135 Rettungskräfte von acht Wehren im Einsatz
Brand im Herzen von Beyharting: So alt sind die Kinder, die das Feuer entzündet haben
„Das ist kein warmer Abriss“, sagt der Besitzer des ehemaligen Gasthofs „Zur Post“ in Beyharting. Am Dienstagabend (10. Oktober) stand das Gebäude im Ortszentrum in Flammen. Drei Kinder haben den Brand verursacht. Wie alt sie sind und wie die 135 Feuerwehrleute den Einsatz erlebt haben.
Tuntenhausen – Der Abend des 10. Oktober sollte eigentlich ganz anders verlaufen. Die Gemeinde Tuntenhausen hatte eine Großübung der Feuerwehren angesetzt. „Brand eines landwirtschaftlichen Anwesens in Lampferding“ sollte Punkt 19 Uhr die Alarmierung lauten. Ziel war es, das Zusammenspiel der Feuerwehren von Lampferding, Ostermünchen, Tuntenhausen, Rott am Inn und Emmering zu trainieren. Der Beyhartinger Kommandant Florian Huber war nur als „Manöverbeobachter“ eingeladen. Doch am Ende war er es, der einen echten Großeinsatz von 135 Rettungskräften von neun Feuerwehren, Rettungsdienst und Polizei leitete.
Es ist 18.10 Uhr, als Beyhartinger Bürger die Rettungsleitstelle informieren: Aus dem Dach des einstigen Gasthofes zur Post dringt dicker Rauch. Wenige Minuten später ist die Beyhartinger Feuerwehr mit 17 Kameraden vor Ort.
Kurz darauf treffen Feuerwehren aus Mietraching, Bad Aibling, Bruckmühl, Schönau, Tuntenhausen, Ostermünchen, Kolbermoor und Rosenheim ein, außerdem Polizei und Rettungsdienst. Ein Riesenaufgebot: Insgesamt sind 135 Rettungskräfte mit 24 Fahrzeugen im Einsatz. Alle Zufahrtsstraßen sind gesperrt, denn der Einsatzort befindet sich im Herzen Beyhartings.
Brand ist im ersten Geschoss ausgebrochen
Hinter einem Fenster im ersten Obergeschoss lodern die Flammen. Sie fressen sich über das zweite Geschoss und den Speicher bis unters Dach. Im historischen Gebäude ist viel Holz verbaut. Die Balkenlager der Fehlböden und ihre Füllungen sind ein gefundenes „Fressen“ für die Flammen. Die Feuerwehren löschen vom Boden und über die Drehleitern aus Bruckmühl und Bad Aibling auch aus der Luft.
Acht Atemschutztrupps sind im Einsatz. Damit ihnen die Luft nicht ausgeht, wurde aus Rosenheim der Gerätewagen Atemschutz alarmiert. Matthias Koch und Michael Weichinger von der Aiblinger Wehr sind völlig außer Atem, als sie nach 20 Minuten wieder am Boden landen. „Das schwierigste ist es, mit dem Einreißhaken die Dachplatten abzunehmen“, beschreiben sie den kräftezehrenden Einsatz unter der Atemschutzmaske.
Mit einem Blick zum Dach wird klar, was sie meinen. Jetzt schweben andere Kameraden in der Kanzel der Drehleiter über dem Brandherd. Mitten im Rauch versuchen sie, die Dachziegel zu entfernen. Die Flammen schlagen aus dem Dach. Auf der Nordseite löschen die Bruckmühler, im Süden die Aiblinger.
Die drei Zwölfjährigen stellen sich der Polizei
Kolbermoorer Kameraden unterstützen den örtlichen Kommandanten. Die Abschnittsleiter treffen sich regelmäßig zu Lagebesprechungen. „Wir können erst ins Gebäude, wenn die Flammen gelöscht sind und das Dach rauchfrei ist“, erklärt Kommandant Huber dem OVB. Normalerweise ist der alte Gasthof schon seit Jahren unbewohnt. Trotzdem ist nicht sicher, ob sich Menschen darin befinden. Drei Kinder haben sich rechtzeitig aus dem Gebäude gerettet, wurden von den Sanitätern versorgt. Danach stellen sich die Zwölfjährigen der Polizei: Sie haben das Feuer verursacht. Mit dem Ausmaß, das ihre Zündelei annehmen würde, rechneten sie wohl nicht.
Schließlich können Atemschutzgeräteträger aus Beyharting, Tuntenhausen und Ostermünchen erstmals die Lage im Gebäude erkunden. Das Licht der Taschenlampen verrät, wo sie sich gerade befinden. Mit Wärmebildkameras suchen sie nach Brandnestern. Dann ist endlich klar, dass sich niemand im Gebäude befand, es tatsächlich keine Opfer gibt. Die Anspannung fällt ab. Jetzt sieht man die Kameraden lachen, werden die Löscharbeiten zur einsatztaktischen Routine, auch wenn sie für die Retter lebensgefährlich bleiben.
