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Im Berufungsverfahren

Bund Naturschutz unterstellt Kaniber „Spezlwirtschaft“: Naturwald an Kampenwand passend gemacht?

Im Rechtsstreit um den Neubau der Kampenwandseilbahn wirft Rainer Auer, Kreisvorsitzender des Bund Naturschutz (rechts unten), der Forstministerin Michaela Kaniber jetzt sogar „Spezlwirtschaft“ vor.
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Im Rechtsstreit um den Neubau der Kampenwandseilbahn wirft der Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz Rainer Auer (rechts unten), der bayerischen Forstministerin Michaela Kaniber jetzt sogar „Spezlwirtschaft“ vor.

Der Bund Naturschutz will den Neubau der Kampenwandbahn verhindern. Jetzt unterstellt BN-Kreisvorsitzender Rainer Auer der Forstministerin Michaela Kaniber sogar „Spezlwirtschaft“. Das sind seine Argumente.

Aschau im Chiemgau – Diese Sache habe nicht nur ein Geschmäckle, sagt Rainer Auer, der Rosenheimer Kreisvorsitzende des Bund Naturschutz. „Sie wirkt auf uns wie Spezlwirtschaft.“ In einer Pressekonferenz des Bund Naturschutz zur Kampenwandbahn am Dienstag, 18. Februar, kritisierte er, dass „das Ministerium von Frau Kaniber“ ausgerechnet in einem laufenden Verfahren die Begrenzung des Naturwaldes im Bereich der Kampenwand verändert habe.

Wo einst Naturwald war, ist jetzt keiner mehr

Und damit, so Auer, sei „nicht zufällig ein großes Problem für den Betreiber aus dem Weg geräumt worden“, denn: „Dort, wo Naturwald ist, sagt man einfach, das wäre jetzt kein Naturwald mehr. Und insofern ist es auch kein Problem mehr, dort eine Bahn zu bauen.“ Der Bund Naturschutz, so betont Auer, habe den Eindruck, dass „Hintergrundgespräche gelaufen“ seien und man „einfach das finanzielle Interesse des Betreibers vor den Naturschutz“ stelle. Und das sei eine Sache, „die Geschmäckle hat“.

Im November 2023 feierte der Bund Naturschutz mit seiner Klage gegen den Neubau der Kampenwandbahn noch einen Erfolg. Das Verwaltungsgericht München kippte die seilbahnrechtliche Genehmigung für den Neubau. Doch das Urteil wurde nie rechtskräftig, denn der Betreiber der Kampenwandbahn legte Berufung ein. Nun liegt der Fall beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof. Und der hat ernste Zweifel an diesem Urteil. Er hat die Berufung zugelassen und will alle Argumente noch einmal prüfen.

Sind Unterstellungen gute Argumente?

Doch so lange will der Bund Naturschutz nicht warten. Er stellt in einer Pressekonferenz Behauptungen auf, verteilt Schelten und wittert Vetternwirtschaft. Fakt sei, so erläuterte Annemarie Räder, Regionalreferentin beim Landesverband Bayern des Bund Naturschutz, dass die 2020 veröffentlichte Naturwaldkulisse mehrfach geändert wurde. Es sei aber auch „kein außergewöhnliches Verfahren“, dass die Grenzen im Nachgang noch verändert werden. Weil sie „ziemlich über Nacht“ veröffentlicht wurden und „die Kartenabgrenzung ziemlich grobflächig“ gewesen sei. Daher wäre es üblich, zu prüfen, ob „die Kulisse passt, ob die Datengrundlage passt“ oder ob man sich „vertan habe“.

Diese Karten zeigen die Bereiche, in denen es Überschneidungen der bestehenden Trasse (pinke Linie) und der 2017 genehmigten Neubautrasse (rote Linie) mit dem Naturwald gibt. Diesen Fehler von 2020 hat das Forstministerium jetzt bereinigt. Auf der unteren Karte sieht man den rot umrandeten Bereich, in dem der Naturwald (gelbe Linie) um etwa 200 Quadratmeter reduziert wurde.

An der Kampenwandbahn scheint der Bund Naturschutz diese Einschätzung aber nicht gelten zu lassen. Auch hier wurden 2022 die Naturwaldflächen zu grob und ungenau kartiert, wie das Ministerium für Forstwirtschaft auf OVB-Anfrage bestätigt. Diese Fehler wurden behoben: „Die fehlerhaften Überschneidungen der Naturwaldkulisse, also die Überlagerungen mit der bereits bestehenden Seilbahntrasse, wurden im Jahr 2022 und im November 2024 korrigiert.“

„Spezlwirtschaft“ oder Gesetz?

Die Korrektur erfolgte aber nicht, weil man dem Betreiber einen Gefallen tun wollte, sondern weil es dafür rechtliche Grundlagen gibt: „Die Behauptung, das Forstministerium hätte die Naturwaldkulisse zugunsten einer neuen geplanten Seilbahntrasse angepasst, ist falsch. Vielmehr ist die bestehende Seilbahntrasse rein rechtlich kein Wald, dort hätte demzufolge auch nie ein Naturwald ausgewiesen werden dürfen“, betont der Sprecher des Forstministeriums. Und auch wenn Rainer Auer „Spezlwirtschaft“ und „Gespräche im Hintergrund“ vermutet: „Bekannt wurde diese Überschneidung durch einen Bescheid des Landratsamtes Rosenheim vom 19. August 2024, im Nachgang der Klage des Bund Naturschutz vor dem Verwaltungsgericht“, gibt das Forstministerium Auskunft.

