Neumaier im Interview über Pläne in Region Rosenheim
Bahn-Chefplaner zur Brenner-Trasse: „Italien wird schneller sein als Deutschland“
Bahn-Chefplaner Matthias Neumaier bleibt dabei: In zwei Jahren will er dem Bundestag eine Vorzugstrasse für den Brenner-Nordzulauf präsentieren. Wo er noch Verhandlungsbedarf und Verbesserungen sieht, was er von Mahnstäben hält und wie ein Nachbar gerade baut, erzählt er im OVB-Interview.
Rosenheim - Hält der Zeitplan noch? Welche Änderungen an der Trassenplanung sind noch drin? Und was machen eigentlich die EU-Partner in Italien mit dem Brenner-Südzulauf? Wir fragten DB-Chefplaner Matthias Neumaier. Und der sprach im OVB-Exklusivinterview. Auch darüber, was er über die „Mahnstäbe“-Aktion am 4. März in der Region Rosenheim denkt.
Noch zwei Jahre bis zur Abstimmung im Bundestag: Wie weit sind Sie denn mit den Planungen zum Brenner-Nordzulauf?
Matthias Neumaier: Wir sind dabei, unsere Planungen zu verfeinern und ins Detail zu gehen. Für einzelne Bauwerke haben wir Varianten erarbeitet, nun sind wir dabei, diese Varianten unter die Lupe zu nehmen, und am Ende werden wir mit diesen Anpassungen die Trasse verträglicher gestalten. Wichtig dabei, dass wir vor Ort die Menschen einbeziehen. Die Anwohner, aber auch die Kommunen. Das ist wichtig für eine gute Lösung. Gegen Jahresende wird sich das in einer Variantenauswahl niederschlagen, in unserer Vorzugstrasse.
Vertreter der Bürgerinitiativen werfen Ihnen aber vor, dass sie eben nicht auf Augenhöhe einbezogen werden.
Neumaier: Es ist die Frage, wer sich nicht mitgenommen fühlt. Wir stehen sehr intensiv im Gespräch mit Bauämtern, den Kommunen und den Anwohnern vor Ort. Es geht um konkrete Lösungen vor Ort. Da sind unsere Planer unterwegs, das wird in dieser Form freilich nicht öffentlichkeitswirksam. Wir informieren nicht über jedes Gespräch mit Anwohnern oder Gemeinden. So kommt es vielleicht bei den Bürgerinitiativen nicht an. Diese konzentrieren sich oft auf die Frage des Bedarfs.
DB-Planer: Austausch mit den Anwohnern gehört fest zur Vorplanung
Um den „Ziach-Kaiser“, einen ziemlich bekannten Instrumentenbauer im Landkreis Ebersberg, soll die Trasse eventuell doch einen weiten Bogen machen, habe ich gehört. Ist das eine solche Feinabstimmung?
Neumaier: Ja, dieser persönliche und individuelle Austausch mit den Anwohnern ist fester Bestandteil der Vorplanung, in der der Streckenverlauf detailliert und vertieft geplant wird und ein wichtiger Teil unseres konkreten Dialogs „Planer vor Ort“. Dabei gilt: Der grundsätzliche Streckenverlauf steht fest. Wo es möglich ist, untersucht das Planungsteam technische Spielräume zur Optimierung, um individuelle Betroffenheiten zu reduzieren, aber im Detail gibt es noch keine Festlegungen. Der „Ziach-Kaiser“ ist jedenfalls nicht der einzige Punkt, wo wir über Lösungen reden.
Auch in unserer Region wird es Bedarf dafür geben.
Neumaier: Um im Landkreis Rosenheim zu bleiben: Wir sind in Stephanskirchen seit letztem Jahr in Vorplanungen. Wir führen lokal mit den Anwohnern Gespräche und versuchen, die Trassenführung zu optimieren. Dabei fließt unter anderem auch das geplante Wasserschutzgebiet ein. Der Schutz des Trinkwassers hat - ebenso wie der Schutz der Bebauung - eine sehr hohe Priorität in den Planungen der DB. Wir suchen nach Lösungen, mit der die Trinkwasserversorgung auch künftig sichergestellt ist. Für Stephanskirchen werden noch mehrere Streckenverläufe untersucht, bei denen das geplante Wasserschutzgebiet nicht beeinträchtigt wird.
Chefplaner: „Haben noch mehrere Hotspots“
Wo außer in Stephanskirchen ringen Sie noch um Lösungen?
