Zu Besuch bei Unger Weine in Frasdorf
In dieser „dunklen, stillen Festung“ unter Frasdorf lagern seltene und begehrte Weine
Direkt an der A8-Ausfahrt in Frasdorf stehen zwei auf den ersten Blick unscheinbare Gebäude. Hier ist „Unger Weine“ beheimatet, ein Händler für hochwertige und teils teure Weine. Wir durften bis in die tiefsten Weinkeller des Unternehmens hinabsteigen und bekamen gezeigt und erklärt, was für Schätze dort teils lagern.
Frasdorf - „Mein Lieblingswein? Das ist, als würden Sie einen Vater fragen, welches sein liebstes Kind ist!“, antwortet Michael Unger mit augenzwinkernd gespielter Empörung, „Ich habe jetzt über die letzten Jahre zahllose Weine probiert. Teure und günstige. Verhältnismäßig junge und über 100 Jahre alte. Aber ich kann immer noch die Freude an einem guten Essen und dazu einem Glas von einem unspektakulären aber guten Tropfen genießen.“ Wir treffen ihn in den Räumlichkeiten von „Unger Weine“ in Frasdorf. Ganz in der Nähe der Autobahnauffahrt zur A8 finden sich die beiden Gebäude im alpenländischen Stil. Schon, wenn man sich vom Parkplatz auf dem Weg zum Hauptgebäude begibt, sieht man rasch die ersten Sicherheitskameras. Auch beim Einlass in das Gebäude blickt man erstmal in das Objektiv einer Kamera.
„Wir haben hier ja tatsächlich Werte eingelagert, da kommen manche Banken nicht ran. Auch viele Einheimische wissen nicht, dass sich unter unserem Gebäude, über eine einzige Treppe erreichbar, eine dunkle, stille Festung befindet, in der eine Vielzahl der seltensten und begehrtesten Weine der Welt lagert.“, so Unger, der zusammen mit seinem Bruder Wulf das Unternehmen führt, „Wie bei einem Finanzinstitut ist unsere Diskretion ein hohes Gut.“ Unser Rundgang beginnt dann im Hauptgebäude, in einem der Räume für Weinverkostungen. Rundum in Regalen stehen, wie Trophäen, die leeren Flaschen von vergangenen Veranstaltungen. Es ist eine regelrechte Parade der Namen hochwertiger Jahrgangsweine. „Alle Möbel hier und in den anderen Räumen sind exklusiv für uns angefertigt“, bemerkt Unger, „Wir können alle Räume zudem, je nach Kundenwunsch und Anlass, individuell anpassen beziehungsweise die Einrichtung in vielfältiger Weise arrangieren.“
Zu Besuch bei Unger Weine in Frasdorf: Händler beherbergt enorme Werte in Wein
Dann geht es in die direkt angrenzende „Bibliothek“, ein eher schmaler Raum mit Konferenztisch und einem hohen Regal mit alten Büchern entlang der Wand. Hier findet jedes Jahr eine ganz besondere Veranstaltung statt. „Unsere Weihnachts-Verkostung. Das ist mit eine der exklusivsten Veranstaltungen dieser Art. 30 Gäste bekommen Weine vorgesetzt, die speziell danach ausgesucht wurden, dass es sie so sonst nirgends mehr gibt. Dazu ein jedes mal ein fantastisches Menü, zubereitet von Spitzenköchen“, schwärmt Unger. Weiter geht es ins obere Stockwerk des Hauptgebäudes, hier sitzen an zahlreichen Schreibtischen Mitarbeiter und bearbeiten Kundenanfragen, recherchieren Weinangebote oder bearbeiten Abrechnungen. Der Blick geht zur Decke: „All das sind Dachbalken aus historischen Gebäuden aus dem gesamten Alpenraum“, berichtet Unger, „Wie auch viele der anderen Baumaterialien haben wir diese mit großem Aufwand organisiert.“
Es geht hinab, unter die Erde. Durch eine massive Tür hindurch geht es in den ersten der Weinkeller. „Sie merken schon, die Temperatur und Luftfeuchtigkeit hier drin sind merklich anders, wir haben entsprechende Technik verbaut, damit wir hier überall punktgenau kontrollieren können, was für eine korrekte Lagerung des Weins unbedingt notwendig ist!“ Das geht sogar so weit, dass die Anlage eine eigene Notfallversorgung hat, durch die sie für eine Woche autark beim Zusammenbruch des Stromnetzes weiterlaufen könnte. In jenem ersten Weinkeller nun werden angekaufte Weine eingelagert und verwaltet. „Alles was älter als 1970 ist, behalten wir für uns, beispielsweise für unsere eigenen Veranstaltungen, der Rest geht auf Anfrage in den Verkauf.“
Heute ein Betrieb der Superlative, die Anfänge dagegen waren bescheiden
Es geht weiter hinab, diesmal landen wir in einem großen Raum, welcher an ein Kirchengewölbe erinnert. In drei Ecken stehen wuchtige Holzfiguren, geschaffen vom Künstler Andreas Kuhnlein aus Unterwössen, die drei Mächte Kirche, Staat und Philosophie repräsentierend. In der Mitte einer lange Tafel. „Auch hier finden Verkostungen statt.“ Innerhalb des ohnehin gesicherten Raums findet sich noch einmal hinter einer vergitterten Tür ein Abteil. „Hier halten wir jeden Jahrgang Dom Pérignon für Kundenwünsche bereit.“ Dabei handelt es sich um eine berühmte und hochpreisige Champagnermarke von Moët & Chandon. Er wird seit 1943 hergestellt. Die Superlative reißen hier also nicht ab, aber wie hat es eigentlich alles angefangen?
