Seit 1. April ist ihr Mann Rathauschef
Grüß Gott, Frau Bürgermeister: Wie Eva Zistl (33) aus Vagen ihre neue Rolle interpretieren will
Seit 1. April 2023 ist Eva Zistl (33) aus Feldkirchen-Westerham sozusagen „Frau Bürgermeister“. Wie sie diese Rolle interpretieren will und wieso sie keine Angst hat, dass sie jetzt von anderen Gemeindebürgern instrumentalisiert werden könnte.
Feldkirchen-Westerham – Grüß-Gott-Tante bei Feiern und Festen, repräsentatives Beiwerk des Gemeindeoberhaupts bei wichtigen Veranstaltungen und Ehefrau, die Heim und Herd fest im Griff hat und damit ihrem starken Mann den Rücken freihält: das frühere Rollenverständnis einer Bürgermeistergattin ist laut Eva Zistl, seit 1. April 2023 ebenfalls Ehefrau eines Bürgermeisters, längst überholt. Selbstverständlich will auch sie in Zukunft ihren Mann bei Veranstaltungen begleiten oder dafür sorgen, dass der Familienalltag mit den zwei kleinen Kindern funktioniert. Doch die 33-Jährige macht auch deutlich: „Ich lege sehr viel Wert auf meine Eigenständigkeit und Unabhängigkeit.“
Als Eva Zistl am Wahlsonntag, 12. März, gegen 18.15 Uhr gemeinsam mit ihrem Mann im Rathaus eintraf, war der 33-Jährigen die Anspannung anzusehen. Dass ihr Mann Johannes, einziger Kandidat für das Amt des Bürgermeisters, die Wahl gewinnen würde, stand außer Frage. Doch wie viele Stimmen wird er bekommen, wie hoch die Wahlbeteiligung ausfallen? Letztlich waren es genug Stimmen, um nicht nur dem Wahlsieger, sondern auch dessen Frau ein Lächeln aufs Gesicht zu zaubern.
Geständnis auf der heimischen Couch
Doch was war eigentlich ihr erster Gedanke, als ihr Mann damit begonnen hatte, mit dem Gedanken zu spielen, sich um das Amt des Bürgermeisters von Feldkirchen-Westerham zu bewerben? Nach einer Fraktionssitzung hatte Johannes Zistl seiner Frau auf der heimischen Couch in Vagen erzählt, dass er von mehreren Gemeinderatsmitgliedern angesprochen worden sei, ob er sich dieses Amt vorstellen könne. An ihre Reaktion kann sie sich auch heute noch erinnern: „Auch wenn ich nicht sicher bin, was das für uns bedeuten wird: Du bist genau der Richtige für diesen Job“, habe sie zu ihm gesagt und ihn ermutigt: „Wenn Du es Dir vorstellen kannst, werden wir einen Weg finden, der für uns als Familie passt.“
Einen ersten Vorgeschmack, was das Amt und dessen Terminfülle für das Familienleben heißen könnte, erlebte das Paar dann in den Zeiten des Wahlkampfs, wo sich ein Vorstellungstermin an den anderen reihte. Für die 33-Jährige, die seit Kindesbeinen an in der Gemeinde lebt, allerdings keine große Hürde: „Da wir uns beide ehrenamtlich sehr engagieren und es gewohnt sind, viele Termine zu haben, sind mein Mann und ich gut organisiert und teilen uns die anfallenden Aufgaben.“
Denn nicht nur Johannes Zistl, auch Eva Zistl, die vor der Eheschließung Gürtler hieß, ist aus dem Vereinsleben der Kommune nicht wegzudenken. Ob als Gründungsmitglied der Vagener Dirndl, ehemalige Leiterin der Sparte Fitness beim WSV Vagen, als Mitglied beim dortigen Frauenbund oder im Trachtenverein – die Vereine haben für die zweifache Mutter, die 2019 Tochter Josephine, 2021 Tochter Marlena zur Welt gebracht hatte, einen immensen Stellenwert.
So ist sie auch heute noch beispielsweise als Co-Leiterin für die Vagener Kindergottesdienste im Pfarrverband Bruckmühl oder als Schriftführerin und Gardetrainerin bei der Faschingsgilde Vagen im Einsatz. Wobei sie mit ihrem Mann besonders die Leidenschaft für die Faschingsgilde teilt. So konnten die beiden in der Faschingssaison 2016/2017 als Faschingsprinzenpaar Eva I. und Hans V. bereits erste Erfahrungen sammeln, was es heißt, den Schlüssel fürs Rathaus und die Regentschaft über die Gemeinde zu übernehmen.
