Alter Bahnhof und Bestandsstrecke sollen bleiben
Brenner-Nordzulauf: Tuntenhausen kämpft weiter gegen Deutsche Bahn - aber was bringt‘s?
Die Deutsche Bahn kann zum Brenner-Nordzulauf offenbar entscheiden, was sie will. Der Gemeinderat von Tuntenhausen bleibt dabei: Die Bestandsstrecke und der alte Bahnhof sollen erhalten bleiben. Doch wie stehen die Chancen?
Tuntenhausen – Es ist ein kräftezehrendes Tauziehen um die Heimat: Engagierte Bürger, Bürgerinitiativen im Brennerdialog Rosenheimer Land und der Gemeinderat Tuntenhausen setzen sich seit Jahren für Erhalt, Ertüchtigung und Auslastung der Bestandsstrecke und die Beibehaltung des Bahnhofs am heutigen Standort ein. Die Planer der Deutschen Bahn (DB) gingen darauf ein, stellten Alternativvarianten vor.
Kontroverse Entscheidungen
Nach ausführlicher demokratischer Debatte entschied sich der Gemeinderat für den Erhalt des alten Bahnhofs. Wenige Tage später wurde er von der Bahn überstimmt: Als „objektiv beste Variante“ entschied sie sich für einen neuen Bahnhof in Ostermünchen und eine vier- bis sechsspurige Neubautrasse. Die Bestandsstrecke zwischen Weiching und Haslau soll zurückgebaut werden.
Nun war der Brenner-Nordzulauf erneut im Gemeinderat. Diesmal ging es um die Kernforderungen für die parlamentarische Befassung im Deutschen Bundestag. Eine davon lautet: „Erhalt der bestehenden Bahnstrecke und des Bahnhofs Ostermünchen“. Sie wurde vom Rat einstimmig untermauert.
Basis sind demokratische Entscheidungen
„Diese Kernforderung basiert auf mehreren demokratischen Beschlüssen des Gemeinderates, also können wir sie nicht einfach fallen lassen“, erklärt Bürgermeister Georg Weigl auf OVB-Anfrage. Da sich die Deutsche Bahn aber für eine Verlegung des Bahnhofs und die vier- bis sechsspurige Neubaustrecke entschieden hat, ergänzten die Tuntenhausener ihre Kernforderungen – ebenfalls einstimmig: „Bei der Weiterplanung dieser Variante ist ein Personenaufzug im neuen Bahnhof zu berücksichtigen. Eine Einhausung oder Untertunnelung im Bereich Stetten-Sportanlage-Brettschleipfen ist zwingend notwendig. Der Rückbau des alten Bahndamms und der alten Strecke zwischen Ostermünchen und Haslau durch die Deutsche Bahn soll auf Grundlage eines städtebaulichen Konzepts der Gemeinde erfolgen, das die DB finanziert.“
Bis Ende Januar werden die Kernforderungen im Landkreis Rosenheim zusammengefasst und finalisiert. „Dann nimmt das Planungsbüro der Deutschen Bahn eine Bewertung vor, bei der es vor allem um die Kosten geht“, erläutert der Bürgermeister.
Ein Vorab-Kostencheck
Doch wie könnte dieser Kostencheck ausfallen? Ein Blick auf die Aussagen der Planer aus den vergangenen Monaten: Die Argumente der Tuntenhausener für Einhausungen, Untertunnelungen oder Trogbauweise sind „Reduzierung des Verbrauchs landwirtschaftlicher Flächen, Schutz der Anrainer und Erhalt der Sportanlage“. Den Auftrag der Bahn brachte Dieter Müller, als Projektabschnittsleiter für die Planungsabschnitte Grafing-Ostermünchen und Ostermünchen-Innleiten verantwortlich, schon im Juni vor dem Tuntenhausener Gemeinderat auf den Punkt: „Es gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit.“
Wenn schon ein neuer, barrierefreier Bahnhof gebaut werde, solle er über einen Personenaufzug verfügen, fordert der Gemeinderat. Momentan sehen die Planungen vor, dass Menschen mit körperlichen Einschränkungen die Gleise über zwei jeweils 250 Meter lange Rampen erreichen. Ein Aufzug ist bislang nicht geplant.