1993 legten die Gebrüder Michael und Dr. Wulf Unger als Quereinsteiger los. Michael ist eigentlich Maschinenbauingenieur. Wulf verfolgte eine Karriere als Finanzjournalist. Los ging es im Elternhaus auf acht Quadratmetern Bürofläche. „Schon damals hatten wir allerdings einen seriösen Keller und den Anspruch hochwertiger Lagerung“, betont Unger. „Als wir angefangen haben, war unser modernstes Kommunikationsmedium ein Faxgerät. Ich weiß noch, wie meine Frau es mir damals ganz stolz vorgestellt hat, das wirkte damals wie Raumschiff Enterprise, Science Fiction. Oder als wir unser erstes Autotelefon hatten.“ Im Jahr darauf bauten sie ihren ersten 120 Quadratmeter großen Weinkeller. Fünf Jahre später folgten zwei weitere.
„Haben aus der Garage unserer Eltern heraus gearbeitet“
„Die Initialzündung für den eigentlichen Erfolg war ein Bericht über unsere Weine in der Zeitschrift ‚Essen und Trinken‘“, erinnert sich Michael Unger von Unger Weine aus Frasdorf. „Ich weiß noch, wie ich mit der Redakteurin telefonierte und fragte: ‚Mit wie vielen Bestellungen können wir da denn nun so rechne?‘ - ‚Um die 600 schätze ich‘. Das war für uns einerseits natürlich eine tolle Nachricht, andererseits mussten wir dem nun auch gerecht werden.“ Denn zu diesem Zeitpunkt steckte das Unternehmen noch in den Kinderschuhen. „Wir haben damals aus der Garage unserer Eltern heraus gearbeitet. Verpackt haben wir die Flaschen in Zeitungspapier und leere Windelkartons aus der elterlichen Apotheke, die unsere Mutter uns gebracht hat.“ 1999 ging es dann aus dem Elternhaus hinaus in die ersten angemieteten Büroflächen und auch die erste Mitarbeiterin wurde angestellt.
Fünf Jahre an Planungs-, Entwicklungs- und schließlich Bauzeit später entstand dann das heutige Hauptgebäude. „Wir bekommen häufig Komplimente dafür, wie gut wir dieses alte Bauernhaus restauriert haben“, sagt Unger, “Die Leute wissen gar nicht, dass wir es von Grund auf neu gebaut haben.“ Im Herbst 2015 folgte dann ein weiterer, der bis dahin umfangreichste Bauabschnitt, das ‚Zuhäusl‘. Dessen Umsetzung sei auf Grund der schwierigen geologischen Verhältnisse und des enormen Umfangs eine große Herausforderung gewesen. Entsprechend flossen viele Jahre der Vorplanung und zwei Jahre Bauzeit hinein. „Ich weiß noch, wie damals ein Einheimischer vorbeikam und das riesige Loch, welches in den Kalk- und Marmorstein gehauen wurde betrachtete. ‚Das ist fürs Militär!‘, beschloss er und konnte kaum glauben, dass so ein riesiger Aufwand für einen Weinkeller betrieben wurde“, erinnert sich Unger amüsiert, „Nun haben wir hier mehrere tausend Quadratmeter Lagerfläche unter der Erde.“
Bürgermeister: Gemeinde Frasdorf ist froh über den Betrieb
„An dieser Stelle muss ich übrigens ein großes Lob und Dank an Herrn Altbürgermeister Benno Voggenauer aussprechen, in dessen Amtszeit all das hier entstanden ist und mit dem wir damals und weiterhin mit der Gemeinde ein gutes Verhältnis pflegen.“ Das bestätigt auch Voggenauers Nachfolger Daniel Mair. „Es ist ein für uns ganz besonders wichtiges und schönes Gewerbe“, so das Gemeindeoberhaupt. Ich war damals schon in der Verwaltung tätig und habe die Entstehung der heutigen Räumlichkeiten miterleben dürfen. Unter anderem war ich auch bei Baustellenterminen mit dabei. Wie gesagt, es ist ein Riesen-Glücksfall für uns, dass Unger Weine dem Standort Frasdorf treu bleibt und zwei so schöne Gebäude nun den Ortseingang schmücken. Da ist eine beachtliche Menge an Liebe zum Detail hineingeflossen und die gesamte Gemeinde ist zweifellos stolz darauf. Und sie sind uns natürlich auch als gute Gewerbesteuerzahler lieb und teuer.“
