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„Katastrophale“ Situation

Eggstätt geht das Geld aus: Was das für Bürger bedeutet – Gemeinde spielt letzten „Joker“ aus

Die Kita „Hartseewichtel“ (links), Bürgermeister Christoph Kraus (rechts, von oben), Bauamtsleiterin Regina Maier sowie Verwaltungsleiter und Kämmerer Johannes Halser
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Die Kita „Hartseewichtel“ dürfte die letzte große Investition der Gemeinde Eggstätt gewesen sein. Wie dramatisch die Haushaltslage ist, erläuterten Bürgermeister Christoph Kraus (rechts, von oben), Bauamtsleiterin Regina Maier und Verwaltungsleiter Johannes Halser in der Bürgerversammlung.

„Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, beschreibt Bürgermeister Christoph Kraus die finanzielle Situation der Gemeinde Eggstätt. Nichts geht mehr. Die Gemeinde spielt ihren letzten „Joker“ aus. Und auch die Bürger müssen mit Konsequenzen rechnen.

Eggstätt – Die Gemeinde Eggstätt muss ihr „Tafelsilber“ verkaufen, Kredite aufnehmen und Gebühren erhöhen. Nur so wird es möglich, auch künftig noch einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen. Ohne neue Investitionen, ohne Straßensanierung, ohne Zuschüsse für Ortsvereine. Nichts geht mehr.

„Wir fahren auf Verschleiß.“ Bürgermeister Christoph Kraus fand in der Bürgerversammlung deutliche Worte für die finanzielle Lage der Gemeinde. Und die ist nicht nur in „Daumenschrauben“ wie der Kreisumlage begründet. Die ist in Eggstätt auch hausgemacht: „Durch zu große und nicht zielgerichtete Investitionen wurden die Rücklagen der Gemeinde aufgebraucht“, betonte der Bürgermeister.

Kita „Hartseewichtel“ zu groß gebaut: Steigen jetzt die Elternbeiträge?

Prominentestes Beispiel: die Kindertagesstätte „Hartseewichtel“. Sie wurde für 4,7 Millionen Euro gebaut, bietet 74 Kindern Platz. Doch nur 34 Kinder werden betreut. Der Bürgermeister ist seit Oktober 2023 im Amt. Seitdem arbeitet er mit seiner neuen Verwaltungs-Crew die „Altlasten“ der Gemeinde auf. Und immer wieder gibt es neue. „Wir wissen nicht, wer diese Bedarfsplanung auf welcher Grundlage gemacht hat“, erläuterte Kraus. „Wir erwarten keinen Zuwachs, werden nie mehr als 25 einheimische und 25 auswärtige Kinder betreuen.“

Die Kita „Hartseewichtel“ wurde für 4,7 Millionen Euro neu gebaut und im Oktober ihrer Bestimmung übergeben. Sie ist für 74 Kinder gedacht, doch nur 34 Plätze sind belegt. Ob die 40 freien Plätze überhaupt gebraucht werden, ist nicht klar.

Die finanziellen Konsequenzen: Ist die Einrichtung nicht voll, kann es passieren, dass ein Teil der Fördermittel in Höhe von 1,7 Millionen Euro zurückgezahlt werden muss. Zudem gibt es den staatlichen Zuschuss für die Betriebskosten „kindbezogen“, im Falle der Hartseewichtel also für 34 statt 74 Kinder. Defizite muss die Gemeinde übernehmen, gerechnet wird mit 220.000 Euro pro Jahr. Erst im Januar waren die Elternbeiträge angehoben worden. „Ich rechne damit, dass wir sie nochmals erhöhen müssen“, kündigte der Bürgermeister an.

Alles muss auf den Prüfstand

Alle Positionen des Haushaltes müssen auf den Prüfstand. Die meisten Einnahmen der Gemeinde (2,34 Millionen Euro) stammen aus der anteiligen Einkommenssteuer ihrer Bürger und aus der Gewerbesteuer (1,3 Millionen Euro) der ortsansässigen Unternehmen. Hinzu kommen Gebühren. Dazu zählen unter anderem die Elternbeiträge, aber auch Gebühren auf der Grundlage von gemeindlichen Satzungen wie der Herstellungsbeitrags- oder der Entwässerungssatzung.

„Wichtig ist, dass wir uns an unsere eigenen Satzungen halten“, machte Bauamtsleiterin Regina Maier klar. In Eggstätt aber gebe es beispielsweise keine Unterlagen darüber, wer das Kanalsystem der Gemeinde nutzt. Darüber verschaffe sich die Verwaltung gerade einen Überblick und erstelle Rechnungen: „Und es wird bis zur Verjährung zurückgerechnet.“ Nur so sei eine Kalkulation für das Klärwerk möglich, das seit Jahren Defizite im sechsstelligen Bereich einfahre, fügte Verwaltungsleiter Johannes Halser hinzu.