„Irreführende Behauptung verkehrt die Realität“

Die Familie Zbil als Betreiberin der Kampenwandseilbahn ist verwundert über die „irreführende Behauptung“ des Bund Naturschutz. „Damit wird die Realität verkehrt“, sagt Geschäftsführer Eric Zbil: „Der seit Dezember 2020 durch den Freistaat Bayern ausgewiesene Naturwald hatte schlichtweg die seit 1957 bestehende Trasse der Kampenwandseilbahn nicht ausreichend berücksichtigt, ebenso die seit 2017 genehmigte Erweiterung der Trasse für die neue Seilbahn nicht.“

Naturwald an der Kampenwand ist gewachsen

Diese Ungenauigkeit wurde nun beseitigt. Im Dezember 2024 seien vom Forstministerium 600 Quadratmeter aus dem Naturwald entnommen worden, behauptet der Bund Naturschutz. Diese Entnahme „wurde ausgeglichen, sogar um den Faktor zwei, was ja positiv ist“, erklärt Annemarie Räder. Das Forstministerium hat die richtigen Zahlen: „Die Korrektur der Naturwaldkulisse umfasst eine Größenordnung von rund 200 Quadratmetern, das ist nicht einmal so groß wie ein Tennisplatz“, erklärt ein Sprecher. „Der Naturwald wurde in doppelter Größe – also 400 Quadratmeter – ortsnah an anderer Stelle der rund 250 Hektar (2,5 Millionen Quadratmeter) großen Naturwaldkulisse Kampenwand ausgeglichen.“ Nach Adam Ries ist der Naturwald an der Kampenwand also größer geworden.

Funktionierende Koexistenz

Die Klage des Bund Naturschutz richtet sich aber nicht nur gegen mögliche Baumfällungen im Naturwald. Und es gehe auch „nicht nur um ein paar Bäume, sondern ums Große und Ganze“, betonte Räder. Wie viele Bäume für einen Trassen-Neubau oder für eine temporäre Materialseilbahn tatsächlich gefällt werden müssten, konnte sie allerdings nicht beantworten.

Auch das Artenschutzrecht wird im Berufungsprozess vom Bund Naturschutz wieder ins Feld geführt. „Die Verdreifachung der Beförderungskapazität von derzeit 450 Personen pro Stunde auf zukünftig über 1500 Personen wird das Birkhuhnvorkommen massiv stören“, begründete Rechtsanwältin Lisa Eberlein. Eric Zbil geht von einer temporären Steigerung der Fahrgastzahlen von zehn bis 15 Prozent aus. Zudem, so betont er, lenke die Bahn die Besucher so, dass die Natur geschont wird. „Die außergewöhnliche Tier- und Pflanzenwelt auf der Kampenwand ist ein Beleg für die funktionierende Koexistenz zwischen Naturwelt und der seit 68 Jahren bestehenden Kampenwandseilbahn“, so Zbil.

Sind Nachtfahrten unzulässig?

Finden auf der Sonnenalm Familienfeiern, Sonnenwend- oder Silvesterfeiern statt, bietet die Kampenwandbahn auch Nachtfahrten an. Nach Informationen von Eric Zbil wurden die „Zeiten, zu denen sie jahreszeitlich stattfinden dürfen, mit der Betriebsgenehmigung von 2022 eingeschränkt“. Auch dagegen will der Bund Naturschutz weiter vorgehen, um das Birkhuhn zu schützen. Anwältin Eberlein sprach von „79 genehmigten Nachtfahrten, die pro Jahr stattfinden, 14 bis Ende Juli, weitere 65 im Spätsommer und Herbst.“ Aktuell seien Nachtfahrten aber überhaupt nicht erlaubt, ergänzte Rainer Auer. Man befände sich in einem rechtsfreien Raum. Auf OVB-Anfrage stellte der Betreiber klar: „Diese Behauptung ist unrichtig – alle Fahrten der Kampenwandseilbahn entsprechen der aufrechten Betriebserlaubnis.“

Geht es wirklich um den Naturwald?

Ein bis anderthalb Jahre könne es dauern, ehe es eine Berufungsentscheidung gibt, schätzt Rechtsanwältin Lisa Eberlein ein. Dass es überhaupt zu einem Rechtsstreit gekommen ist, begründet sie damit, dass mit dem Betreiber der Kampenwandbahn kein Kompromiss möglich gewesen sei. „Der Betreiber will die Kapazität der Bahn ja faktisch überhaupt nicht erhöhen, aber es gibt keine kleineren Kabinen“, erläuterte Eberlein. Der Bund Naturschutz habe von ihm eine schriftliche Vereinbarung gefordert, in der eine Obergrenze für Tagesbesucher festgelegt und die Sonderfahrten auf Empfehlung der Naturschutzbehörde auf 20 und die zweite Jahreshälfte begrenzt werden.

„Darauf hätten wir uns vergleichsweise eingelassen“, betont Juristin Eberlein. Ziel sei es gewesen, die Kapazitätssteigerung schriftlich zu fixieren, „damit wir den Betreiber dann auch daran messen können“, betonte Rainer Auer. Auf die OVB-Nachfrage, ob bei einem solchen Vergleich der Naturwald dann keine Rolle mehr gespielt hätte, antwortet die Juristin: „Ein Kompromiss ist ja ein Vergleich. Beide Seiten machen Eingeständnisse, und das wären halt dann unsere Eingeständnisse gewesen.“

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