Weiter geht es die Treppen hinab, hinein in quasi das „Allerheiligste“, in „Unger Weine - Der Keller“. Hier bietet das Unternehmen Kunden eine Langzeit-Lagermöglichkeit „auf dem denkbar höchsten Qualitäts- und Sicherheitsniveau“ an. „Wir sind hier mehr als zehn Meter unter der Erde und können, wie gesagt, dank modernster technischer Ausstattung die Lagerungsbedingungen perfekt kontrollieren. „Es ist ein bisschen wie bei einem Bankschließfach: Sie lagern hier immer nur kistenweise den Wein ein. Dieser wird nach einem speziellen Verfahren versiegelt, um klarzustellen das nichts entnommen oder hinzugefügt wird ohne dass das der Kunde will.“ Schier endlose Regalreihen ziehen sich in dem unterirdischen Lagerbereich hin, voll von unermesslichen Schätzen in flüssiger Form. Schließlich geht es wieder an die Oberfläche.
Wollen Frasdorf nicht verlassen
„Wenn ich nochmal von vorne anfangen würde? Dann würde ich glaube ich das meiste wieder genauso machen“, meint Unger, „Klar, Fehler und Stolpersteine gab es entlang des Weges, aber wir sind daran gewachsen.“ In der aktuellen Unternehmenskultur würden sie gleich als „Startup“ anfangen, vermutet er. „Eine richtige Entscheidung war zweifellos, zum einen schon früh den Fokus auf die ‚high end‘-Preisklasse zu legen. Zum anderen, von Printmedien auf Online zu wechseln. Unseren letzten gedruckten Katalog hatten wir 2004, nachdem wir zuvor lange Zeit parallel gefahren sind.“ Vor allem aber sei der frühzeitige Einstieg in das Spezialgebiet der „Bordeaux Subscription“ eine entscheidende Weichenstellung gewesen. „Schon 1998 hatten wir hier eine eigene Homepage, jetzt sind wir Marktführer.“
Was ist „Bordeaux Subskription“? - So erklärt es Unger Weine:
Eine bei Insidern und Weinliebhabern begehrte Art, in edle Weine zu investieren, ist die Bordeaux Subskription. Das ist ein Vorverkaufssystem, bei dem Weine direkt vom Chateau gekauft werden, bevor sie abgefüllt und ausgeliefert werden. Kunden haben dadurch die Möglichkeit, exklusive Weine aus dem Bordeaux in limitierten Mengen zu erwerben, bevor sie auf dem freien Markt verfügbar sind. Und das zu einem Preis, zu dem sie nie wieder erhältlich sein werden. In der Regel lagert man diese Weine dann für einige Jahre und mit dem Reifeprozess steigt nicht nur der Geschmack des Weines, sondern auch die Preise.
„Wir werden regelmäßig gefragt, warum wir unseren Sitz nicht in München, Berlin oder einer anderen Großstadt haben. Oder dort zumindest eine Filiale, ein Büro oder so etwas einrichten“, meint Unger, „Und meine Antwort ist immer: Schuster, bleib bei deinen Leisten und für uns ist das Frasdorf, wir bekennen uns klar zur Gemeinde.“ Sie hätten sich außerdem rasch gegen ein klassisches Ladengeschäft entschieden und vor Ort auch wenig Kundenverkehr. „Darauf sind wir einfach nicht ausgelegt. Natürlich können Sie gerne bei uns einen Termin vereinbaren, aber einfach vorbeischauen und stöbern ist leider nicht möglich. Wenn sie ein klassisches Ladengeschäft haben, sind sie ja außerdem in der Regel auf ihr unmittelbares und weiteres Umfeld angewiesen. Sie beschäftigen sich mit Fragen wie, auf welche Weise sie Laufkundschaft anlocken und so weiter“; meint Unger, „Wir arbeiten nun mit einer ganz anderen Reichweite und haben relativ früh begonnen, zu exportieren. Jetzt haben wir viele Kunden in den USA, Asien, der ganzen Welt.“ Die starke Konzentration auf das Onlinegeschäft ermögliche zudem einen Service und Betrieb rund um die Uhr, rund ums Jahr.
