Energie durch Erdgas
Blockheizkraftwerk versorgt 500 Kolbermoorer Haushalte - Doch wie krisensicher ist das Fernwärmenetz?
Wie krisensicher ist ein Fernwärmenetz, das mit Erdgas betrieben wird? In Kolbermoor hängen 500 Haushalte am Blockheizkraftwerk der INNergie GmbH. Schon jetzt gibt es Überlegungen, wie sie bei Gasmangel versorgt werden könnten.
Kolbermoor – Das Fernwärmenetz der Stadt Kolbermoor soll engmaschiger werden. Die INNergie GmbH hat mit dem Ausbau des Leitungsnetzes die Voraussetzungen dafür geschaffen, in Stadtzentrum, Conradty- und Farrenpoint-Straße weitere Abnehmer anzuschließen. Bisher werden 500 Haushalte, zwei Kindergärten und die Mittelschule mit Fernwärme versorgt. Die Energie wird im Heizkraftwerk nahe der Pauline-Thoma-Schule aus Erdgas erzeugt. Doch was könnte es für die Versorgungssicherheit dieser Menschen bedeuten, wenn russisches Gas ausbliebe?
Verträge mit deutschen Partnern
„Wir beschaffen unser Gas ausschließlich über die Plattform Energie mit Sitz in Bad Aibling, welche die Energie bei deutschen Partnern einkauft“, erklärt Heiko Peckmann, Geschäftsführer der INNergie GmbH, die in Kolbermoor das Fernwärmenetz betreibt. Doch die Verträge seien das eine. Mit ihnen könne zukünftig auch erneuerbare Energie wie Biomethangas gefördert werden und am Heizkraftwerk eingesetzt werden. „Auf physische Erdgaslieferungen und somit den Gasmix im Netz haben wir als Energieversorgungsunternehmen dennoch keinerlei Einfluss“, so Peckmann. Sie unterliegen den nationalen Regeln der Energiewirtschaft. Erdgas, so Peckmann, komme aktuell vor allem aus Russland, Norwegen und den Niederlanden. Auch ein kleiner Anteil Biomethangas werde in Deutschland ins Gasnetz eingespeist und stelle somit keine Versorgungssicherheit dar.
„Bei einem Gasmangel könnten wir kurzfristig auf Öl umrüsten und so die Versorgungssicherheit gewährleisten“, erklärt er. Wäre auch LNG eine Alternative? „Darüber haben wir schon intensiv nachgedacht, aber da Leitungen fehlen, müsste LNG von den Importhäfen wie zum Beispiel Rotterdam mit dem Lkw antransportiert werden. Im Winter bei ungünstigen Straßen- und Witterungsverhältnissen wäre keine Versorgungssicherheit gewährleistet, da Gefahrguttransporte bei einer Sichtweite unter 50 Metern, bei Schneeglätte oder Glatteis nicht mehr fahren dürfen“, so Peckmann.
Was also tun? „Der Energieträger Erdgas wurde jahrzehntelang als sicherer Baustein einer effizienten Energiewende angesehen“, blickt Peckmann auf die Politik der vergangenen Jahre. Das hat sich nun schlagartig geändert. Innerhalb weniger Monate ist eine „Zeitenwende“ in der Energieversorgung aber nicht möglich. „Mittel- und langfristig muss das Ziel sein, weg von den fossilen Brennstoffen zu kommen. Hier spielen in unserer Region vor allem Biogas und -methan sowie Biomasse aus Holz eine wichtige Rolle.“
Parallel dazu werde im Rahmen einer Machbarkeitsstudie zusammen mit regionalen Partnern die Nutzung von Energie aus Wasserstoff für die Region Inntal-Rosenheim-Traunstein untersucht.
Fernwärmenetz bietet Vorteile
Mit welchem Brennstoff ein Heizkraftwerk auch betrieben wird, der Vorteil eines Fernwärmenetzes ist die vorhandene Infrastruktur: „Nur die Erzeugung von Strom und Wärme in der Zentrale müsste auf einen anderen Brennstoff umgerüstet werden, die Verteilung könnte über das bestehende Netz und die installierten Hausstationen beim Kunden erfolgen“, erklärt Peckmann.