Aufzug oder Rampe – es gibt nur eine Variante
Welche Regeln diesbezüglich bei der Deutschen Bahn gelten, erläuterte Johann Ramstötter vom DB-Bahnhofsmanagement erst kürzlich bei einem Vor-Ort-Termin am Kolbermoorer Bahnhof. Hier hatte Inklusionsbeauftragte Veronika Gmeiner darauf aufmerksam gemacht, wie beschwerlich es für Rollstuhlfahrer ist, die etwa 90 Meter lange Rampe mit einem Anstieg von sechs Prozent und zwei Zwischenpodesten zu erklimmen. Aber: „Sechs Prozent Steigung sind regelkonform und in jedem deutschen Bahnhof so umgesetzt“, erklärte Ramstötter in Kolbermoor. Zudem gebe es entweder einen Aufzug oder eine Rampe, denn: „Wir bauen mit öffentlichen Geldern.“
Grundsätzlich dürften Aufzüge aus Kostengründen nur dort gebaut werden, wo der vorhandene Platz für eine Rampe mit sechsprozentiger Steigung nicht ausreiche. Zurück nach Ostermünchen: Der Platz für zwei 250 Meter lange Rampen ist vorhanden. Ein Aufzug ist aus Kostengründen also eher unwahrscheinlich.
Konzept für Rückbau der Strecke
Die Bahn hat auch entschieden, dass die Bestandsstrecke auf einer Länge von etwa vier Kilometern zwischen Weiching und Haslau zurückgebaut werden soll. Ihr Argument: „Das schafft Potenzial für die städtebauliche Entwicklung.“ In der August-Sitzung des Gemeinderates erläuterte Planer Dieter Müller, dass noch nicht klar sei, wie die alte Strecke zurückgebaut werden solle, da es dafür noch keine Pläne gäbe. Nun fordert die Gemeinde, dass die Bahn alle Kosten übernimmt – sowohl für das städtebauliche Konzept als auch für Rückbau und Sanierung.
Weitere Kernforderungen sind die Innunterquerung, die weitestgehend unterirdische Streckenführung nördlich von Rosenheim und die Verschiebung der Verknüpfungsstelle Ostermünchen nach Norden. „Das ist im Verlauf der Planungen bereits erfolgt, die Verknüpfung ist jetzt im Bereich Weiching geplant“, informierte der Bürgermeister.
Prüfverfahren vor Debatte im Bundestag
Sobald die Liste der Kernforderungen vorliegt, erarbeitet die Deutsche Bahn auf Grundlage der „Bedarfsplanumsetzungsvereinbarung“ (BUV) für jede Forderung eine Bewertung. Nach Informationen der Bahn gibt das Planungsteam dabei eine fachliche Einschätzung zur technischen Umsetzbarkeit, zur Vereinbarkeit mit den verkehrlichen Zielen sowie zu den voraussichtlichen Kosten ab.
Danach erstellt die DB die Unterlagen für die Bundestagsbefassung. Diese beinhalten neben der Vorzugsvariante auch einen Bericht über die frühe Öffentlichkeitsbeteiligung, zu der die Kernforderungen gehören. Die DB übergibt die Unterlagen an das Eisenbahn-Bundesamt zur Prüfung. Das Eisenbahn-Bundesamt leitet diese mit einem Prüfbericht an das Bundesverkehrsministerium weiter. Dieses legt dem Bundestag schließlich die Vorzugsvariante sowie die „Kernforderungen“ vor.
Dann folgt die „parlamentarische Befassung“, die für das Jahr 2025 geplant ist. Der Deutsche Bundestag entscheidet über die Finanzierung der Vorzugsvariante und der Kernforderungen. Der nach Informationen der DB wichtigste Aspekt: „Das Projekt muss insgesamt wirtschaftlich bleiben und die verkehrlichen Ziele erfüllen.“