„Insgesamt ist unsere Gewichtung zum einen auf Endkunden, zum anderen auf den Export. Wir beliefern auch viel Spitzengastronomie weltweit aber es ist bei weitem nicht Hauptfokus beziehungsweise ein Standbein so, wie das bei anderen Unternehmen der Fall ist. Das ist uns zweifellos während Corona zu gute gekommen.“ „Der Weinhandel, speziell online, hat da natürlich davon profitiert, dass sich die Leute gesagt haben: Wenn wir schon zu Hause festsitzen, machen wir doch das Beste daraus und bestellen uns was gutes. Dieser Effekt ist natürlich inzwischen verpufft. „Wer unsere Kunden sind? Nun, sagen wir einmal zunächst einmal wohlhabende Menschen, die unsere Diskretion schätzen“, meint Unger, „Darunter viele Inhaber alter, gewachsener Familienunternehmen. Aber auch der ‚Otto Normalverbraucher‘ ist bei uns nicht falsch. Einerseits kann man bei uns die Flasche Wein für Weihnachten, die silberne Hochzeit oder wenn man seinen Chef beim gemeinsamen Abendessen beeindrucken will erwerben. Andererseits haben wir auch preisgünstige Geheimtipps und halten auch stets Ausschau nach Weingütern, die erschwingliche Preise aufrufen.“
Handelsverband: Mengenmäßig weniger Weinverkauf, aber hochpreisiger
„Es wird weniger getrunken, dafür darf es auch hochpreisiger sein“, fasst Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Bayerischen Einzelhandelsverbands die aktuelle Lage für Weinhändler zusammen. Er weist darauf hin, dass Deutschland weltweit an vierter Stelle der Wein konsumierenden Länder steht, nach Frankreich, den USA und Italien. „Bemerkenswerterweise ist der Anteil des Online-Handels für diese Sparte bei noch ‚nur‘ 13 Prozent. Gleichzeitig ist der Umsatz hier zuletzt jährlich um etwa sieben Prozent gestiegen. Insgesamt ist es so, dass diejenigen, welche Nischen füllen, überall schon früh in den Online-Handel eingestiegen sind, da man so natürlich ein breiteres Publikum erreichen kann, als das bei einem reinen Ladengeschäft der Fall ist. Gerade, wenn man wie in diesem Fall in einer eher ländlichen Region seinen Sitz hat.“
Ohlmann zeigt sich beeindruckt von der Homepage der Ungers: „Ich muss sagen: Alles richtig gemacht. Sie vermittelt Professionalität, man sieht sofort wo man Bestellungen aufgeben kann, die Optik ist ansprechend. Zwar haben inzwischen die meisten Geschäfte eine eigene Website, aber viele unterschätzen leider offenbar noch, wie sehr diese als Visitenkarte für ihr Unternehmen in unserem digitalen Zeitalter gerade für junge Kunden ins Gewicht fällt. Insgesamt hat sich, gerade in der Pandemie, bewiesen, dass es nicht mehr ohne ein Online-Standbein geht. Denn man muss dort sein, wo der Kunde ist.“ Auch sonst gibt es in der Region einige Beispiele, wie sich Fachgeschäfte mit einem Online-Standbein erfolgreich etablieren konnten, etwa in Rosenheim.
„Ganz essentiell ist klar unser tolles Team, ohne sie ginge das alles nicht. Unser dienstältester Mitarbeiter ist seit 22 Jahren dabei, andere seit 10 bis 15. Mit Fachkräftemangel haben wir glücklicherweise kein Problem und können unsere Leute auch halten“, betont Michael Unger abschließend, „Und das kommt nicht von ungefähr: Wir sehen uns als Familienunternehmen. Wir wissen, wenn jemand privat Probleme hat und kümmern uns dann. Wenn Druck ist, wenn Leistung gefragt ist, gibt es außerdem kurze Entscheidungswege, das ist sicherlich etwas, das uns auszeichnet. Übrigens sind alle hier Quereinsteiger, aber gleichzeitig leben wir das, was wir verkaufen. Jeder hier hat auch privat eine Begeisterung für Wein und gutes Essen, sonst könnten wir nie so gut unsere Arbeit machen.
hs




