uckermark. Das wurde vom damaligen SPD-Finanzminister Olaf Scholz abgelehnt, genauso wie es jetzt wieder abgelehnt wurde.

Wie geht es also damit weiter?

Füracker: Die Bewertungskriterien für Immobilien mussten nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts angepasst werden. Das kritisiere ich auch nicht. Wenn jedoch die Bewertung deutlich steigt, muss auch der Freibetrag deutlich steigen. Und das ist bisher nicht geschehen. Mit unserer Verfassungsklage wollen wir das gerichtlich prüfen lassen und hoffen, das Gericht wird unsere Haltung teilen. 

Haben Sie Hoffnung, dass das passieren wird?

Füracker: Ja, habe ich. Weil ich mir nicht vorstellen kann, dass es rechtens ist, dass wir bundesweit die gleichen Freibeträge anwenden müssen, bei einer derart unterschiedlichen Wertentwicklung in Deutschland.

Die Verunsicherung deswegen ist groß. Was würden Sie Grundstückseigentümer und potentiellen Erben jetzt empfehlen?

Füracker: Als Politiker ist es immer schwierig, pauschale Empfehlungen zu geben, weil gerade im Steuerrecht die Fälle individuell so unterschiedlich sind.

10 Milliarden Euro für Länderfinanzausgleich 2022

Ministerpräsident Markus Söder hat angekündigt, noch in der ersten Jahreshälfte 2023 Klage gegen den Länderfinanzausgleich erheben zu wollen. Bayern hat 2021 gut 9 Milliarden Euro gezahlt, 2022 fast 10 Milliarden. Markus Söder hält das für “unfair und ungerecht”. Bayern war selbst bis in die Mitte der 80er Jahre Nehmerland, hat also Erfahrung um die Notwendigkeit des Ausgleichs. Ist das nicht einfach ein notwendiges Übel als Teil der Bundesrepublik? Die Starken helfen den Schwachen?

Füracker: Solidarität ist ein wesentliches Element des Föderalismus – das ist ganz klar! Jedoch kann man nicht auf Dauer die Schwachen stärken, indem man die Starken schwächt. Wir müssen auch darauf achten, dass die Starken stark und leistungsfähig bleiben. Beim Finanzkraftausgleich sind diese Entwicklungen aber sehr auseinander gewachsen. Wir haben bis Ende der 80er Jahre 3,4 Milliarden Euro bekommen, seitdem haben wir aber über 108 Milliarden Euro gezahlt. Und wir werden weiterhin zahlen, ganz klar – wir bleiben solidarisch. Aber es kann nicht sein, dass Bayern allein mehr als die Hälfte dessen zahlt, was umverteilt wird.

Obwohl Bayern das Geld zahlen kann?

Füracker: Ich kann den bayerischen Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern nicht erklären, dass mit diesem Geld in anderen Bundesländern Leistungen ermöglicht werden, die es bei uns nicht gibt, wie beispielsweise in Berlin ein 29-Euro-Ticket für alle und kostenlose Kindergärten. Deswegen sind wir für eine faire Verteilung. Ein Beispiel: Die Grunderwerbsteuer fließt in den Finanzkraftausgleich mit dem durchschnittlichen Grunderwerbsteuersatz in Deutschland ein. Wir zahlen also für einen Grunderwerbsteuersatz von 5,5 Prozent in den Finanzkraftausgleich ein, obwohl wir selbst in Bayern tatsächlich nur 3,5 Prozent erheben. Das ist schon unverständlich. Aber es kommt noch besser: Das Land Sachsen, das bislang ebenfalls einen Grunderwerbsteuersatz von 3,5 Prozent hatte, erhöht auf 5,5 Prozent. Die Erhöhung in Sachsen führt zu einem höheren durchschnittlichen Grunderwerbsteuersatz in Deutschland.

Was heißt das für Bayern?

Füracker: In der Folge muss Bayern zukünftig noch mehr bezahlen, obwohl wir nicht einen Cent mehr Einnahmen haben. Deswegen bin ich dafür, das bestehende Ausgleichssystem vom Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen.

Bayern plant 2023 keine neuen Schulden aufzunehmen. Trotzdem hat die Corona-Pandemie Bayern eine Menge Geld gekostet. Im Jahresbericht des Obersten Bayerischen Rechnungshofes von 2022 werden bis zu 20 Milliarden an neuen Schulden angegeben. Wie planen Sie, diese große Summe zurückzuzahlen?

