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„Die wichtigste Europawahl, die es je gab“

Krisen und frustrierte Wähler: Rosenheimer Expertin erklärt, warum unsere Zukunft in Gefahr ist

Die anstehende Europawahl ist entscheidend für unsere Zukunft. Dessen ist sich die Rosenheimer „Pulse of Europe“-Organisatorin Monika Hermann sicher.
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Die anstehende Europawahl ist entscheidend für unsere Zukunft. Dessen ist sich die Rosenheimer „Pulse of Europe“-Organisatorin Monika Hermann sicher.

Die anstehende Europawahl ist wichtig. Nicht nur für die Politiker, die gerne ins Parlament einziehen möchten. Auch für die Handlungsfähigkeit und die Zukunft der Europäischen Union. Denn Krisen, Krieg und Extreme belasten, wie Monika Hermann von „Pulse of Europe“ im OVB-Interview erklärt.

Rosenheim – Am 9. Juni ist es wieder so weit: Das neue Europäische Parlament wird gewählt. Von vielen Wahlberechtigten wurde diese Wahl allerdings immer ein wenig stiefmütterlich behandelt. Im Jahr 2019 lag die Wahlbeteiligung in Deutschland immerhin bei 61,4 Prozent. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2021 gaben 76,6 Prozent der Berechtigten ihre Stimme ab. Warum es bei der anstehenden Europawahl so wichtig ist, wählen zu gehen und warum Europa oft zum „Buhmann“ der Bundesregierung gemacht wird, erklärt die Rosenheimer Organisatorin von „Pulse of Europe“, Monika Hermann, im exklusiven OVB-Interview.

Europawahl: „Viele Menschen sind frustriert“

Warum ist die anstehende Europawahl so wichtig?

Monika Hermann: Es ist die wichtigste Europawahl, die es je gab. Trotz der Krisen haben wir in Europa alle Voraussetzungen, um uns eine gute Zukunft zu gestalten. Jetzt laufen wir Gefahr, all das, was wir 70 Jahre lang gemeinsam aufgebaut haben, bei dieser Wahl infrage zu stellen.

Inwiefern?

Hermann: Aktuelle Prognosen zeigen eine starke Zunahme an Sitzen für europafeindliche Parteien. Verfügen diese über eine Blockade-Minderheit, könnten sie die Parlamentsarbeit zum Stillstand bringen und die EU erheblich schwächen. Ohne ein entscheidungsfähiges Parlament, das Lösungen erarbeitet, können wir aber die aktuellen Krisen nicht bewältigen.

Wie bringt man den Menschen nahe, wie wichtig ein handlungsfähiges Europa ist?

Hermann: Viele Menschen sind frustriert. Sie haben das Gefühl, dass Deutschland und Europa sich im Abstieg befinden. Die internationale Weltordnung ändert sich grundlegend. Wir erleben die größte technologische Revolution der Menschheitsgeschichte. Der Klimawandel fordert Veränderung. Autoritäre Systeme nehmen weltweit zu. Es herrscht Krieg vor den Toren der EU. Das macht Angst. Aber mit einer starken EU würden wir auch über Gestaltungskraft in Europa und der Welt verfügen. Also Mut zur Zukunft, Mut zu einer starken Europäischen Union!

Kommt die Gefahr für die EU auch von Menschen wie Björn Höcke, der gesagt hat, dass „diese EU sterben“ muss?

Hermann: Ja, natürlich. Er nutzt die Angst der Menschen und ihren Wunsch nach Abschottung in einem kontrollierbaren und vertrauten Umfeld für seine politischen Zwecke. Doch der Rückzug ins Nationale macht uns verwundbar. Denn die Nationalstaaten sind zu klein, um sich in der Welt behaupten zu können. Ein schwaches Europa liegt nicht in unserem Interesse. Europafeindliche Parteien spielen zudem Wladimir Putin in die Hände.

Was hat Putin mit den Anti-Europäischen Parteien zu tun?

Hermann: Putin hat die Ukraine angegriffen, weil sie sich Richtung Europa orientiert hat. Sein Ziel in Europa ist die Zerstörung der Europäischen Union. Viele Einzelstaaten erhöhen seine Chance, sich eine gewisse Hegemonie in Europa zurückzuholen. Mit seiner Propaganda in den sozialen Netzwerken versucht er, gesellschaftliche Konflikte für seine Zwecke zu nutzen. Desinformation, Hass und Verschwörungstheorien sollen Zweifel an der Demokratie und an der EU sähen. Europafeindliche Parteien bedienen sein Spiel. Deshalb sucht Putin auch immer wieder erfolgreich die Nähe dieser Parteien, um sie zu instrumentalisieren.

