Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Irmgard Pross-Kohlhofer rettet Tiere aus Berlin

Ein Todesfall, zwei Sorgenkinder und ein Schmuggler: Was auf der Kolbermoorer Eselranch passiert

Freunde fürs Leben: Benny war der erste Esel von Irmgard Pross-Kohlhofer. Er ist inzwischen 23 Jahre alt und lebt mit zehn Artgenossen auf der kleinen Ranch der Kolbermoorer Eselfreunde.
+
Freunde fürs Leben: Benny war der erste Esel von Irmgard Pross-Kohlhofer. Er ist inzwischen 23 Jahre alt und lebt mit zehn Artgenossen auf der kleinen Ranch der Kolbermoorer Eselfreunde.

Die Herde der Kolbermoorer Eselfreunde hat sich verändert: Auf der kleinen Ranch gab es in den vergangenen Monaten einen Todesfall, zwei Sorgenkinder und einen Schmuggler. Was genau passiert ist und wie es weitergeht, erzählt Irmgard Pross-Kohlhofer von den Eselfreunden.

Kolbermoor – Noch stehen Nelly und Emil abseits der Herde. „Sie müssen erst noch sozialisiert werden“, erklärt Irmgard Pross-Kohlhofer, die „Mutter“ der Kolbermoorer Eselfreunde. Im April hat sie die beiden Eselkinder aus einer Haltung in Berlin geholt. „Die Leute wollten die Tiere abgeben. In die Großeselstute Nelly habe ich mich schon vom Foto her schockverliebt“, erzählt Pross-Kohlhofer. Als sie mit Eselfreundin Claudia Hofmeister in Berlin ankam, war sie ein zweites Mal schockiert, diesmal allerdings aus anderen Gründen: „Die Haltung war schon tierschutzrelevant“, berichtet Pross-Kohlhofer.

Zum Schutz gegen Wölfe eingesetzt

„Unter den Halftern war das Fell abgeschürft. Die Hufe waren so vernachlässigt, dass sie schon zu Schnabelhufen verformt waren. Die Tiere müssen über Monate Schmerzen gehabt haben.“ Doch die Esel, so erzählt sie, seien Weihnachtsgeschenke gewesen: „Und ein Tier als Geschenk? So etwas ist immer schlecht.“ Doch auch die Vorgeschichte der beiden war alles andere als schön: Zwergesel Emil wurde viel zu früh von seiner Mutter getrennt und aus einem Schlachthof gerettet. Nelly war in einem Wildpark zum Schutz gegen die Wölfe eingesetzt. „Auch wenn Esel zur Verteidigung schlagen und beißen, gegen Wölfe haben sie absolut keine Chance“, erklärt die Esel-Expertin.

Eselkinder brauchen medizinische Hilfe

In Kolbermoor angekommen, kümmerten sich Hufschmied und Tierarzt um die Beschwerden der Eselkinder. „Mit knapp drei Jahren sind sie noch Kinder“, erklärt Pross-Kohlhofer. Zwar gebe es keine Faustformel, um ein Esel- in ein Menschenleben umzurechnen. Nach ihrer Erfahrung könne man das Alter aber etwa verdoppeln. Damit wären Nelly und Emil also sozusagen sechsjährige Schulanfänger.

Wenn Tiere leiden, geht es auch ihren Haltern nicht gut. Nelly (links oben) und Emil sind bei den Kolbermoorer Eselfreunden jetzt endlich in guten Händen. Und auch „Schmuggler“ Paulchen genießt sein Eselleben in Schlarbhofen.

Inzwischen geht es den beiden schon viel besser. Die Eselfreunde haben sie liebevoll aufgenommen. „Sie suchen körperliche Nähe, möchten ankommen“, beobachtet Pross-Kohlhofer. Die Herde beschnuppert die Neulinge neugierig. Jeden Morgen und Abend beim Weidegang sind sie für etwa eine Stunde beisammen, natürlich immer unter Aufsicht, denn noch sind die zwei Berliner scheu und sehr schreckhaft.

Esel Mario musste eingeschläfert werden

In den vergangenen Monaten hat sich in der Schlarbhofener Eselfamilie viel verändert. Mario ist plötzlich verstorben. „Er war noch keine 16 Jahre alt, das war wirklich ein Schock“, beschreibt Pross-Kohlhofer. Plötzlich fraß er nicht mehr, drei Tage später musste er eingeschläfert werden. Bei der Obduktion stellten die Veterinäre fest, dass eine Leberzirrhose Magen und Hirn so stark geschädigt hatte, dass er nicht mehr zu retten war. „Es war nicht zu erkennen, dass er schwerkrank war. Mario war ein stiller Leider“, bedauert Pross-Kohlhofer den Verlust.