Füracker: Als die Coronapandemie begann, galt es den Menschen und Unternehmen Sicherheit zu vermitteln. Unser Ziel war es, möglichst viel Krise von den Menschen fernzuhalten. Daher haben wir uns 2020 entschlossen, die Hilfen des Bundes mit bayerischem Geld zu ergänzen. Hierzu hat uns der Landtag einen Kreditrahmen von bis zu 20 Milliarden Euro genehmigt. Von diesen 20 Milliarden sind bis heute nur rund 10,2 Milliarden Euro an Krediten tatsächlich aufgenommen worden.

Der Kreditrahmen wurde also gar nicht ausgeschöpft?

Füracker: Wir haben versucht, nur so viel Schulden aufzunehmen, wie absolut nötig. Diese rund 10 Milliarden Euro müssen wir nach dem Haushaltsgesetz ab dem nächsten Jahr innerhalb von 20 Jahren wieder zurückführen. Das ist eine riesige Kraftanstrengung. Dennoch haben wir in Bayern insgesamt eine sehr niedrige Verschuldung, um die uns viele beneiden. Erst kürzlich wurde uns daher von der renommierten Ratingagentur Standard and Poor’s die Bestnote AAA/A-1+ mit stabilem Ausblick erneut verliehen.

„Das Lebensgefühl in Bayern ist vielfältig“

Herr Füracker, Sie sind ja nicht nur Finanzminister, sondern auch bayerischer Heimatminister. Was bedeutet Heimat in dieser schnellen Welt heute noch für Sie?

Füracker: Für mich umfasst Heimat zwei Dinge. Ein Ort, das kann der Wohnort oder auch der Geburtsort sein. Man kann als Mensch natürlich auch mehrere Heimaten haben. Das Zweite ist ein Lebensgefühl und das Empfinden: Hier bin ich richtig, hier gehöre ich dazu, hier gefällt es mir. Natürlich ist es ein eigenes und besonderes Empfinden Bayer zu sein. Selbst in meiner Heimat kenne ich Menschen, die nach Bayern gezogen sind und nun fast bayerischer sind, als so manch ein geborener Bayer. Aber Lebensgefühl ist in Bayern sehr vielfältig, weil die Menschen in Rosenheim anders empfinden, als die in Kulmbach oder Aschaffenburg. Das ist das Wunderbare, diese Differenziertheit auf der einen Seite und trotzdem diese Zusammengehörigkeit in einer gemeinsamen bayerischen Heimat. 

Die bayerische Bevölkerung wächst ja gerade mit Hilfe der zahlreichen Flüchtlinge, die hierher kommen. Viele davon werden hier bleiben und wollen integriert werden. Wie kann man Menschen, die teils aus einem völlig anderen Kulturkreis stammen, hier eine Heimat und auch dieses Heimatgefühl schaffen?

Füracker: Hier wird staatlicherseits sehr viel getan. Aber auch ehrenamtlich, karitativ und kirchlich – es ist außergewöhnlich, was im Bereich der Integration von Menschen bei uns geleistet wird! Die große Hilfsbereitschaft sieht man auch bei den Menschen, die aus der Ukraine zu uns kommen. Die Bayern kümmern sich sehr, auch mit der Bereitstellung privater Unterkünfte. Das ist eine großartige solidarische Leistung. Auch die Kommunen stehen vor großen Herausforderungen, für sie wird es immer schwerer, adäquate Unterkünfte zu finden. Der Freistaat unterstützt die Kommunen bei der Bewältigung der Migrationsherausforderung und erstattet zu 100 Prozent die kommunalen Unterbringungskosten. 

Viele Kommunen sind bereits am Rande ihrer Belastbarkeit. Was kann man denn da noch tun? 

Füracker: Wir müssen zum Beispiel darauf achten, dass alle Bundesländer im Verhältnis zu ihren Einwohnern gleich viele Menschen aufnehmen. Natürlich geht es auch um die Unterbringungsmöglichkeiten. Wir stellen, wo möglich, staatliche Gebäude zur Verfügung. Das letzte Mittel ist in der Not aber leider oft die Turnhalle, besonders kurz nach der Ankunft. Der Bund ist hier in der Verantwortung, aber stellt sich taub. Der Flüchtlingsgipfel mit der Bundesinnenministerin hat nichts vorangebracht. Der Bundeskanzler taucht ab.

Vor einem Monat wurde das Jubiläum 140 Jahre Trachtenbewegung in Bayern gefeiert. Wie sehen Sie das Brauchtum noch in Bayern? Ist dafür noch Platz?

Füracker: Wir pflegen Bräuche und Traditionen sogar mehr als früher. Als ich Jugendlicher war, wurden auf dem Land leider immer weniger traditionelle Feste gefeiert. Heute stellen junge Leute wieder mehr Maibäume auf und feiern unsere Traditionen und Kultur. Ich glaube, dass das Heimatgefühl und Brauchtum zu pflegen, eine echte Renaissance erfahren hat – und damit auch eine sehr gute Zukunft.

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