Die Eggstätter hatten großes Interesse an der Bürgerversammlung. Bauamtsleiterin Regina Maier informierte über Zahlungspflichten für Kanalbenutzung oder Waldwege, über Pachterhöhungen, fehlende Mittel für Straßensanierungen und meinte: „Ich komme mir vor wie eine Spielverderberin.“

Mit „Geschenken“ aller Art ist Schluss. „Wir haben kein Geld mehr für freiwillige Leistungen oder Zuschüsse“, umriss der Bürgermeister die prekäre Lage. Laufende Projekte müssten abgeschlossen werden. Für neue fehle das Geld. So hat Eggstätt das seltene Glück, dass im Ensemble aus Kirchplatz 2 und 4 auch ein Bürgersaal für die Gemeinde entsteht. Doch für das Interieur dessen Rohbaus – also beispielsweise für Fußboden, Wandgestaltung, Bestuhlung, Beleuchtung oder Küche – fehlt der Gemeinde das Geld.

Gemeinde hat kein Geld für Waldwege und Straßen

Auch die Jagdgenossen sind künftig komplett auf sich gestellt. In einem Schreiben hatte die Bauverwaltung alle Waldbesitzer darüber informiert, dass nach Paragraf 54 des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes derjenige die „Straßenbaulast für nicht ausgebaute öffentliche Feld- und Waldwege“ trägt, dessen „Grundstücke über den Weg bewirtschaftet“ werden. „Wir können es uns nicht mehr leisten, privat genutzte Wege herzurichten“, betonte die Bauamtsleiterin. „Dafür ist einfach kein Geld mehr da.“ Die gängige Praxis, sich für den Wegebau Kies in der Kiesgrube über das „Kundenkonto“ der Gemeinde zu holen, wurde schon im vergangenen Jahr unterbunden.

Pachtzins wird abgehoben

Überarbeitet wird auch das Liegenschaftsmanagement. „Die Gemeinde verpachtet seit Jahrzehnten Flächen unter Wert“, informierte Regina Maier. Hinzu komme, dass darunter auch Ausgleichsflächen seien, die gar nicht verpachtet werden dürfen. Zugleich sei die Gemeinde selbst auch Pächterin – beispielsweise von Waldflächen. Den Grund dafür kennt keiner. Er konnte auch nicht ermittelt werden. „Man weiß es nicht“, so Maier.

Selbst im Tourismus scheint es Nachholbedarf zu geben. Tourismus-Chefin Julia Hausmann verwies auf unangemeldete Vermietungen, denen sie auf diversen Online-Plattformen auf die Schliche gekommen ist: Kur- und Fremdenverkehrsbeiträge, die in der Gemeindekasse fehlen.

Millionen-Loch im Verwaltungshaushalt

Eggstätt muss seine Einnahmesituation verbessern, um zu überleben. „Im Verwaltungshaushalt fehlt uns eine knappe Million Euro“, informierte Bürgermeister Kraus. Verwaltungsleiter Johannes Halser ging in die Tiefe, betonte aber, dass der Haushalt noch in einer frühen Entwurfsphase sei und weder im Finanzausschuss noch im Gemeinderat besprochen worden sei.

Bürgermeister Christoph Kraus erläuterte in der Bürgerversammlung, woraus der Haushalt einer Gemeinde gespeist und wofür das Geld ausgegeben wird.

Für einen ausgeglichenen Haushalt braucht die Gemeinde in diesem Jahr einen „Joker“, den sie nur ein einziges Mal ausspielen kann: „Wir müssen einen Kredit von etwa 1,1 Millionen Euro aufnehmen, aus unserer Rücklage weitere 963.000 Euro entnehmen und für etwa 200.000 Euro Anlagevermögen verkaufen, um den Haushalt ausgleichen zu können“, erläuterte Halser. Der Gemeinde ist es nicht möglich, eine Mindestrücklage zu bilden.

Dabei sollte die Zuführung zum Vermögenshaushalt mindestens so hoch sein, dass damit die Tilgung von Krediten gedeckt werden kann. Doch das Geld ist nicht da. „Das ist katastrophal. So kann es nicht funktionieren“, betonte Halser. Trotzdem müsse die Gemeinde auf diese Ausnahmeregelung in der Kommunalhaushaltsverordnung (Paragraf 22, Absatz 3 Satz 1 und 2) zurückgreifen.

