Erfolgreiches Artenschutzprojekt
Die seltensten Einwohner von Bruckmühl: Elf Kiebitze sind hier daheim
Ohne die Hilfe des Menschen wäre der Kiebitz in der Region schon ausgestorben. So steht er zwar noch auf der roten Artenliste, aber die ersten Erfolge des Bayern-Projektes „Netzwerke für den Kiebitz“ sind sicht- und zählbar: In der Marktgemeinde Bruckmühl gibt es elf erwachsene Kiebitze.
Bruckmühl – Im vergangenen Jahr gab es allein auf den Höglinger und Weihenlindener Feldern drei Nester mit 16 Küken, aus denen sechs Jungtiere hervorgingen. Leider lauern vom Schlüpfen bis zum Flüggewerden zahlreiche Gefahren auf die jungen Vögel. Ohne die Hilfe der Landwirte würden sie es gar nicht schaffen.
Lebensraum ist selten geworden
Der Kiebitz bevorzugt offenes, flaches und feuchtes Dauergrünland, Wiesen, Weiden und Überschwemmungsflächen. Sein Lebensraum – das Feuchtgrünland – ist in Deutschland jedoch selten geworden. Wo Grünland umgebrochen wurde, kann man den brutplatztreuen Kiebitz auch auf Äckern antreffen. Meist brütet er dort aber ohne oder nur mit geringerem Erfolg. Zudem lauern dort auch für den Bodenbrüter Gefahren in Gestalt von Dachs, Fuchs und Marder. Überdies können Bussarde und Krähen den Tod für den Kiebitz-Nachwuchs bedeuten.en lauern zahlreiche Gefahren auf die jungen Vögel.
Besonderer Einsatz für gefiederte Gäste
Gleich vier Bruckmühler Landwirte – Georg Auer, Richard Fössmeier, Georg Pritzl und Georg Baumann - wurden jetzt vom Landkreis Rosenheim und dem Markt Bruckmühl ausgezeichnet, weil „sie sich für den Kiebitz besonders eingesetzt haben“, würdigte Bürgermeister Richard Richter: Sie haben Nester auf ihren Feldern entdeckt, gemeldet und sich um das Wohlergehen der gefiederten Gäste gekümmert.“
Margit Böhm von der Unteren Naturschutzbehörde im Landkreis Rosenheim schilderte dazu, dass fünf Nester auf einem Areal von 28,46 Hektar markiert worden waren. Die Landwirte richteten die Bewirtschaftung ihrer Felder entsprechend aus und schützten die Nester mit einem Zaun vor Beutegreifern. „Diese Zäune sind 30 mal 30 Meter groß, da der Kiebitz eine Lande- und Abflugfläche benötigt und dann die restlichen Meter zum Nest laufen will. Zudem hat der Zaun vier Litzen“, erläuterte Böhm.
Elf erwachsene Kiebitze sind aktuell in der Marktgemeinde Bruckmühl ansässig beziehungsweise haben hier ihre „Zweitwohnung“, da sie in anderen Gefilden überwintern.
Kiebitze können sich vielem anpassen, brauchen aber ihre eigene Struktur. Neben der „Start- und Landebahn“ zum Fliegen wird ein weicher Boden zur Aufzucht des Nachwuchses benötigt. „Drei Gelege gab es im vergangenen Jahr, daraus sind 16 Küken geschlüpft, sechs Kiebitze haben überlebt“, so Böhm. Die Landwirte halfen den Tieren dabei. So habe Georg Auer beispielsweise Wasser ausgefahren, damit die Kleinen mit den Schnäbeln besser nach Insekten picken können. „Bei hartem Boden haben sie keine Chance und verhungern“, schildert Bruckmühls Kiebitz-Betreuerin Katharina Schlegl-Kofler. Dafür sowie auch für das Ruhen eines Ackers gebe es staatliche Fördergelder. Beispiel: Wasser für Küken werde mit neun Euro pro Kubikmeter beziehungsweise 25 Euro pro Fahrt bezuschusst.
Bruckmühler Bauern sind vorbildlich
Die Bruckmühler Landwirte seien vorbildlich. So habe beispielsweise Richard Fössmeier seine Wintergetreide später angesät, da Jungtiere noch nicht flügge waren.
Zusammen mit Naturschutzwächter Dr. Jochen Seydel ist Schlegl-Kofler bei Fragen sofort zur Stelle, steht den Landwirten mit Rat und Tat zur Seite oder vermittelt Zaunbauer. Wichtig sei den Kiebitzen in guter Überblick, um nahende Feinde rechtzeitig zu sehen, erklärt sie. Außerdem bräuchte es blühende Säume (Böschung/Einfassung), flache Seigen und Feuchtflächen zur Nahrungssuche und Deckung. Dies habe sich gerade in Weihenlinden mit einer Wiese, die erst später gemäht wurde, wunderbar ergeben und „es war schön zu sehen, wie dieser Schutz von den Küken angenommen wurde“, so Schlegl-Kofler. Auch eine Zone – frei von Spaziergängern mit und ohne Hunde oder Wanderern und Radfahrern – sei ein wichtiger Indikator. Diese Fürsorge komme aber nicht nur dem Kiebitz zugute. Auch die gefährdeten Feldlerchen und Wachteln profitierten von dem Netzwerk-Projekt.
Laut Margit Böhm dient das Artenschutz-Projekt der Förderung des Kiebitzes in der Agrarlandschaft. Projektbeginn war im Landkreis Rosenheim im Jahr 2009 – damals noch unter dem Titel „Schutz der Kiebitze im nördlichen Landkreis Rosenheim“. Seit 2019 heißt das Programm nun BayernNetzNatur-Projekt „Netzwerke für den Kiebitz“ und erstreckt sich über die drei Landkreise Altötting, Rosenheim und Traunstein.
Dabei hat sich die Region um Wasserburg aktuell zur Kiebitz-Hochburg entwickelt. „Dort gibt es momentan wieder das größte Vorkommen. Doch auch im Mangfalltal wird der Vogel wieder heimisch. Und: Der Kiebitz ist standorttreu. Er kommt wieder dorthin zurück, wo er selbst geboren und aufgezogen worden ist sowie gute Bedingungen vorgefunden hat“, erklärt Böhm.
Dass das Netzwerk den kontinuierlichen richtigen Wege gehe, untermauerte die Behördenmitarbeiterin mit Fakten: Seit 2019 ist die Zahl der ausgewachsenen Kiebitze von 245 auf 271 gestiegen. Dafür müssten aber drei Ebenen so gut ineinandergreifen und sich unterstützen wie in Bruckmühl – die ehrenamtliche (Betreuer und Naturschutzwächter), die amtliche (Naturschutzbehörde im Landkreis) und die berufliche (Landwirte).
Für das aktuelle Jahr arbeiten die Ehrenamtlichen und das Landratsamt nun daran, Drohnen mit Wärmebildkameras einzusetzen, um so Gelege und Jungvögel besser zu entdecken. Hier arbeite man unter anderem mit dem Landesamt für Umwelt und der Wildtierhilfe Amerang zusammen.
Zudem soll der Lebensraum des Kiebitzes kontinuierlich weiter verbessert werden. In den kommenden Jahren ist dazu beispielsweise eine Bachaufweitung in Bruckmühl angedacht sowie das Prüfen von Grundstücken im Eigentum von Gemeinden, Bezirk Oberbayern, Landkreis, anderen Behörden und Kirchen. Auch Ausgleichsflächen könnte man für Kiebitze und Co. attraktiv gestalten. Denn eines ist nachweisbar: Kleingewässer für Lebewesen nehmen mehr und mehr ab.re
