Radeln auf der Westtangente
Ungewöhnliche Versammlung ermöglicht Kolbermoorer Bürgern exklusive Einblicke in die Vorhaben der Stadt
Ein neues Bürgerversammlungs-Format wurde jetzt in Kolbermoor etabliert. Bürgermeister Peter Kloo lud die Bürger zu einer Radtour ein. Und die eröffnete ungeahnte Blickwinkel auf die Stadt und die Arbeit der Behörden.
Kolbermoor – Aus dieser Perspektive hatten die Kolbermoorer ihre Stadt noch nie gesehen. Auf der Bürgerversammlung on tour ging es am Montagabend erstmals über das neue Brückenbauwerk der B 15. Exklusive Einblicke in die Vorhaben der Stadt und die Baufortschritte des Staatlichen Bauamtes gaben Bürgermeister Peter Kloo und Projektleiter Bernhard Gehrmann vom Staatlichen Bauamt Rosenheim.
Statt eines Monologs mit vielen Powerpointpräsentationen sollte die erste Bürgerversammlung in Kolbermoor nach der Corona-Pandemie die Menschen im wahrsten Sinne des Wortes bewegen. Und so lud Bürgermeister Peter Kloo zu einer Radtour in den Nordosten der Stadt ein. Vom Rathausplatz ging es über Flur- und Filzenstraße hinauf in Richtung Großkarolinenfeld. Und schon hier wurde klar, dass der leichte Anstieg für Radfahrer zwar gut zu bewältigen ist, Autofahrer aber ein wahres „Bike-Hopping“ veranstalten mussten, um den Tross aus etwa 40 Radlern zu umfahren.
Viel Verkehr birgt viele Gefahren
Bei so viel Verkehr macht weder das Rad- noch das Autofahren Spaß. Dass mehr sichere Radwege her müssen, ist den Stadtvätern klar: „Kolbermoor hat 20.000 Einwohner, da funktioniert es nicht mehr, dass alle mit dem Auto fahren. Dafür fehlt uns einfach der Platz“, betonte Bürgermeister Kloo. Radstellplätze brauchen weniger Platz als Pkw-Stellplätze. Also müssen auch Alternativen für sichere Radfahrtrassen gefunden werden. „Im Frühjahr kommenden Jahres soll die Friedrich-Ebert-Straße im Abschnitt von Carl-Jordan- beziehungsweise Ludwigstraße und Brückenstraße in eine Fahrradstraße umgewandelt werden“, informierte Kloo.
Zeitgleich solle eine zweite Radachse parallel zur Rosenheimer Straße und entlang der Wiesenstraße ausgebaut werden.
Doch wie Flur-, Filzen- und Kolberstraße beruhigen? Bis zur Bahnunterführung scheint das kein Problem zu sein. „Der Grünstreifen an der Wäscherei könnte zu einem ordentlichen Radweg ausgebaut werden. Die Unterführung müsste einspurig mit Vorrangregeln befahren werden, damit für einen Radstreifen Platz ist. Das wird noch große Diskussionen geben“, blickte der Bürgermeister voraus. Doch nach der Unterführung wird es noch enger. Über Flur-, Filzen- und Kolberstraße wälzt sich der Verkehr nach Großkarolinenfeld.
„500 Lkw pro Tag“, hatte ein Teilnehmer der Rad-Informations-Tour gezählt. Er fragte, ob man die Straße zumindest für Lkw sperren könnte. „Wir nehmen das mit“, versprach Kloo, diese Möglichkeit zu prüfen, machte aber gleichzeitig klar, dass erst mit Fertigstellung der B15-Westtangente – frühestens also 2025 – die motorisierten Verkehrsströme dorthin umgelenkt werden könnten. Momentan gebe es keine wirkliche Lösung, denn: „Wenn wir das Parken in der Filzenstraße verbieten, wird es eine Rennstrecke. Jetzt parken die Autos hier, muss sich der Verkehr durchquetschen, das ist wieder für die Radfahrer gefährlich“, so Kloo. Andere Städte hätten weitaus mehr Fahrradstraßen als Kolbermoor. Doch ob das politisch und finanziell auch schon in Kolbermoor umsetzbar sei, wagte er zu bezweifeln.