Manche Menschen sind bereits in einer „Blase“ aus populistischen Inhalten. Sind sie für die Demokratie verloren?

Hermann: Ja, einige sicher. Wir versuchen, mit den Menschen direkt zu reden. Information zu vermitteln und Menschen miteinander ins Gespräch zu bringen, bleibt unser Ziel. Oft habe ich den Eindruck, dass viele Menschen eigentlich nur orientierungs- und hoffnungslos sind. Sie haben dann richtig Lust auf ein Gespräch.

Welche Verantwortung haben hier die Parteien?

Hermann: Europa wird – außer vor den Europawahlen – viel zu wenig zum Thema gemacht. Ich denke, dass die demokratischen Parteien hier generell mehr „Gas geben“ müssen – insbesondere auch in den sozialen Netzwerken. Ich verstehe gut, dass das schwer ist. Meine Altersgruppe ist da ja oft mehr als unbeholfen. Jetzt kommt es aber darauf an, dass in den letzten Wochen vor der Wahl noch möglichst viel gepostet wird und dass vielleicht auch jüngere Leute die Älteren „bei der Hand nehmen“.

Die EU wird oft mit Verbotspolitik in Verbindung gebracht oder als „Bürokratiemonster“ wahrgenommen. Woher kommt das?

Hermann: Kleinteilige Regelungen sind oft erforderlich, wenn wir einen gemeinsamen Markt und einen gemeinsamen politischen Raum haben wollen. Die EU hat hier aber viel dazu gelernt und Bürokratie abgebaut. Oft sind es die Nationalstaaten, die bei der Umsetzung der Richtlinien zur Überregulierung neigen, weil sie nicht bereit sind, veralte Regelungen „über Bord zu schmeißen“. Ich persönlich würde europäische Regelungen bevorzugen, die in allen Mitgliedstaaten direkt gelten und nur in Einzelfällen durch die Mitgliedstaaten ergänzt werden. Sonst ersticken wir an der Komplexität der Regelungen. Außerdem wäre das Handeln der EU für die Bürger und Bürgerinnen sichtbarer.

Also schieben die nationalen Regierungen der EU auch ein bisschen den schwarzen Peter zu? 

Hermann: Ja. Das ist sehr praktisch, wenn man einen Buhmann hat, der sich nicht unmittelbar wehren kann.

Es darf bei dieser Wahl ab 16 Jahren gewählt werden. Ist das sinnvoll? 

Hermann: Grundsätzlich finde ich es gut, dass Menschen ab 16 wählen dürfen. Denn es geht ja gerade auch um ihre Zukunft! Was mir aber Sorgen macht ist, dass viele junge Leute sich oft überwiegend über soziale Medien, manche gar ausschließlich über TikTok informieren.

Sind Sie auch schon mit Jugendlichen ins Gespräch gekommen, die diesen Eindruck bestätigt haben?

Hermann: Ich habe schon viele junge Leute angesprochen. Einige waren gut informiert, andere wussten nicht einmal, dass es ein Europäisches Parlament gibt.

Was ist Ihr Appell an die Wähler? 

Hermann: Für eine gute Zukunft brauchen wir vor allem eine stabile Demokratie und ein starkes Europa. Es ist viel einfacher, eine bestehende Demokratie mit Leben zu füllen, als eine zerstörte zurückzuerobern. Wir sollten eines nicht vergessen: Die größte Gefahr für unsere Zukunft kommt nicht von außen. Wir selbst sind die größte Gefahr für unsere Zukunft. Wir sind es, die mitentscheiden. Deshalb lautet unser Motto für die Europawahl: „Wähl nicht Dein Sofa, wähl Europa“!

Über „Pulse of Europe“ und Monika Hermann

„Pulse of Europe“ ist 2016 in Deutschland als Graswurzelbewegung entstanden. Heute ist es als gemeinnütziger Verein organisiert – überparteilich und überkonfessionell. In lokalen Städteteams engagieren sich Bürgerinnen und Bürger unterschiedlichster politischer und gesellschaftlicher Überzeugungen gemeinsam für ein vereintes, demokratisches und starkes Europa als Grundlage für eine lebenswerte Zukunft.

Monika Hermann hat Pulse of Europe im Frühjahr 2017 auch in Rosenheim ins Leben gerufen und ist bis heute die Leiterin des Städteteams Rosenheim. Neben ihrem Beruf als Rechtsanwältin und Fachanwältin für Verwaltungsrecht in Rosenheim engagiert sich auch noch in weiteren Organisationen ehrenamtlich für Europa, insbesondere im Pro-Europanetzwerk München & Oberbayern.

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