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Rosenheim in Zeiten der Pandemie

„Zu sagen, wir hätten nichts falsch gemacht, wäre töricht“: OB März spricht über Lehren aus Corona

Corona-Regeln: Manchmal waren die Ausnahmen von der Regel ein Ärgernis, findet Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März.
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Corona-Regeln: Manchmal waren die Ausnahmen von der Regel ein Ärgernis, findet Rosenheims Oberbürgermeister Andreas März.

Anfang März 2020 erreichte Covid-19 Rosenheim. Damit begann für die Menschen in der Region ein Leben im Ausnahmezustand. Fünf Jahre danach zieht Oberbürgermeister Andreas März im OVB-Exklusiv-Gespräch eine Bilanz: Was hätte man lieber nicht tun sollen, was funktionierte, und was hat man gelernt?

Rosenheim – Das Starkbierfest vor sich, den Virus schon bei sich: Die kreisfreie Stadt Rosenheim war Ende Februar, Anfang März 2020 nur noch wenige Tage vom Ausnahmezustand entfernt. Schon aus Sorge um seine Stadt erlebte Oberbürgermeister Andreas März diese Zeit besonders intensiv mit. Mit dem OVB sprach er jetzt, fünf Jahre danach, über gelungene Gegenmaßnahmen, Pleiten und die Sorge um ein Rosenheimer Bergamo.

Vor fünf Jahren traten die ersten Corona-Fälle in der Region auf. Wie erinnern Sie sich an diese Zeit?

Andreas März: Es war eine außergewöhnliche Zeit. Und Gott sei Dank sind wir wieder ein bisschen gewöhnlicher geworden, auch wenn es auf der Welt außergewöhnlich zugeht.

Anfang März 2020 stand das Rosenheimer Starkbierfest bevor. Währenddessen häuften sich die alarmierenden Nachrichten. Was war das für ein Gefühl?

März: In der Region hatten wir den ersten Corona-Fall am 1. März. Und ein paar Tage später sollte das Starkbierfest beginnen. Wegen dieser paar Fälle ein ganzes Fest abzusagen, bei allem, was da dranhängt an Organisation, Warenbeschaffung und, und, und? Das steht nicht dafür. Der Preis ist zu hoch. Dieser Meinung waren viele. Ich auch. Heute würde ich wahrscheinlich anders entscheiden. Aber im Nachhinein ist man immer gescheiter.

Wissen Sie ungefähr, wie viele Allgemeinverfügungen Stadt und Landkreis erlassen haben?

März: Das ist eine gute Frage. Gefühlsmäßig kann ich mich erinnern, dass wir zweimal pro Woche andere Vorgaben bekommen haben. Das hier muss geschlossen werden, jenes darf wieder öffnen, dort darf man essen, da ist Maskenpflicht. Und immer mussten wir dafür eine Allgemeinverfügung schreiben und im Amtsblatt veröffentlichen.

Ein ganz schönes Regel-Wirrwarr.

März: Ja, Änderungen kamen oft mit dem Hinweis: Gilt ab Mitternacht. Das war in der Tat ein ganz schönes Dickicht und teilweise auch widersprüchlich. Es sollten Regeln gemacht werden, die möglichst für alle Menschen in allen Kommunen gelten. Wie es halt so ist, kommen dann aber viele Interessen ins Spiel und mit ihnen Menschen, die sagen, aber für mich trifft das nicht zu. Dann mussten wieder Befreiungstatbestände und Ausnahmen und Bedingungen reinformuliert werden. Das so umzusetzen, dass es dafür Verständnis gab, war schwierig.

Wie waren Ihre Befürchtungen für die Stadt Rosenheim?

März: Wir waren eine der am stärksten betroffenen Regionen in Deutschland, mit einem Schwerpunktversorgerkrankenhaus mitten in der Stadt. Wir fürchteten, dass wir ein Rosenheimer Bergamo (Anm. der Redaktion: Bergamo erlangte als früher Hotspot traurige Berühmtheit) erleben können. Haben wir Gott sei Dank nicht, weil die Kolleginnen und Kollegen in unserem Klinikum Tag und Nacht über sich hinausgewachsen sind, um dem irgendwie Herr zu werden. Im Nachhinein muss ich sagen, wir als Region, als Land vielleicht, sind im Ganzen besser weggekommen als andere, trotz dieser hohen Belastung.

Wären Sie dafür, dass die Politik die Corona-Epidemie gründlich aufarbeitet?

März: Ja, wir sollten das unbedingt aufarbeiten im Sinne von: Was ist zu tun, damit wir besser vorbereitet sind, was die Versorgung mit Medikamenten und die Versorgung der Menschen betrifft? Von einer Aufarbeitung, um einen Schuldigen zu suchen, halte ich wenig. Zu sagen, wir hätten nichts Falsches gemacht, wäre töricht. Selbstkritik braucht es immer, aber nicht, um Sündenböcke zu suchen, sondern Fehler im System. Es war schwierig. Expertenmeinungen gingen ja auch auseinander. Schnelles Handeln war das Gebot der Stunde.