Ziel: Radweg von Großkaro bis Tonwerk
Hinzu kämen Grundstücksfragen, denn auch Straßen seien teilweise bis zur Straßenmitte in privatem Besitz. Kloo informierte darüber, dass die Stadt Kolbermoor mit dem Freistaat in Grundstücksverhandlungen sei. Ziel sei es, die Moorstraße über die Filzenstraße hinaus geradeaus zu verlängern, um einen Radweg von Großkarolinenfeld bis zum Tonwerk zu schaffen. Auf Nachfrage von Bürgern erklärte er, eine Sperrung der Bergstraße für den Verkehr ab der Firma Rieder lasse sich politisch vermutlich nicht durchsetzen.
Nächste Radtour am 27. Juni gen Süden
Wie Mobilitätsmanagerin Winkler informierte, werde auch der Plan verfolgt, einen Radweg über die Gleise an der Haßlerstraße zu führen. Da sei die Bahn am Zug. Die zweistündige „Tour de Kolbermoor“ führte weiter über die Moorkultur, die Baustelle der Westtangente, das Aicherpark-Gelände und entlang des Mangfallkanals zurück zum Rathaus.
Die nächste Radtour ist am Montag, 27. Juni, geplant. Dann geht es ab 18.15 Uhr vom Rathausplatz in den Südosten Kolbermoors, stehen die Erweiterung von Bauhof und Wertstoffhof, das geplante Gewerbegebiet „Schwaig“, der neue Friedhof und die Sportanlagen auf dem Tourenplan.
Radeln auf der Westtangente – das wird es so nie wieder geben
Es war beeindruckend, mit dem Fahrrad eine Trasse abzuradeln oder das Rad schiebend abzulaufen, die ab 2025 die Verkehrsströme im Westen Rosenheims regulieren soll. Fuß- oder Radwege wird es dort dann nicht mehr geben. Projektleiter Bernhard Gehrmann vom Staatlichen Bauamt Rosenheim informierte – ebenfalls mit dem Rad on tour – über den aktuellen Baustand und die nächsten Schritte. Von der Großholzstraße ging es bis zum Aicherpark.
Auf der Brücke eröffnete sich nicht nur ein neuer Blick auf Kolbermoor, sondern auch auf außergewöhnliche Ingenieurleistungen. „Es ist die längste Straßenbrücke in Bayern. Sie überspannt 670 Meter und kostet 70 Millionen Euro“, informierte Gehrmann. Eine besondere Herausforderung sei der Seeton gewesen, der in Abschnitten der Westtangente eine bis zu 120 Meter dicke Erdschicht ausmache. „Für uns hieß das, die Brücke als elastisches Bauwerk zu entwickeln, damit sie flexibel auf die Setzungen des Seetons reagieren kann“, erläuterte Gehrmann.
Deshalb bestehe das Brückenbauwerk aus zwei Teilbauwerken: einer Mehrfeldbrücke in Verbundbauweise und einer sogenannten Extradosed-Brücke, bei der die Spannglieder außerhalb des Querschnitts des Fahrbahnträgers über einen niedrigen Pylon geführt werden und dadurch das Tragverhalten einer Schrägseilbrücke und einer Balkenbrücke kombiniert wird. Neben dem Seeton sei auch die Dehnung der 670 Meter langen Brücke und die Kombination mit zwei Rampen eine große Herausforderung gewesen. Aktuell, so Gehrmann, werde die Fahrbahn kugelgestrahlt, abgedichtet und versiegelt. Bis November solle der Straßenbau abgeschlossen sein. Über den Winter erfolge der Ausbau der Brücke mit allen Nebenanschlüssen.
Eine Teilfreigabe des Verkehrs kündigte Gehrmann für 2023 an. Die komplette Verkehrsfreigabe ist für 2025 geplant. Ab März 2023 soll der Anschluss der Brücke an die Rosenheimer Straße gebaut werden. „Die Pläne mussten noch einmal überarbeitet werden, damit der Verkehr über noch mehr Spuren abfließen kann“, so Gehrmann. Diesen Bereich passierten bis zu 20 000 Fahrzeuge täglich – ein Verkehrsaufkommen, das sonst nur auf Autobahnen gezählt werde, ergänzte der Bürgermeister.