Für die Erweiterung und die Versorgungssicherheit des Kolbermoorer Fernwärmenetzes wird ab September ein zweites Blockheizkraftwerk errichtet. Damit wird die installierte BHKW-Leistung von 600 Kilowatt Strom und 684 Kilowatt Wärme verdoppelt. Nach der Installation eines zusätzlichen Trafos – die Lieferzeiten liegen aktuell bei fast einem Jahr – soll das zweite BHKW im Februar 2023 ans Netz gehen.
Klimaschutzkonzept ist nur gemeinsam mit den Bürgern umsetzbar
• Das Klimaschutzkonzept der Stadt Kolbermoor wird Schritt für Schritt umgesetzt – unter anderem mit dem Ausbau von Wärmenetzen.
• Schon seit 2012 werden das Rathaus sowie das Wohn- und Geschäftshaus am Rathausplatz mit der Abwärme des Textilservice Stangelmayer GmbH beheizt.
• Am Glasberg existiert seit 2015 eine Quartiersversorgung, über die sechs Mehrfamilienhäuser und eine Kindereinrichtung mit Nahwärme versorgt werden.
• Im nächsten Schritt wurde ab 2017 ein Fernwärmenetz für die Neubauten an Mangfallring und die Mittelschule verlegt, welches zuerst über eine mobile Heizstation versorgt wurde, dann ab Januar 2020 über das neu errichtete Heizkraftwerk an der Turnhalle der Pauline-Thoma-Schule.
• Aktuelle Projekte sind die Conradty-, Gärtner- und Farrenpointstraße mit etwa 230 Wohneinheiten und einem Seniorenzentrum. Bisher scheitert eine Anbindung des Bereiches ans bestehende Heizkraftwerk an erforderlichen Genehmigungen zur Querung privater Grundstücke. Deshalb muss der Bereich vorerst über eine mobile Lösung versorgt werden.
• Perspektivisch besteht zudem die Option, am Standort Conradtystraße-Spinnereigelände ein weiteres Heizkraftwerk zu errichten.
• Die bis in die Innenstadt verlegten Fernwärmerohre haben ausreichend Kapazität für die Anbindung weiterer Abnehmer. Auf Grundlage eines Ratsbeschlusses hat sich auch die Stadt dazu bekannt, öffentliche Gebäude wie Feuerwache und Mareissaal anzuschließen. „Vorher müssen diese aber energetisch saniert werden“, erklärt Klimaschutzmanager Martin Roith. Die Komplettsanierung der Feuerwache ist fast abgeschlossen. „Hier läuft aktuell noch die Umrüstung der Heizung“, so Roith.
• Aktuell erarbeitet die INNergie GmbH eine Wärmebedarfskarte von Kolbermoor. Diese bildet den Status-Quo von Gebäudebestand, Baujahr, Wärmeversorgung und -bedarf ab. Auf dieser Grundlage soll gemeinsam mit der Stadt und den Bürgern über sinnvolle Technologien und Ausbaugebiete zur Wärmeversorgung nachgedacht werden, so Heiko Peckmann von der INNergie.
• Für den Norden Kolbermoors wären aufgrund seiner Siedlungsstruktur Quartierlösungen geeignet. „Wir wollen die Bürger mitnehmen, um nach einem geeigneten Wärmenetz zu suchen“, kündigt Klimaschutzmanager Roith an. Der erste Schritt seien Gespräche mit dem Siedlerverein, der zweite Nachfragen nach dem aktuellen Stand der Heizungsanlagen, eventuell geplanten Modernisierungen und dem Interesse an einer nachbarschaftlichen Wärmeversorgung. Basierend darauf könne man auf den Bedarf zugeschnittene Lösungskonzepte entwickeln.

