„Die Arbeit bereitet uns unglaubliche Freude“
Vom Chiemgau in die Welt: Wie Landschaftsgärtner ihr Handwerk im Winter für Gutes nutzen
Sozialer Winter: Viele Gärtner in Süddeutschland haben das Glück, den Winter nicht arbeiten zu müssen. Einige Landschaftsgärtner am Chiemsee haben es sich anders überlegt und nutzen ihre Zeit auf besondere Weise.
Breitbrunn am Chiemsee – Winterzeit ist Ruhezeit. Da geht auch im eigenen Garten nichts mehr. Zumindest wenn mal wieder Schnee liegt. Das traditionelle Problem, oder besser Privileg, der Winterruhe kennen auch die Landschaftsgärtner. Bei einem richtigen Winter müssen sie Pause machen. Nicht aber die Ehrenamtlichen des Social Landscaping e.V..
„Als Landschaftsgärtner in Süddeutschland haben wir das Glück, einige Wochen oder sogar Monate im Jahr frei zu haben”, berichtet Georg Höfer aus Breitbrunn am Chiemsee und Gründer von Social Landscaping e.V.: „Ich habe mich gefragt, wie wir die Zeit nutzen und andere Menschen davon profitieren können.“ So ist die Idee des Sozialen Gartenbaus entstanden.
Spielplätze für zerrissene Dorfgemeinschaften
Den Grundstein hatte Höfer unbewusst bereits als Jugendlicher 2004 bei einem Freiwilligendienst in Sri Lanka gelegt. Nach dem verheerenden Tsunami half er mit, Spielplätze für die zerrissenen Dorfgemeinschaften aufzubauen. Viele Hilfsorganisationen vor Ort waren mit dem Wiederaufbau der essentiellen Infrastruktur beschäftigt. Das Projekt, an dem Höfer mitarbeitete, war nicht überlebensnotwendig für die Menschen in der Region. „Trotzdem empfand ich es als wertvoll den Kindern vor Ort einen Platz zum Spielen zu geben”, erzählt Höfer. Die Menschen hatten schwere Schicksale erlitten und die Freiwilligenarbeit half, Orte des sozialen Lebens wieder aufzubauen.
Ein sicherer Ort für Kinder
Knapp 15 Jahre später setzte Georg Höfer, im Winter 2018/19, das erste soziale Gartenbau-Projekt um: Mit Hilfe seines besten Freundes, der einen Verein zur Unterstützung von Freiwilligen-Projekten in Südafrika gegründet hatte. Zusammen mit drei Mitarbeitern von Höfers eigener Gartenbaufirma reiste er nach Kapstadt. In einem Sozialen Brennpunktviertel errichteten sie einen sicheren Ort, an den sich Kinder zum Spielen und Lernen zurückziehen können. „2021 haben wir selbst einen Verein gegründet, um uns unabhängig von anderen Organisationen machen zu können”, beichtet Höfer.
Ziel des Vereins ist es, jährlich mindestens ein Projekt in einem benachteiligten Land zu konzipieren und umzusetzen. Dieses Projekt soll den Menschen vor Ort Freude bereiten und sie auf ihrem Weg zu ihren Zielen unterstützen. Sämtliche Planungs- und Umsetzungsarbeiten werden ehrenamtlich durchgeführt.
Das letzte Unterfangen in Kolumbien, Anfang 2023, war für Höfers Team in mehrerlei Hinsicht besonders. In Cali gestaltete der Verein auf dem Gelände eines Kinderheims eine Außenanlage. Das Kinderheim betreut insgesamt 45 Mädchen im Alter von sieben bis 17 Jahren. Die Mädchen kommen aus schwierigen familiären Verhältnissen und haben teils Gewalt und sexuellen Missbrauch erfahren.
„Emotionale Achterbahnfahrt”
Die Idee für das Projekt stammte von einer 24-Jährigen Auszubildenden aus Georg Höfers Firma. Sie selbst stammt aus Kolumbien und ist in einem Kinderheim aufgewachsen. Mit 14 Jahren wurde sie adoptiert und kam so nach Deutschland. Über den Social Landscaping e.V. kam sie zurück nach Kolumbien und konnte ihre leibliche Familie ausfindig machen. „Das war eine emotionale Achterbahnfahrt für sie,” erinnert sich Höfer, „aber es hat ihr geholfen, wieder Verbindung zu ihrem Heimatland zu knüpfen.”
Barfußweg für Ruhpolding
Neben Projekten im Ausland konnte ebenfalls ein Konzept im Chiemgau umgesetzt werden. Für das Heilpädagogische Zentrum (HPZ) aus Ruhpolding wurde 2020 ein Barfußweg angelegt. Das Zentrum betreut rund 100 Kinder, mit zum Teil starken körperlichen und geistigen Einschränkungen. Der Schulleiter der St. Valentinsschule Ruhpolding des HPZ erinnert sich: „Wir haben für das Projekt damals auch unsere Mitarbeiter einbezogen. Es war schön, etwas mit seinen Händen im eigenen Garten zu gestalten”. Der Barfußpfad wird von den Schülern bis heute gut angenommen.
„Wir möchten die Vereinsarbeit in Zukunft auch mehr auf den lokalen Raum ausweiten”, so Georg Höfer. Das Problem sei nur, dass Projekte in Deutschland mit dem Tagesgeschäft konkurrieren, da nicht immer im Winter umgesetzt werden können. „Das Projekt in Ruhpolding haben wir an den Wochenenden umgesetzt”, so Höfer, „aber wir versuchen auch mit anderen Firmen zusammenzuarbeiten, um mehr regionale Einsätze ermöglichen zu können.“
Für die kommende Winterpause sind zwei Projekte geplant. Eins im Irak und eins in Kenia. „Die Arbeit bereitet uns unglaubliche Freude“, schwärmt Höfer. Die Kosten für die Reise und die Verpflegung vor Ort trägt der Verein. Die Arbeitszeit wird ehrenamtlich geleistet. „Daher ist es auch unglaublich wichtig, dass alle Freude an den Projekten haben. Sonst funktioniert es nicht.”
Jeder kann mithelfen
Mithelfen können nicht ausschließlich nur Landschaftsgärtner. „Jeder, der handwerklich begabt ist oder eine andere Fähigkeit mitbringt, die dem Projekt nutzt, kann sich bei uns melden.” Außerdem können Spenden geleistet werden. Mehr Informationen zu dem Verein finden Sie unter: https://social-landscaping.org