Neumaier: Wir haben mehrere Hotspots. Wir haben Ostermünchen mit zwei Varianten, eine, in der der Bahnhof außerhalb neu gebaut wird, die andere mit Erhalt des bestehenden Bahnhofs im Ort. Nördlich von Rosenheim haben wir die Aufgabe, eine Lösung für die Brücke über den Inn zu finden. Westlich der Brücke ist ein Damm denkbar oder eine aufgeständerte Fahrbahn. Das sind Beispiele, es gibt entlang der Strecke viele Punkte. Ein wichtiges Thema sind andere Infrastrukturen. Wenn sich eine Straße und Eisenbahngleise kreuzen, gibt es mehrere Möglichkeiten. Man kann die Straße auf einer Brücke über die Gleise führen oder in einer Unterführung darunter hindurch. Wir stimmen solche Themen mit Gemeinden und Bauämtern ab. Am Ende ermitteln wir eine Lösung. Mensch, Natur und Umwelt spielen bei der Bewertung eine Rolle, wir legen aber auch wirtschaftliche Kriterien an.
Was können Sie über die Kosten sagen? Sieben Milliarden sollten es ursprünglich werden. Nun, durch Krieg und andere Faktoren, könnten die Kosten extrem steigen.
Neumaier: Diese Kostenschätzung erfolgte auf Basis einer sehr frühen Planungsphase. Die nächste Kostenaussage wird es mit Abschluss der Vorplanung geben. Die Kosten sind abhängig von den Ergebnissen der Vorplanung. Ein einfaches Beispiel: Wir haben noch nicht entschieden, ob wir zwischen Rohrdorf und Riedering eine offene Strecke haben oder einen Tunnel bauen. Das macht aber einen großen Unterschied.
Mehr Kosten, weniger Tunnel? „Reine Spekulation“, sagt Neumaier
Könnten die Kosten den Bundestag auf den Gedanken bringen, eine Lösung mit weniger Tunneln zu verlangen?
Neumaier: Das ist reine Spekulation. Wir haben ja seinerzeit gut begründet, warum die Trasse mit ihrem hohen Anteil an Tunneln die beste Lösung ist. Unsere Auswahl für den Landkreis Rosenheim hat wesentliche technische Gründe. Wir haben eine besondere Situation etwa im engen Inntal. Das ist der Grund, warum wir so viele Tunnel vorsehen. Die vielen Vorteile der Tunnel, etwa beim Thema Schall und Fläche, bilden sich übrigens, das möchte ich betonen, nicht in der Protestaktion am Samstag ab.
Inwiefern?
Neumaier: Es werden Markierungsstäbe entlang der gesamten Trasse gesetzt. Das erweckt den falschen Eindruck, dass die gesamte Trasse sichtbar und oberirdisch verlaufen würde. Mögliche Optimierungen, die wir prüfen, bleiben ganz unberücksichtigt.
Jedenfalls gibt es Widerstände und obendrein ziemlich viel zu checken und zu prüfen. Sind Sie überhaupt noch im Zeitplan?
Neumaier: Absolut. Die Bundestagesbefassung ist der nächste große Meilenstein. Und im nördlichen Abschnitt haben wir auch aufgeholt.
Ostermünchens Bahnhof: Entscheidung erst mit Ende der Vorplanung
Sie selbst erwähnten vorhin Ostermünchen und seinen Bahnhof: Gibt es eine Tendenz?
Neumaier: Wir müssen beide Lösungen durchplanen. Das geht nur, wenn wir eine komplette Vorplanung umsetzen.
Wozu brauchts das alles überhaupt? Die Gegner der Neubaustrecke werfen der Bahn vor, dass der Bedarf nicht nachgewiesen sei.
Neumaier: Das ist nichts Neues. Die Diskussion über den Bedarf wird sich ausschleichen, weil der Bund heuer seinen Bedarfsplan überprüft. Und diese Prüfung wird den Bedarf belegen – oder auch nicht. Die Ergebnisse müssen wir abwarten. Das Bundesverkehrsministerium hat Ergebnisse für Ende des Jahres angekündigt. Bis zum Ende der Vorplanung können wir detailliertere Angaben zu Kosten machen. Aus dem vom Bund ermittelten Nutzen und den Kosten ergibt sich Wirtschaftlichkeit.
Immer heißt es, es sollten Güter auf die Schiene verlagert werden. Wo werden denn die Terminals für die Verlagerung sein?
Neumaier: Da bin ich nicht der ganz richtige Ansprechpartner. Im Bundesverkehrswegeplan ist der Ausbau von Terminals abgebildet. So viel kann ich sagen: Bereits heute gibt es eine Vielzahl von Terminals. Ein großes Terminal steht in München, das ausgebaut und ergänzt wird. Auch an anderen Stellen, etwa in Augsburg und Regensburg wird investiert. Auch seitens des Freistaats gibt es eine Initiative für Ergänzungen.
Auch in Stephanskirchen gibt es eine „konstruktive Gesprächsgrundlage“, findet Neumaier
In Stephanskirchen hakt es. Dort können Sie die Kritiker nicht überzeugen, scheint es.
