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Mitstreiter in Feldkirchen-Westerham dringend gesucht

Einmaleins der Hilfsbereitschaft: So unterstützt Anneliese Weidmann Schüler bei den Hausaufgaben

Anneliese Weidmann erklärt zwei Schülerinnen Hausaufgaben aus dem Fach Mathematik.
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Anneliese Weidmann erklärt zwei Schülerinnen Aufgaben aus dem Fach Mathematik.

Die Hausaufgabenhilfe in Feldkirchen-Westerham sucht dringend Mitstreiter. Seit der Corona-Pandemie greift nur noch Anneliese Weidmann den Schülern bei Mathe, Englisch und Deutsch unter die Arme. Was die 74-jährige Einzelkämpferin antreibt.

Feldkirchen-Westerham – Wie viele Schüler sind mit der Lehrerin per Bahn auf einem Ausflug unterwegs, wenn die Lehrerin für 70 Euro Einzeltickets zum Preis von jeweils 3,50 Euro gekauft hat? Diese und ähnliche Rechenaufgaben, die zum Stoff der siebten Klasse an der Mittelschule gehören, sorgen bei den zwei 13-jährigen Schülern, die an diesem Mittwochmittag im Klassenzimmer der Mittelschule Feldkirchen-Westerham am Karl-Weigl-Platz sitzen, für Kopfzerbrechen. Immer wieder tippen sie die bekannten Zahlen in den Taschenrechner ein. Doch welche Rechenart wird benötigt, um auf das richtige Ergebnis zu kommen?

Arbeiterwohlfahrt organisiert die Hausufgabenhilfe

Anneliese Weidmann hat die Lösung schon im Kopf, will aber erst einmal abwarten, bis die zwei Buben von selbst auf den Lösungsweg und schließlich die richtige Lösung kommen. Die 74-Jährige gibt seit zehn Jahren Schülern in der Gemeinde Hilfestellung bei Fächern aller Art – und zwar im Rahmen der Hausaufgabenhilfe, die der Feldkirchen-Westerhamer Ortsverein der Arbeiterwohlfahrt (AWO) für Schüler der Grund-, Mittel- und Realschule in allen Fächern und Jahrgangsstufen anbietet.

„Die ehrenamtliche Tätigkeit macht mir nicht nur viel Spaß, sondern gibt mir selbst auch ganz viel“, sagt Anneliese Weidmann. Als sie vor rund zehn Jahren in Rente gegangen ist, sei sie durch eine Broschüre der Gemeinde auf diese ehrenamtliche Arbeit gestoßen, die die AWO 2008 ins Leben gerufen hatte. „Da habe ich mich dann gemeldet und bin bis heute dabeigeblieben“, sagt die 74-Jährige, die mittlerweile dem AWO-Ortsverein auch als Vorsitzende vorsteht.

Ehrenamtliche für Hausaufgabenhilfe dringend gesucht

AWO-Vorsitzende Anneliese Weidmann, die zudem die Hausaufgabenhilfe der Organisation leitet, sucht dringend Mitstreiter. Gesucht werden Ehrenamtliche, die mindestens eine Stunde in der Woche Schüler der Grund-, Mittel- oder Realschule aller Jahrgangsstufen bei den Hausaufgaben helfen können. Die Hilfe reicht dabei über die Erklärung der Aufgaben sowie des Stoffs bis zur Motivation der Schüler. Einsatzort ist die Mittelschule Feldkirchen-Westerham. Nähere Infos rund um die ehrenamtliche Tätigkeit und die Hausaufgabenhilfe gibt es bei Anneliese Weidmann, Telefon 08063/7414, E-Mail: hab.awo83620@googlemail.com.

Das Problem: Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist die gebürtige Bremerin, die vor Jahrzehnten ins Mangfalltal gezogen ist, Einzelkämpferin bei der Hausaufgabenhilfe. Vor der Pandemie habe es rund eine Handvoll Rentner gegeben, die rund 20 Schülern regelmäßig bei den Hausaufgaben geholfen hätten. Mittlerweile sei nur sie übriggeblieben. „Durch die Pandemie haben viele vielleicht ihr Leben überdacht und setzen jetzt halt andere Prioritäten“, sagt Weidmann, die selbst während der Lockdowns und des Homeschoolings „per Whatsapp und Videochat“ als Hausaufgabenhilfe weitergemacht hat. „Dabei habe ich zwei Schüler über die Mittlere Reife gebracht“, wie die 74-Jährige stolz erzählt.

Von Deutsch über Englisch bis zu Mathematik

Einen kleinen Erfolg in Bezug auf das ehrenamtliche Personal konnte die AWO-Vorsitzende mittlerweile verbuchen. „Es hat sich eine Frau gemeldet, die mithelfen will und gut Englisch kann“, erzählt die Feldkirchen-Westerhamerin. Ihr Steckenpferd sei dagegen eher die Mathematik, schließlich habe sie in ihrem Berufsleben im EDV-Bereich viel mit Zahlen, Tabellen und Analysen zu tun gehabt. Doch letztlich versuche sie, ihren Schülern – derzeit sind es acht, die sie an zwei Nachmittagen betreut – in allen Fächern zu helfen – von Deutsch über Englisch bis zur Mathematik.

