Lesung von Petra Frey in Prien
„Sie werden lachen, es geht um den Tod“: Petra Frey über ihre Erfahrungen als Hospizhelferin
Die Schauspielerin, Autorin und Hospizhelferin Petra Frey stellt am Donnerstag (19. Oktober) in der Priener Bibliothek ihr neues Buch vor. Im OVB-Interview verrät sie, was für sie das Wichtigste bei dieser Arbeit ist, wie sie mit dem Tod umgeht und was sie Angehörigen rät.
Prien – Die Münchner Schauspielerin Petra Frey ist unter dem Künstlername Petra Auer vor allem aus dem Fernsehen bekannt. Vor mehr als zehn Jahren ließ sie sich zur Hospizhelferin ausbilden und begleitet seitdem Menschen auf ihrem letzten Weg. Einige ihrer Erfahrungen und Geschichten hat sie niedergeschrieben und mit „Lizenz zum Händchenhalten” bereits das zweite Buch über ihre Arbeit im Hospiz veröffentlicht. Auszüge davon liest sie am Donnerstag, den 19. Oktober in der Priener Bibliothek vor.
Frau Frey, neben dem Schauspielberuf arbeiten Sie als Hospizhelferin, ambulant sowie in der Palliativstation und begleiten Menschen vor deren Tod. Wann haben Sie sich das erste Mal mit dem Sterben auseinandergesetzt und was hat Sie dazu bewegt, eine Ausbildung als Sterbebegleitung zu machen?
Petra Frey: Als junge Frau hatte ich Krebs. Um das vorweg zu nehmen: Es war sehr wenig und konnte gut entfernt werden. Aber da ist es mir das erste Mal aufgefallen: „Ups, ich bin 23. Ich bin sterblich. Das kann ja wohl nicht sein!”. Erste Erfahrungen mit der Sterbebegleitung habe ich vor über 20 Jahren durch meine Mutter gemacht, die eine schwere Erkrankung hatte. Sie war damals sehr weitsichtig und meinte: „Wenn man alt wird und Schmerzen hat, wird man ungerecht. Das möchte ich nicht zu euch sein. Da gehe ich lieber ins Hospiz.” Wir als Familie konnten Sie begleiten. Das war eine unglaublich wertvolle Zeit. Es wurde auf ihre Bedürfnisse geachtet und nicht mehr nur auf das Krankheitsbild. Das hat mir imponiert.
„Mensch, es kann jeder Tag der letzte sein.”
Wie gehen Sie jetzt durch die Ausbildung und Ihre Erfahrungen mit dem eigenen Tod um?
Frey: Ehrlicherweise fällt mir der Gedanke schwer. Ich kann es auch noch nicht ganz glauben, aber es wird irgendwann mal passieren. Während der Ausbildung haben wir uns intensiv mit dem eigenen Sterben auseinandergesetzt. Wie es passiert und wann es passiert, wissen wir nicht. Aber den eigenen Tod zu reflektieren und mir zu überlegen, wo meine Ressourcen liegen, hat mir trotzdem viel Lebensqualität gebracht. Einfach genauer hinzuschauen und zu sagen: „Mensch, es kann jeder Tag der letzte sein.” Das gibt mir eine gewisse Gelassenheit im Alltag und es hilft es mir zu sagen: „Es gibt so viele schöne Dinge im Leben, lass den anderen Quatsch und reg dich nicht auf.”
Was ist Ihre Aufgabe, wenn Sie bei den Menschen zuhause sind? Was machen Sie in der Sterbebegleitung?
Frey: Ich mache keine pflegerischen Tätigkeiten. Dazu bin ich nicht ausgebildet. Vor Ort steht in erster Linie das Gespräch und die seelsorgerische Arbeit im Vordergrund. Ich schaue, was die Person gebrauchen könnte und auch die Familie. Wenn ich da bin, können auch die pflegenden Angehörigen die Zeit nutzen, um durchatmen zu können. Das Leben läuft weiter. Was ein großer Vorteil ist: Ich komme sehr objektiv ans Krankenbett. Ich habe mir angewöhnt, nicht zu bewerten und schaue, wo ich unterstützen kann. Meistens sind es nur die kleinen Dinge.
Sie begleiten viele Menschen in einer schweren Situation und sind teils auch mehrere Wochen bei den Sterbenden. Wie können Sie dabei Distanz halten?
Frey: Ich bin empathisch dabei, aber es ist nicht mein Angehöriger, der da im Sterben liegt. Das ist ganz wichtig. Natürlich leide ich mit und vergieße auch Tränen, wenn jemand stirbt, der mir ans Herz gewachsen ist. Aber trotzdem habe ich meine Familie und mein Privatleben bei mir und das kann ich die meiste Zeit gut trennen. Eine kleine Hilfe ist, dass ich mich in meiner Arbeit nicht duzen lasse. Dadurch kann ich auch eine gewisse Distanz wahren.