„Das erste Obergeschoss ist untersucht, das zweite ist nicht begehbar“, melden die Abschnittsleiter. Die Decken zum zweiten Obergeschoss sind durchgebrannt. Es besteht Einsturzgefahr - vor allem im Bereich der ehemaligen Metzgerei. Auch die Brandermittler der Kriminalpolizei dürfen das Gebäude am Abend noch nicht betreten.
Kurz nach 20 Uhr vermelden die Einsatzkräfte auf der Südseite des Einsatzortes im Bereich des Dachbodens noch etwa 28 Grad Celsius. Im nördlichen Abschnitt werden 40 Grad gemessen. „Das gefällt mir noch nicht“, entscheidet der Kommandant. Im Norden wird das Gebäude über die Drehleiter weiter mit Löschwasser gekühlt. Im Süden werden Dach und darunterliegende Etagen von der Drehleiter aus noch einmal genau kontrolliert.
Nach vier Stunden ist Gefahr gebannt
Gegen 20.30 Uhr wird der Einsatz langsam zurückgefahren, Löschwasserleitungen zurückgebaut, erste Wehren zur Brotzeit geschickt. 21.45 Uhr sind nur noch die Beyhartinger vor Ort. Sie übernehmen die Brandwache. Gegen 22.30 Uhr ist der Einsatz beendet.
Drei Stunden lang haben 135 Kameraden aus acht Wehren Höchstleistungen vollbracht und bewiesen, wie gut die Teamarbeit im Ernstfall funktioniert. Begleitet und beobachtet wurden sie dabei von Bürgermeister Georg Weigl, einer Vielzahl von Kreisbrandinspektoren und -meistern des Landkreises Rosenheim sowie der Bevölkerung.
Auch Konrad Lichtenegger ist vor Ort. Er hat den alten Gasthof vor Jahren erworben und wollte hier ein Projekt mit 45 Wohnungen und einer kleinen Gaststätte verwirklichen. „Ich war es nicht. Das ist kein warmer Abriss“, stellt er klar. Das Gebäude war größtenteils schon entkernt, ohne Strom und Heizung. „Es war auch verschlossen“, betont der Ayinger und erzählt, dass es immer wieder Vandalismus und Diebstahl gegeben habe. Vor einem Jahr sei sogar die Gastroküche aus dem Gebäude entwendet worden.
So wie alle, die an diesem Abend die Löscharbeiten am alten Gasthof verfolgen, kennt auch Lichtenegger bereits die Brandursache: vorsätzliche Brandstiftung. „Es waren drei Kinder im schuldunfähigen Alter“, informiert Stefan Sonntag vom Polizeipräsidium Oberbayern Süd. „Sie haben sich unmittelbar nach Brandausbruch bei den Polizeibeamten vor Ort gestellt.“ Der entstandene Sachschaden liege laut einer ersten Schätzung im fünfstelligen Bereich.
„Das hätte es nicht gebraucht“, sagt der Besitzer des Gebäudes. Zwar wäre der alte Gasthof irgendwann sowieso abgerissen worden. Doch nun, so schätzt er, werde alles noch viel teurer und aufwendiger. Die Versicherungen müssten klären, wer den Schaden übernimmt. Das Gebäude sei kontaminiert. Jetzt werde für die Entsorgung ein qualifiziertes Schadstoffgutachten gebraucht, denn Brandabfälle seien nicht nur für die Gesundheit des Menschen, sondern auch die Umwelt eine Gefahr und müssten daher als Sondermüll entsorgt werden.
Noch während des Einsatzes beginnen die polizeilichen Befragungen, werden Zeugen vernommen. Nach Abschluss der Löscharbeiten übernehmen Beamte der Polizeiinspektion Bad Aibling, später des Kriminaldauerdienstes (KDD) der Kriminalpolizeiinspektion Rosenheim die Ermittlungen vor Ort. „Die weiteren Untersuchungen werden unter Sachleitung der Staatsanwaltschaft Traunstein, Zweigstelle Rosenheim, vom Fachkommissariat 1 der Kriminalpolizeiinspektion Rosenheim geführt“, informiert Stefan Sonntag über den weiteren Verlauf.
Am Dienstagabend (10. Oktober) werden die Einsatzkräfte ab 20.30 Uhr truppweise zur Brotzeit ins Feuerwehrhaus Beyharting eingeladen. Die Lampferdinger Feuerwehr, die an diesem Abend keinen Einsatzbefehl erhielt, hat die Wiener, Weißwürste und Semmeln vorbeigebracht, die eigentlich für den Abschluss ihrer Großübung gedacht waren.
Auf Wunsch des Bürgermeisters hat der Beyhartinger Obst- und Gartenbauverein spontan Küche und Bewirtung übernommen. Vorsitzende Christine Daxenbichler kommt mit dem VW-Bus zur Einsatzstelle gefahren und verteilt an die Kameraden vor Ort eine kleine, warme Stärkung und sagt: „Wir Beyhartinger sind alle eng miteinander verbunden, sind alle auch Feuerwehrfrauen und -mamas. Und außerdem hängt man an seinem Ort.“