Ein ehrenamtliches Engagement, das für Jürgen Lang, Schulleiter der Mittelschule Feldkirchen-Westerham, immens wichtig ist. „Ich bin für jede derartige Hilfe dankbar“, sagt Lang und verweist auf den Lehrermangel, der seiner Einschätzung nach in den kommenden Jahren „noch deutlich extremer“ werden wird. Daher will Lang seine Schule auch „nicht abschotten, sondern nach allen Seiten offen halten“, um auf Kooperationen mit verschiedenen Vereinen und Organisationen setzen zu können. Wie eben der Hausaufgabenhilfe, die Lang als „sehr sinnvoll“ bezeichnet.

Pädagogisches Fachpersonal dringend gesucht

Die Gefahr, dass durch das ehrenamtliche Engagement der Druck auf die Politik sinkt, die Personalsituation an den Schulen zu entschärfen, sieht der Schulleiter hingegen nicht, denn: „Die Ehrenamtlichen haben natürlich das Fachwissen, um die Schüler zu unterstützen“, so Lang. „Wir brauchen aber eben auch dringend pädagogisches Fachpersonal.“ Dennoch hofft Lang, dass, „wenn der Lehrermangel noch extremer werden wird“, bei den Ehrenamtlichen sogar ein paar Personen dabei sind, die dann – ausgestattet mit Arbeitsverträgen – den Fachkräftemangel zumindest etwas lindern können.

Anneliese Weidmann hofft nun erst einmal, dass sich in den kommenden Wochen noch mehr Menschen aus der Gemeinde melden, die sich ehrenamtlich bei der Hausaufgabenhilfe engagieren wollen. Eine Bezahlung für die Tätigkeit – die 30 Euro, die Schüler für einen Block von mehreren Wochen zahlen, fließen der AWO zu – gäbe es zwar nicht, einen Lohn der Arbeit aber schon. „Es ist einfach schön, wenn die Schüler durch mein Engagement Erfolg haben“, sagt die 74-Jährige, die findet, dass die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen auch „jung und die grauen Zellen am Rattern hält“.

Nicht zu unterschätzen sei die Dankbarkeit, die die jungen Menschen ihr entgegenbrächten. „Die meisten sind sehr dankbar“, sagt die Weidmann. „Vor allem, wenn sie aus eigenem Antrieb heraus die Hilfe in Anspruch nehmen.“ Nur selten gäbe es Fälle, wo es schwierig sei, zum Schüler durchzudringen. „Ich hatte mal einen Schüler, der von seinen Eltern dazu gedrängt worden ist und sich dann immer wieder demonstrativ wegdreht hat, wenn ich ihm etwas erklärt habe“, erinnert sich Weidmann. „Da muss man dann auch einfach sagen: Das hat so keinen Sinn.“ Das sei aber der einzige Fall gewesen, wo sie eine weitere Unterstützung abgelehnt habe.

„Das ist ja gar nicht so schwer“

Ganz anders sieht es bei den beiden Buben an diesem Mittwochmittag aus, die mittlerweile auf die Lösung der Rechenaufgabe gekommen sind. „Ich muss die 70 Euro durch den Fahrpreis teilen, oder?“, fragt einer der beiden Weidmann, die daraufhin nickt und fragt: „Und was ist dann das Ergebnis?“ „20“, schaltet sich der zweite Schüler ein, während der andere ergänzt: „Das ist ja gar nicht so schwer.“

Die beiden sind jedenfalls froh, dass Anneliese Weidmann sich Zeit für sie nimmt. „Im Unterricht ist das ja manchmal sehr schwierig, nachzufragen, wenn man etwas nicht versteht, weil da die Zeit meistens sehr knapp ist“, findet einer der Buben. „Hier können wir mehrmals nachfragen – Frau Weidmann erklärt uns das dann notfalls auch zehn Mal.“

Die Stunde mit den beiden 13-jährigen Buben ist mittlerweile beendet, schon stehen zwei Mädchen – 14 Jahre alt – in der Tür. Eine davon begleitet Weidmann sogar in Form eines Patenprojekts. Die 14-Jährige mit Migrationshintergrund sei bestes Beispiel dafür, dass es bei vielen Schülern nicht an der Intelligenz mangle, sondern an der Möglichkeit der persönlichen Betreuung und Förderung. Weidmann: „Hier können wir mit der Hausaufgabenbetreuung wenigstens ein Stück helfen, damit diese Kinder und Jugendlichen nicht auf der Strecke bleiben.“

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