Größte Einnahme kommt von den Bürgern

Die Gemeinde nimmt etwa 4,9 Millionen Euro aus Steuern, weitere 1,6 Millionen Euro aus Gebühren und Zuweisungen ein. Insgesamt liegen die Gesamteinnahmen des Verwaltungshaushaltes bei circa 7,65 Millionen Euro. Etwa 30 Prozent – 2,08 Millionen Euro – muss die Gemeinde als Kreisumlage an den Landkreis zahlen. Die Personalkosten liegen derzeit bei 1,7 Millionen Euro, könnten nach erfolgreichen Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst aber noch steigen.

Die Zuweisungen aus dem Verwaltungshaushalt unter anderem für die Kindertagesstätten liegen bei etwa 1,42 Millionen Euro. Versicherungen kosten 1,2 Millionen Euro pro Jahr. Für Fahrzeuge- und Gebäudeunterhalt sind 988.000 Euro eingeplant.

Letzte freiwillige Leistung? 1,2 Millionen für den Sportverein

Der Vermögenshaushalt umfasst 3,5 Millionen Euro. Darin enthalten sind unter anderem ein Kredit von etwa 1,1 Millionen Euro, erwartete Zuschüsse für den Kita-Neubau der Hartseewichtel von einer Million Euro, eine Rücklagenentnahme von 865.000 Euro und der Verkauf des „Tafelsilbers“ für etwas mehr als 200.000 Euro. Auf OVB-Nachfrage erläuterte der Verwaltungsleiter, dass es sich dabei um die Ablösesumme von Stellplätzen handelt.

Auf der Ausgabenseite stehen neben Kredittilgungen in Höhe von 260.000 Euro auch 160.000 Euro für den Brandschutz, 150.000 Euro für eine PV-Anlage auf der Kläranlage und die Zuführung zum Verwaltungshaushalt von 960.000 Euro. Die einzige „indirekte“ Investition der Gemeinde ist ein Zuschuss von 960.000 Euro für den ASV Eggstätt. Für Straßensanierungen oder andere Investitionen sind keine finanziellen Mittel vorhanden.

Mit 1,26 Millionen Euro unterstützt die Gemeinde Eggstätt den Neubau eines Funktionsgebäudes und Gymnastikraumes des ASV Eggstätt. Das könnte für viele Jahre die letzte freiwillige Leistung der Gemeinde gewesen sein.

Gemeinderatsbeschluss ist Basis für riesigen Zuschuss

Ein Bürger fragte nach, wieso die Gemeinde bei einer solch angespannten Finanzlage den ASV Eggstätt mit 960.000 Euro unterstütze und damit eine freiwillige Leistung finanziere. Er verwies auf den großen Investitionsstau bei der Feuerwehr, die zu den Pflichtaufgaben der Gemeinde gehört. „Das ist schon länger versprochen, der Verein braucht Planungssicherheit“, erklärte Bürgermeister Kraus.

Grundlage dieser freiwilligen Leistung sind Beschlüsse des Gemeinderates. In der Sitzung vom 17. September 2024 wurde eine Gesamtförderung von 1,26 Millionen Euro für den Neubau eines Funktionsgebäudes und Gymnastikraumes einstimmig auf den Weg gebracht – aufgeteilt in drei Posten: einen 2024er-Investitionszuschuss von 300.000 Euro, eine 2025er-Förderung von 960.000 Euro und eine Bürgschaft in Höhe von 250.000 Euro.

Gefahr einer Überschuldung

Verwaltungsleiter Johannes Halser warnte vor einer Überschuldung der Gemeinde. Der Schuldenstand wird Ende des Jahres 2025 voraussichtlich bei 5,8 Millionen Euro liegen. Das entspricht bei 2835 Einwohnern einer Pro-Kopf-Verschuldung von 2045 Euro.

Der Haushalt der Gemeinde wird in den kommenden Wochen im Gemeinderat beraten. Eine Beschlussfassung ist für Mai geplant. „Bekommen wir keine Genehmigung von der Rechtsaufsichtsbehörde des Landratsamtes, machen wir gar nichts“, so der Verwaltungsleiter.

„Zombie-Apokalypse“ und Dankesworte

Während die kritischen Berichte von Bürgermeister, Geschäftsleiter und Bauamtsleiterin „verwaltungsintern“ und mit einer gehörigen Portion Galgenhumor als „Zombie-Apokalypse“ bezeichnet wurden, dankten mehrere Bürger – darunter Josef Höck, der Beauftragte für Belange von Menschen mit Behinderung – dem Eggstätter Bürgermeister und der gesamten Verwaltung: für ihre „gute Arbeit, Freundlichkeit und schnelle Hilfe“.

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