Wie es das Ehepaar Zistl mit der Arbeitsaufteilung rund um das Familienleben halten wird, dass will Eva Zistl auf sich zukommen lassen. „Wie das im Detail aussehen kann, wird sich zeigen“, sagt die 33-Jährige. „Es wird vor allem am Anfang viel Kommunikation und Organisation erfordern“, ist sie sich sicher. Doch Eva Zistl ist überzeugt davon, „dass wir einen guten Weg für uns als Familie, aber auch für das Amt des Bürgermeister finden“. Zumal das Paar – wie bereits in der Vergangenheit auch – auf die Unterstützung der Eltern und weiterer Verwandter setzen kann. Zistl: „Sonst wäre manches nicht möglich gewesen.“
„Fitnessökonomie“ und „Sales Management“ studiert
Sie selbst hat nach eigenen Angaben in den vergangenen Monaten bereits die Hauptorganisation in Bezug auf „Familie, Kinder und alles, was den Alltag angeht“, übernommen. Und das, obwohl Eva Zistl, die „Fitnessökonomie“ und „Sales Management“ studiert hat, nach der Geburt der beiden Töchter seit 1. Januar 2023 wieder in Teilzeit arbeitet. Neben Arbeit und Familie will sie sich aber auch als „Frau Bürgermeister“ einbringen.
Allerdings nicht in der Form, wie es einst vielleicht üblich war. „Ich glaube, dass sich die Rolle der Frau an der Seite des Bürgermeisters, wie auch das Frauenbild generell, in den vergangenen Jahrzehnten stark gewandelt hat“, sagt die Vagenerin. „Aus meiner Sicht gibt es inzwischen viele Möglichkeiten, diese Aufgabe mit eigenständigen Tätigkeiten individuell gestalten zu können.“ Sie verstehe sich in der Rolle als „Frau Bürgermeister“ keineswegs nur als „Anhängsel“ ihre Mannes. Vielmehr sei es für sie „Privileg und meine Verpflichtung, an der Seite meines Mannes das Bild der ,Frau Bürgermeister“ weiterzuentwickeln. Wie diese Weiterentwicklung genau aussehen könnte, „das muss sich noch zeigen“.
Angst, dass ihre neue Rolle auch den ein oder anderen, der sich über sie Zugang zu Entscheidungen des Bürgermeisters erhofft, anlocken könnte, hat die 33-Jährige indes nicht. Sie sieht es eher „als Chance, ins Gespräch zu kommen“. Auch, dass sie in Zukunft vielleicht mit Themen konfrontiert werde, zu denen sie sonst wenig Zugang habe, sieht sie eher als Bereicherung. Sie stellt aber auch klar: „Der richtige Weg, um Wünsche anzubringen oder Entscheidungen zu beeinflussen, ist das Rathaus.“
Laufen, Bergwandern, Pilates und Yoga
Und was macht die 33-Jährige, wenn sie ihre Arbeit erledigt, den Familienalltag organisiert und etwas Freizeit hat? Dann ist Eva Zistl zumeist sportlich unterwegs – vom Laufen über das Bergwandern bis zu Pilates und Yoga. Wobei vielleicht Yoga- und Pilates-Übungen dafür mitverantwortlich sein könnten, dass die 33-Jährige einen so ausgeglichenen Eindruck macht. So bereitet ihr auch die Frage, was nach den sechs Jahren Amtszeit ihres Mannes kommt, heute noch keine Kopfzerbrechen. Zumal sie überzeugt davon ist, dass ihr Mann den Rathaussessel länger innehaben wird. Zistl: „Ich glaube fest daran, dass mein Mann für das Amt des Bürgermeisters geschaffen ist, und daher auch an seine Wiederwahl.“
Für sie selbst käme eine Aufgabe in der Kommunalpolitik aber nicht in Frage. Sie findet es zwar „sehr wichtig, sich zu engagieren und mit eigenen Ideen und Engagement etwas voranzubringen, von dem unsere Kinder und die Gesellschaft profitieren können“, sagt die 33-Jährige. Ihr Engagement sei aber in den Vereinen vor Ort besser aufgehoben. „Dort möchte ich helfen, das vielseitige kulturelle und sportliche Angebot für die nächste Generation zu erhalten“, sagt die 33-Jährige, die Feldkirchen-Westerham als ihre Heimat und „perfekten Lebensmittelpunkt“ bezeichnet.
So überlässt sie, die nach eigenen Angaben „immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen“ ist, das Amt des Bürgermeisters gerne ihrem Ehemann. Und übernimmt stattdessen gerne für die kommenden Jahre die Rolle der „Frau Bürgermeister“. Allerdings einer „Frau Bürgermeister“, die ihre Eigenständigkeit und Unabhängigkeit keinesfalls aufgeben wird.