Zur Trauer bei Artgenossen und Eselsfreunden mischten sich Sorgen um die Zukunft der Herde. „Wir haben viele ältere Esel, brauchen aber auch eine junge, frische Generation, die unsere Touren mitgehen kann“, erklärt Pross-Kohlhofer. So kam das Rheinland-Pfälzer Paulchen hinzu – ein 16-jähriger „Schmuggleresel“, der das Wandern gewöhnt ist. Nelly und Emil komplettieren seit knapp vier Wochen die elfköpfige Herde.

Benny entfachte die Leidenschaft

Der älteste Eselfreund von Irmgard Pross-Kohlhofer ist Benny. Er war der erste Esel, den sie 2002 bei sich aufnahm. „Innerhalb eines Dreivierteljahres hatte ich dann schon sechs Esel“, beschreibt sie den Beginn einer Leidenschaft, die mit der Tierliebe schon in ihr ruhte und nach einer Internetrecherche ausbrach. „Ich weiß nicht, warum ich damals das Wort Esel in die Suchmaschine eingegeben habe“, sagt sie. Doch vermutlich war es Intuition, denn seitdem lebt sie für diese Tiere und gründete 2006 die Kolbermoorer Eselfreunde.

Wallach Benny ist heute 23, Zwergstute Marcella schon 25 Jahre alt. „Sie kam 2003 trächtig zu uns und eines Morgens war Tschortschi da“, erinnert sie sich an den 14. Juni 2003. Zur Feier seines 20. Geburtstages – oder in Menschenjahren des 40. – gab’s für ihn fruchtige Leckerlis, denn: „Er liebt Bananen- und Birnenhäppchen.“

Voller Vorfreude auf das Verwöhnprogramm ihrer Esel bereitet Irmgard Pross-Kohlhofer fruchtige Leckerlis vor. Zwergesel Tschortschi (rechts, Zweiter von links) wurde am 14. Juni 2003 geboren. Zum 20. Geburtstag gab es für ihn auf der kleinen Eselranch in Schlarbhofen eine Delikatesse: Bananenstückchen.

Als Sachverständige deutschlandweit unterwegs

Heute kümmern sich viele Paten ehrenamtlich um die Tiere. Zudem hat sich Pross-Kohlhofer ein so umfangreiches Wissen über Esel, ihre artgerechte Haltung und Erkrankungen angeeignet, dass sie heute deutschlandweit als Sachverständige des gemeinnützigen Vereins „Noteselhilfe“ und Seminarleiterin für Veterinärämter im Einsatz ist.

„Esel sind eine Randgruppe der tierischen Gesellschaft und werden völlig verkannt“, beschreibt sie ihre Motivation: „Sie sind als dumm und störrisch verschrien, weil viele Menschen ihr Verhalten nicht verstehen. Dabei sind Esel kluge, stille und sehr gutmütige Tiere mit einem sanften Wesen – vorausgesetzt sie werden artgerecht gehalten.“

Auch wenn der Esel im vergangenen Jahr zum „Haustier des Jahres“ gekürt worden ist, so der Rat der Expertin, solle man ihn sich nicht leichtfertig zulegen. „Die Haltung ist sehr anspruchsvoll und kann schnell überfordern“, erklärt Pross-Kohlhofer. Esel brauchen Artgenossen, viel Zeit, Aufmerksamkeit, Pflege und ausreichend Auslauf.

Sandiger Paddock in Schlarbhofen

Da die Wildformen aus den Halbwüsten und Bergregionen Nordafrikas und Vorderasiens stammen, ist ihr Energiebedarf an karge Nahrung angepasst. „Sie dürfen nicht den ganzen Tag auf energiereichen Wiesen grasen, das würde enorme gesundheitliche Probleme verursachen“, erklärt die Expertin. Deshalb bekommen die Tiere am Morgen und Abend ihre kontrollierte Weidezeit. „Im Frühjahr grasen wir an, im Herbst ab.“

Die meiste Zeit verbringen sie auf dem sandigen Paddock der kleinen Schlarbhofener Eselranch. Da Esel sehr gesellige Tier sind, bieten die Kolbermoorer „eselige Erlebnisse“ wie Touren und Wanderungen an. „Nur bei schönem Wetter, denn wir machen mit unseren Tieren nur Dinge, die ihnen guttun“, betont Pross-Kohlhofer. Wenn es regne, sauge sich das Fell der Tiere voll. „Dann könnten sie an einer Lungenentzündung erkranken.“

Zudem werden die Kolbermoorer Esel nicht geritten, sondern nur geführt, denn: „Ein Esel darf nur 20 Prozent seines eigenen Körpergewichts tragen“, erklärt die „Esel-Mutter“. Und das heißt konkret: Die absolute Obergrenze liegt bei 30 Kilogramm. Daher dürfen Kinder die Welt zwar auch mal auf dem Rücken der Esel genießen, aber eben nur ausnahmsweise und auch nur für ein paar Minuten.

Kommentare