„Mein Tipp: Immer authentisch sein“
Als Angehöriger ist es schwer, seine Lieben im Sterben liegen zu sehen. Oft wird der Krankenbett-Besuch aufgeschoben, da man nicht weiß, wie man mit der Situation umgehen soll. Welchen Rat haben Sie für diese Menschen?
Frey: Mein Tipp ist immer authentisch zu sein und sich auch zu trauen, was falsches zu sagen. Ich glaube schlimmer ist es, nicht ehrlich zu sein. Nach dem Motto: „Das wird schon wieder. Du schaust doch ganz gut aus.” Man darf auch sagen: „Das ist echt schlimm, und ich weiß nicht, was ich sagen soll. Gibt es etwas, das ich für dich tun kann?” Viele Angehörige sind auch nicht aufgeklärt über den Sterbeprozess.
Wie läuft der Sterbeprozess ab?
Frey: Im Sterbeprozess ist es so, dass alles langsamer wird. Die Sinne schwinden deswegen aber nicht. Zum Beispiel hören die Menschen noch gut, auch wenn die Augen geschlossen sind. Der Körper schaltet alle Funktionen runter. Ein Organ nach dem anderen arbeitet weniger und der Körper versucht bis zuletzt das Herz am Schlagen zu halten. So kann etwa Essen nicht mehr so schnell verarbeitet werden, und die Menschen brauchen dann auch weniger.
Der Tod ist in unserer Gesellschaft für viele ein schwieriges Thema. Wie ist die Entwicklung bei der Akzeptanz von Hospizarbeit?
Petra Frey: Ich nehme die Entwicklung sehr positiv wahr, aber immer noch ein bisschen schleppend: Das Thema Tod und Sterben dürfte noch mehr nach außen getragen werden. Was ich oft erlebe ist, dass sowohl Patienten als auch Angehörige viel zu spät die Hilfe einer Begleitung in Anspruch nehmen. Das würde den Weg für viele erleichtern. Allerdings kann ich auch verstehen, dass man bis zum Ende alles versuchen möchte. Nur kommen die Menschen nach einer Krankenhaus-Odyssee so erschöpft ins Hospiz, dass ihnen leider nicht mehr viel Zeit bleibt.
„Ein bisschen wie Tinder“
Hospizhilfe kann in der Palliativstation, dem Hospiz oder auch ambulant im eigenen Haus in Anspruch genommen werden. Sie begleiten viele Menschen in ihren eigenen vier Wänden. Wie kommen diese Patienten zu Ihnen?
Frey: Die Sterbebegleitung ist ehrenamtlich. In meinem Fall werde ich von den Koordinatoren des Hospizvereins kontaktiert. Wenn die Menschen im Hospizverein anrufen, ist das Ihre erste Kontaktstelle. Denen erzählen sie, welche Unterstützung sie brauchen. Die Koordinatoren haben ein Portfolio von uns Helfern und ordnen die Hilfesuchenden dementsprechend einem von uns zu. Ein bisschen wie „Tinder”. Danach gibt es ein erstes Gespräch und im Anschluss legt jeder fest, ob man zusammenpasst. Es ist sehr wichtig, dass die Chemie stimmt.
Was bereuen die Menschen in ihren letzten Momenten und was haben sie persönlich daraus gelernt?
Frey: Zeit. Zeit wird bereut. Zeit für etwas verbraucht zu haben, bei dem man Rückblickend er kennt: “Das war es nicht wert”. Zeit beispielsweise mit dem falschen Lebenspartner, oder Zeit in unglücklichen Arbeitsstellen. Ich denke, dass Zeit unser wertvollstes Gut ist. Das hat mich die Hospizarbeit gelehrt
Jetzt haben wir sehr viel über wichtige, aber auch ernste Themen gesprochen. Sie begleiten die Sterbenden, wie sie auch in ihren Büchern beschrieben, oft mit viel Humor. Ihr neues Buch trägt den Untertitel: „Sie werden lachen, es geht um den Tod.” Haben Sie zum Abschluss noch eine lustige Anekdote?
Frey: Ich hatte eine alte, schwer kranke Dame. Sie kam nach vier Wochen auf der Palliativstation ins Hospiz und blieb dort für fast sieben Wochen. Das ist ungewöhnlich lange. Sie war ein wenig eine „Grand Dame” und wurde gerne bedient. Im Hospiz wurde sie versorgt und verwöhnt. Da hat sie sich sehr wohl gefühlt. Nach ein paar Tagen hat sie mir zugezwinkert und gesagt: „Die glauben, ich mach hier ne schnelle Fliege, aber die werden sich umschauen: Ich bleib hier schon noch ein bisschen. Hier gefällt es mir.”