Neue Sportart im Mareis-Komplex
„Zocken“ statt Kicken? Was hinter dem neuen eSport-Angebot des SV-DJK Kolbermoor steckt
Sie tauschen Sportschuhe gegen Tastatur und Computermaus ein: Die eSport-Spieler vom SV-DJK Kolbermoor. Die Abteilung wurde erst im März 2024 gegründet. Was genau dahinter steckt und wie der Jugendleiter des Sportvereins, Thomas Wauer, auf die außergewöhnliche Idee kam.
Kolbermoor – Es ist still im Raum. Nur hin und wieder ertönt das Klicken einer Computermaus. Die Geräusche kommen von der Mitte des Raums. Dort sind mehrere Tische aneinander gereiht. Auf ihnen stehen „Gaming PCs“. Nur einer von ihnen ist gerade in Betrieb. Auf dem Bildschirm ist ein Kampf zu sehen. Mehrere Spiel-Charaktere versuchen, eine fremde Basis einzunehmen. Dann wird das Klicken der Computermaus schneller. Norman Böhmer ist gerade dabei, seine Gegner auszuschalten.
Seit vielen Jahren spielt Böhmer leidenschaftlich, das Computerspiel „League of Legends“. Dabei handelt es sich um ein Team-basiertes Online-Spiel. „Die Spieler sind in zwei Teams zu je fünf Spielern eingeteilt“, erklärt Böhmer. Die Teilnehmer suchen sich vor Spielbeginn einen „Champion“, also eine virtuelle Spielfigur, aus. Jeder von ihnen hat individuelle Fähigkeiten, Stärken und Schwächen. Gegenstände, wie zum Beispiel Waffen, können dazugekauft werden, um die Stärken zu unterstützen. Die beiden Fünfer-Teams treten dann gegeneinander an, um die gegnerische Basis, den sogenannten Nexus, zu „zerstören“.
Damals hat Böhmer noch allein von zu Hause aus das Online-Spiel gespielt. Nun kann er seine Leidenschaft mit Gleichgesinnten teilen. Seit dem 22. März gibt es die eSport-Abteilung im SV-DJK Kolbermoor. Hier können sich begeisterte Online-Spieler treffen und an „League of Legends“-Turnieren teilnehmen. Eine sehr ungewöhnliche Sportart, wie auch Thomas Wauer, Initiator und Jugendleiter vom SV-DJK Kolbermoor, weiß.
Jugendleiter vom SV-DJK Kolbermoor mit außergewöhnlicher Idee
„Ich hatte mit virtuellen Spielen vorher nicht wirklich was am Hut“, sagt Wauer. Der Freund seiner Tochter spielt gelegentlich „League of Legends“. Irgendwann forderte seine Tochter ihn auf, es auch mal auszuprobieren. „Ich wurde sofort von den Gegnern virtuell verprügelt“, sagt Wauer und lacht. Der Jugendleiter möchte dabei klarstellen, dass mit dem Online-Spiel keine Gewalt oder das Töten verherrlicht werden soll. „Wir halten uns dabei auch an die Altersbeschränkung und die liegt bei ,League of Legends´ bei zwölf Jahren.“ Zudem sehe man in dem Spiel kein Blut. „Es ist eher ein digitales ,Töten‘, wo die Charaktere einfach nur umkippen und das war es dann auch schon“, so Wauer.
Das Spiel habe bei ihm selbst auch das Interesse geweckt. Nach seiner ersten Pleite wollte er es kurz darauf nochmal einmal probieren. „Mir hat daran gefallen, dass man als Team agieren und taktisch denken muss“, sagt er. Dann kam ihm eine außergewöhnliche Idee.
Als Jugendleiter des Sportvereins schlug er vor, dass man ein „League of Legends“-Turnier veranstalten könnte. „Ich dachte mir, man kann es ja einfach mal ausprobieren“, sagt Wauer. Und der Versuch habe sich ausgezahlt. Es kamen 20 Interessierte zusammen, die sehr begeistert von dem neuen Angebot in Kolbermoor waren. Also gründete sich im Frühjahr dieses Jahres die eSports-Abteilung. Zurzeit besteht sie aus zwölf Teilnehmern.
Dass eSports keine anerkannte Sportart ist, möchte Wauer ändern. Denn bei Wettkämpfen werde einiges von den Spielern gefordert. „Man braucht für ein schnelles Reaktionsvermögen eine gute Hand-Augen-Koordination und muss sich sehr gut konzentrieren“, sagt der Jugendleiter. Vergleichbar sei das unter anderem mit Schach. „Man bewegt sich zwar nicht bei dieser Sportart, aber man muss seinen Kopf benutzen. Deshalb würde ich eSports klar als eine Sportart definieren“, so Wauer.