Neumaier: Überzeugungsarbeit kann man leisten. Insbesondere die wirklich von der Strecke berührten Bürger sind in den Planungsdialog eingestiegen. Es gibt eine konstruktive Gesprächsbasis. Wir reden, tauschen uns aus, stellen die Planungsergebnisse vor. In den Dialogforen, aber auch in den Gesprächen vor Ort. In einzelnen Gemeinden sind wir zugegebenermaßen nicht so ganz glücklich, weil Klagen anhängig sind und uns Unterlagen verweigert werden. Beispiel Verhinderung von Bohrungen: Je besser wir über den Untergrund Bescheid wissen, desto besser können wir planen. Weniger Bohrungen können also ein Nachteil sein.
Würden Sie das als Trotz bezeichnen?
Neumaier: Vor Ort gibt eine sehr laute Gruppe von Projektgegnern. Wir versuchen bestmöglich auf Sorgen einzugehen. So haben wir große Sorgen der Landwirtschaft wegen des möglichen Flächenverbrauchs. Aber wir haben darüber hinaus eine grundsätzliche Opposition, die das Projekt insgesamt ablehnt. Diese diskutiert nicht über das Wie, sondern über das Ob. Den Nutzen, den wir durch neue Gleise haben, konnten wir dort nicht vermitteln.
„Mehr Verkehr funktioniert nur viergleisig“
Versuchen Sie‘s bei mir.
Neumaier: Ganz klar ist – wenn der Brenner-Basistunnel in Betrieb ist, dann wird es mehr Verkehr geben. Es ist klar, dass wir weg müssen von der Straße. Aber der große Nutzen wird nicht gesehen. Nur mit zwei zusätzlichen Gleisen können wir den Deutschland-Takt halten, den Nahverkehr ausbauen, aber auch Güterverkehr auf die Schiene verlagern. Mit Bestandsausbau ist das nicht möglich. Es bringt nichts, durch Rechenspiele die Bestandsstrecke passend zu rechnen. Niemand würde sagen, die Kufsteiner Straße in Rosenheim wäre halb ausgelastet – nur weil nachts wenige Autos fahren. Nachhaltig mehr Verkehr funktioniert nur im viergleisigen Verkehr.
Warum funktioniert es denn dann zwischen München und Grafing mit zwei Gleisen?
Neumaier: In dem Bereich Trudering bis Grafing haben wir die Besonderheit, dass es dort keinen Halt für Regionalzüge gibt. Wir haben da einen Abschnitt von 20 Kilometern Länge, wo wir ohne unterschiedliche Geschwindigkeitsprofile auskommen. Das ist anders als zwischen Grafing und Kufstein. Dort fährt der Nahverkehr, der jeden Tag tausende Pendler nach Rosenheim, München, Salzburg und Kufstein bringt.
„Italien tut nichts? Stimmt nicht“
Was steht für Sie in nächster Zukunft an?
Neumaier: Die Arbeit in den Foren. Die nächste Runde ist im März. Da werden wir über unsere Planungsalternativen berichten. Heuer ist das Jahr der lokalen Planung, der Gespräche vor Ort. Wir haben nicht die großen Highlight-Termine. Zum Ende des Jahres soll die Vorzugstrasse dann stehen. Den Prozess des Einsammelns der Kernforderungen der Region an den Deutschen Bundestag haben wir gestartet. Wir haben angeboten, den Prozess zu begleiten. Die Landratsämter und die Stadt Rosenheim stehen da im Mittelpunkt.
Oberaudorfs Bürgermeister Matthias Bernhardt wird am Samstag (4. März) beim Protest der Trassengegner sprechen. Was können Sie ihm denn anbieten?
Neumaier: Wir stehen auch mit Oberaudorf in einem konstruktiven Dialog. Zwei Varianten gibt es für ein Thema, das Matthias Bernhardt grundsätzlich tangiert: Die Bündelung der Verknüpfungsstelle mit der Autobahn oder alternativ eine Bündelung an der Bestandsstrecke. Wir betrachten aktuell beide Varianten ergebnisoffen und suchen eine Lösung, die möglichst verträglich sein soll.
Vier Gleise in Bayern, wo die Italiener doch weiterhin nur zwei Gleise haben? Das bemängeln einige Trassengegner ebenfalls.
Neumaier: Die Behauptung ist schlichtweg falsch. Noch in diesem Frühjahr beginnt der Bau des Südzulaufs zwischen Franzensfeste und Waidbruck. Für die Umfahrung Bozen werden 2023 die Planungen abgeschlossen. Bei Trient soll die Umfahrung bereits 2027 fertig sein, in einer Wahnsinnszeit. Die Umfahrung von Bozen und die nördliche Einfahrt Verona sollen bereits 2031, die Umfahrung von Rovereto 2032 fertig sein. Was die Abschnitte dazwischen betrifft, sind die Italiener auf der Höhe unserer Planungen. Die haben einen klaren Plan für ein viergleisiges System mit einheitlichen Planungsparametern und Standards gemäß den europäischen Vorgaben für den Personenfern- und Güterverkehr. In Italien passiert nichts? Ganz im Gegenteil. Italien wird schneller sein als wir in Deutschland.