Was hat sich bewährt? Und die Gegenfrage: Was hätte man sich sparen können?

März: Was sich auf alle Fälle bewährt hat, waren das Abstandsgebot und die Maskenpflicht. Was sich nicht bewährt hat, war das krampfhafte Suchen nach Ausnahme-Tatbeständen. Danach, wer vielleicht doch noch systemrelevant sein könnte, um seinen Laden oder sein Restaurant zu öffnen. Und dann diese Bewegungsbeschränkungen, die wir gehabt haben, mit diesen 15 Kilometern rund um Hotspots. Das hat sich nicht wirklich bewährt. Das Gebot der Stunde war damals, Leute, bleibt zu Hause, haltet Abstand und tragt die Maske. Solche Maßnahmen sind einfach zu verstehen und unmissverständlich und einfach zu sanktionieren. In solchen Ausnahmesituationen braucht es einfache Botschaften und klare Ansagen.

Was ist von den Schulschließungen zu halten?

März: Ich glaube, nichts hat die Eltern mehr erbittert, als die lieben Kleinen die ganze Zeit zu Hause zu haben. Für die Schulschließungen gilt im Prinzip Vergleichbares wie für uns Erwachsene. Man sollte sich nicht treffen oder man sollte Maske tragen. Natürlich kann man sagen, die Kinder vertragen solche Infektionen besser als Seniorinnen und Senioren. Aber in diesen Hochphasen war es sicher richtig, die Schulen und die Kitas zu schließen, weil die Kinder möglicherweise ihre Eltern und Großeltern angesteckt hätten. Aber natürlich ist das eine schwierige Situation für die Eltern.

Die Impfpflicht für Beschäftigte im medizinischen Dienst: Richtige Entscheidung oder doch eher diskriminierend?

März: Eine allgemeine Impfpflicht halte ich nach wie vor für richtig. Das würde dann eben auch alle Berufsgruppen mit einschließen. Spezielle Berufsgruppen rauszupicken, war wahrscheinlich nicht der klügste Weg. Auch wenn sie mit eben jenen vulnerablen Patienten arbeiten, die besonders gefährdet sind. Die allgemeine Impfpflicht wäre es gewesen, da kann keiner aus. In einer Krise braucht es eindeutige Entscheidungen.

Rosenheim war speziell, mit vielen Demos und relativ wenigen Impfwilligen. Wird der Riss, der sich da aufgetan hat, sich wieder schließen?

März: Ich glaube, dass die Zeit alle Wunden heilt. Aber es wird eine Narbe bleiben. Und es wird lange dauern, bis wir wieder einen deutlich respektvolleren Umgang untereinander gefunden haben werden. Die Kette der polarisierenden Themen reißt nach Corona ja nicht ab. Migration, Ukraine-Krieg, Reden mit Russland ja oder nein, Donald Trump gut oder nicht gut. Das hat alles Spaltungspotenzial.

Ein Rätsel bleibt: Warum hatte Rosenheim so viele Impfskeptiker? Und hat sie jetzt, in Zeiten von Grippe und RSV, wieder?

März: Das betrifft vor allem den Landkreis. Die Stadt Rosenheim ist gar nicht so schlecht in der Impfquote. Vielleicht liegt die insgesamt niedrige Impfquote in der Region daran, dass es mehr alternative Heilpraktiker gibt als klassische Mediziner. Vielleicht ist es auch so, dass sich viele Menschen bei uns in der Gegend leisten können, alternative Methoden auszuprobieren. Aber ich kann Ihnen tatsächlich nicht sagen, warum das speziell im Süden Oberbayerns so ausgeprägt ist. Natürlich erregt ein Oberzentrum wie Rosenheim, das infrastrukturell hervorragend angebunden ist, mehr Aufmerksamkeit, wenn da demonstriert wird. Wofür oder wogegen auch immer.

Wären wir auf eine kommende Pandemie besser eingestellt?

März: Ich habe schon den Eindruck, dass wir daraus gelernt haben, und dass wir schneller reagieren würden. Auch wegen der Infrastruktur, die wir damals aufgebaut haben, oft mit dem Landkreis zusammen. Mit dem gemeinsamen Impfzentrum und dem Testzentrum. Von staatlicher Seite habe ich den Eindruck, dass wir vorbereitet wären. Aber ob wir als Gesellschaft so nochmals Zurückhaltung üben könnten, was soziale Kontakte betrifft, und ob wir Einschränkungen der Bewegungsfreiheit hinnehmen würden: Da bin ich skeptisch.

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