„Es braucht keine neue Hochgeschwindigkeitstrasse“
Hunderte machen ihrem Unmut Luft: Rohrdorf als Epizentrum des Protests gegen Brennernordzulauf
Rund 480 Teilnehmer demonstrierten in Lauterbach gegen den Brennernordzulauf. Sie erneuerten ihre Kritik am tatsächlichen Bedarf, den explodierenden Kosten und verwiesen auf Tricksereien bei einem anderen umstrittenen Infrastrukturprojekt.
Lauterbach - „Nur wenn wir gar nichts tun, haben wir wirklich schon verloren.“ Diese Überzeugung war der Antrieb von vielen der rund 480 Teilnehmern, die sich nach Zählung der Veranstaltung in Lauterbach zur Demonstration gegen den Brennernordzulauf zusammenfanden.
Berlin ist weit weg
Allerdings hörte man unter einigen auch eine gewisse Resignation: „Berlin, wo die endgültigen Entscheidungen getroffen werden, ist weit und schon im nördlicheren Bayern schwindet das Verständnis für unseren Widerstand. Dort denkt man, unser Antrieb sei das Sankt Floriansprinzip - Verkehr auf die Schiene ja, aber halt bitte nicht bei uns. Dabei sind wir in keinster Weise gegen die Bahn als Verkehrsalternative – wir sind nur überzeugt davon, dass es dafür keine zusätzliche Hochgeschwindigkeitstrasse braucht, die quer durch unseren Landschaft pflügt“.
Eine Befürchtung, die auch Andreas Fuihl von der Bürgerinitiative umtreibt. Er beklagt in seiner Eröffnungsrede, dass selbst bei den Grünen, die doch in der Vergangenheit immer für eine umweltgerechte Verkehrspolitik eingetreten seien, in der Frage Brennernordzulauf nur beschränkt Rückhalt zu finden sei. Und das, obwohl die Hauptargumente gegen das Projekt – etwa der nicht nachgewiesene Bedarf – nicht widerlegt seien. Aufgeben will man aber auch hier keinesfalls. Rohrdorfs Bürgermeister Simon Hausstetter brachte diese Haltung auf den Punkt: „Lauterbach und damit Rohrdorf bleibt ein Zentrum, wenn nicht sogar das Epizentrum des Widerstandes“.
Befürchtung eines finanziellen Desasters
Man wird, das war von allen Vertretern der Bürgerinitiative zu hören, in Zukunft dabei noch intensiver auf Sachinformationen setzen. „Das, was wir sagen, muss sachlich formuliert und von der Faktenlage her absolut wasserdicht sein“. Betonen wird man dabei auch Argumente, die nicht unmittelbar mit der befürchteten Landschaftszerstörung vor Ort zu tun haben und deshalb auch in anderen Regionen Deutschlands auf Verständnis stoßen könnten. Etwa die Kosten, die aktuell schon auf sieben bis zehn Milliarden Euro geschätzt werden, bei denen es, wie Andreas Fuihl meinte, nach aller Erfahrung aber nicht bleiben werde bei einem Projekt, dessen Verwirklichung zehn, vielleicht zwanzig Jahre in Anspruch nehmen wird. Die Befürchtung, dass auch der Brennernordzulauf zu einem finanziellen Desaster und einem Steuergeldergrab werden könnte, wie viele anderen Großprojekte der letzten Jahre, sei eben nicht zu der Hand zu weisen.
Setzen die Bürgerinitiativen bei ihren Informationen bewusst auf Sachlichkeit, so nehmen die Demonstrationsteilnehmer selbst kein Blatt vor den Mund. Und viele verweisen dabei auf den Film „Das trojanische Pferd“, der unlängst auch in Rohrdorf zu sehen war und sich mit dem Projekt Stuttgart 21 beschäftigt. Hier habe man gesehen – diese Äußerung war immer wieder zu hören – wie in der Politik getrickst und betrogen werde, um Projekte durchzusetzen. „Warum soll es beim Brennernordzulauf anders sein?“ war die kritische Frage.
Schwierige Bedarfsprognosen
Eine Hoffnung aber haben die Demonstrationsteilnehmer: Dass die Zeit für sie spielt. Und die Bedarfsvermutungen, auf denen das Projekt beruht, sich durch die tatsächliche Entwicklung immer mehr als falsch herausstellen. Die Coronakrise, der Ukrainekrieg, die fortschreitende Digitalisierung – das sind, so war von den Demonstrationsteilnehmern immer wieder zu hören, Entwicklungen, die jede bislang vorliegende Bedarfsprognose gegenstandslos machen.