Für ihn steckt hinter dem neuen Angebot aber noch mehr. „Wir wollen damit auch junge Leute erreichen, die vielleicht in anderen Sportvereinen keinen Anschluss finden“, sagt der Initiator. Bei 14- bis 18-Jährigen sei es oftmals schwer, sich in eine bestehende Mannschaft einzufügen. „Denn die meisten fangen schon als Kind mit dem Fußball oder dem Handball an. In solch einer eingeschworenen Mannschaft Anschluss zu finden, kann hart sein“, weiß Wauer. Das sei beim eSports anders, wie auch Norman Böhmer selbst erfahren durfte.
„Gemeinsam eine Leidenschaft verfolgen“
Seit 15 Jahren spielt der 20-Jährige Eishockey in Rosenheim. Hier lernte er bereits, dass Sport Interessierte miteinander verbindet. Beim eSports ist das nicht anders. „Das Besondere an Computerspielen ist, dass es so viele Leute zusammenbringt, die gemeinsam eine Leidenschaft verfolgen“, sagt Böhmer. Bei Turnieren oder Wettkämpfen treten sie gegen Fünfer-Teams aus ganz Deutschland an. Das sei sehr spannend. Außerdem soll in Zukunft das Gemeinschaftsgefühl noch weiter gestärkt werden.
Da die Sportabteilung noch recht jung ist, habe es lange keinen Ort gegeben, wo sich die Spieler regelmäßig treffen können. Zweimal die Woche findet ein Training statt. „Doch das muss aktuell noch jeder von zu Hause aus machen. Nur einmal im Quartal treffen wir uns in einem zur Verfügung gestellten Raum, um bei einem größeren Event zusammenzuspielen“, sagt Böhmer. Das wird sich nun ändern. Denn im Mareis-Komplex, wo früher das Ristorante Milano beheimatet war, hat sich nun ein Ort für die Spieler gefunden.
Zu verdanken sei das der Dritten Bürgermeisterin und Vorstandssprecherin des SV-DJK Kolbermoor, Sabine Balletshofer-Wimmer. Sie sei begeistert von dem neuen Angebot gewesen und hielt nach einem leeren Raum Ausschau. Dafür fragte sie auch beim Ersten Bürgermeister Peter Kloo an. „Der hat uns dann diesen Raum vorübergehend zur Verfügung gestellt, bis die Umbaumaßnahmen im Mareis-Komplex stattfinden“, sagt Balletshofer-Wimmer aus OVB-Anfrage.
Dass das Spiel „League of Legends“ Gewalt verherrlichen und damit ungeeignet für die Heranwachsenden sein könnte, sieht sie anders. „Bei dem Spiel geht es wie in jedem Teamsport darum, das gegnerische Team zu besiegen“, sagt sie. Das sei in jeder Sportart „die Grundlage für den Wettkampf“. Für den Sportverein sei es wichtig, dass die Jugendlichen zusammen spielen können, anstatt alleine zu Hause in ihrem Zimmer. „Unsere Aufgabe als Verein ist es im Besonderen auch für die Jugend attraktiv zu sein und somit eventuell auch die Möglichkeit zu haben, sie für andere Sportarten in unserem Verein zu begeistern“, sagt die Vorstandssprecherin.
Für die Zukunft ist großes geplant
Für die Zukunft ist damit noch einiges geplant. Zum einen muss der Raum im Mareis-Komplex besser ausgestattet werden. „Dafür brauchen wir hochwertige PCs und Konsolen, wo wir allerdings von Sponsoren abhängig sind“, sagt Maximilian Walbert, der die Abteilung eSports leitet. Bislang bekommen sie vom Jugendtreff Kolbermoor die benötigten PCs ausgeliehen.
Zudem sollen neben „League of Legends“ auch noch weitere Online-Spiele angeboten werden, wie zum Beispiel das Fußball-Videospiel „EA FC“ oder das Taktik-Spiel „Valorant“. „Und hier wollen wir so hoch wie möglich aufsteigen. Heißt, dass die Spieler vielleicht irgendwann bezahlt werden und in den höheren Ligen mitspielen“, so Walbert.
Ein professioneller Spieler tritt bei großen Veranstaltungen auf und könne dabei schonmal 3000 bis 4000 Euro im Monat verdienen. „Das ist unser Ziel“, sagt der Abteilungsleiter sichtlich überzeugt. Klar sei, dass es sich dabei um ein langfristiges Ziel handelt. Denn erstmal wollen sie noch mehr Teilnehmer finden, die sich für Online-Spiele begeistern. „Hinter dieser neuen Abteilung steckt sehr viel. Man sitzt nicht allein in seinem Kellerchen und spielt, sondern man kommt hierher und baut soziale Kontakte auf.“
