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Wahlbeteiligung von 75 Prozent

So hat Tuntenhausen entschieden – Wie es nach der Discounter-Abstimmung weitergeht

Stimmen die Tuntenhausener für die Änderung des Bebauungsplanes am Moorweg, entsteht im Bereich der heutigen Mitarbeiterparkplätze der Eder GmbH ein zweistöckiges Gebäude mit Discounter, Volksbank-Beratungszentrum und Eder-Konferenzzentrum (links, mit blauem Dach).
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Ein Blick in die Zukunft: Mit der Änderung des Bebauungsplanes am Moorweg kann im Bereich der heutigen Mitarbeiterparkplätze der Eder GmbH ein zweistöckiges Gebäude mit Discounter, Volksbank-Beratungszentrum und Eder-Konferenzzentrum (links, mit blauem Dach) entstehen. Die Bürgerinitiative Tuntenhausen hat ihre Vorstellung vom Neubau visualisiert. Ob er dann tatsächlich so aussehen wird, ist natürlich nicht gesagt.

75,4 Prozent der Wähler in Tuntenhausen haben sich für einen Discounter entschieden. Die Wahlbeteiligung lag bei 75 Prozent. Warum die Nacht bis in den frühen Morgen so spannend blieb. Über die Stimmung in der Gemeinde – und wie es mit dem Projekt jetzt weitergeht.

Tuntenhausen – 5889 Bürger der Gemeinde Tuntenhausen waren berechtigt, sich mit ihrer Stimme am Bürgerentscheid zu beteiligen. „Das sind etwa 400 mehr als bei der Landtags- und Bezirkswahl, da auch in der Gemeinde lebende EU-Bürger am Bürgerentscheid teilnehmen dürfen“, erläuterte Verwaltungsleiter Erik Thomas.

Sie alle sollten mit ihrem Ja oder Nein eine einfache Antwort auf die Frage geben: „Soll der Bebauungsplan Nr. 55 ,Moorweg‘ geändert werden, um eine Verbesserung der Nahversorgung – insbesondere im Lebensmittelbereich – im Gemeindebereich Tuntenhausen zu erreichen?“

Bürgermeister Georg Weigl hatte sich am Sonntagvormittag in allen Wahllokalen umgeschaut. Sein Eindruck: „Ich denke, dass wir eine überdurchschnittliche Wahlbeteiligung verzeichnen werden.“ Damit lag er mehr als richtig. Gegen 22 Uhr stand fest: 84,6 Prozent der wahlberechtigten Bürger haben ihre Stimme für die Wahl von Landtag und Bezirk abgegeben, 75 Prozent für den Bürgerentscheid. „Das ist sensationell“, sagt der Bürgermeister. „Das zeigt, dass unsere Bürger die Demokratie schätzen.“

Vor den Wahllokalen nachgefragt

Wie der Bürgerentscheid ausgehen würde, ließ sich im Vorfeld und auch im Laufe des Sonntags, 8. Oktober, schwer einschätzen. Discount-Befürworter und -Gegner hatten den Bürgern ihre Argumente präsentiert. Welche am schlüssigsten waren oder die Einstellung der Bürger widerspiegelten, sollte sich nun zeigen.

Auch eine Umfrage des OVB bei Wählern ließ keine Tendenz erkennen. „Ich bin für eine Verbesserung der Nahversorgung, deshalb habe ich für einen Discounter gestimmt“, sagt Christian Parlow aus Ostermünchen. Er wünsche sich, dass auch ältere Menschen Zugang zu einer vielfältigen Nahversorgung haben. „Gerade Menschen, die nicht mehr mobil sind.“ Zudem sei es auch für die Umwelt besser, vor Ort einzukaufen, als in die Nachbarorte zu fahren. Der in der neuen Ostermünchener Mitte geplante Dorfladen könnte seiner Meinung nach ein weiterer Baustein einer vielfältigen Nahversorgung sein. „So kann jeder Bürger frei entscheiden, wo er einkaufen möchte.“

Das Areal am Moorweg in Tuntenhausen stand im Zentrum des Bürgerentscheids in der Gemeinde Tuntenhausen (oben). Die Wähler mussten entscheiden, ob der Bebauungsplan geändert werden soll, damit ein zweistöckiges Gebäude mit Discounter, Volksbank-Beratungszentrum und Eder-Konferenzzentrum gebaut werden kann. Wie sich (von links) Christian Parlow aus Ostermünchen, Tobias Weiss aus Tuntenhausen und Valentin Schachtner aus Hohenthann entschieden haben.

Auch Birgit Meindl aus Tuntenhausen hat für einen Discounter gestimmt, denn: „Es müssen auch Angebote für Menschen geschaffen werden, die beispielsweise von einer kleinen Rente leben und günstiger einkaufen müssen.“ Tobias Weiss, Zweiter Vorstand des Feuerwehrvereins Tuntenhausen, stimmt ihr zu: „Es ist wichtig, dass es vor Ort auch preiswertere Einkaufsmöglichkeiten gibt – für Menschen, die nicht so viel Geld und kein Auto haben.“

Für die Verbesserung der Nahversorgung in Tuntenhausen hat auch Florian Pronberger von der Bavaria Fisch GmbH seine Stimme abgegeben. „Ich sehe die Ansiedlung eines Discounters als Bereicherung für unsere Gemeinde an. Sie ist auch für den Einzelhandel und die Nachhaltigkeit in der Umgebung ein Gewinn, da die Kaufkraft in der Gemeinde bleibt.“

Differenziertes Stimmungsbild am Wahlsonntag

In Schönau und Beyharting war es schwer, Wähler zu finden, die ihre Entscheidung mit Name und Porträt im OVB preisgeben wollen. Doch im persönlichen Gespräch informieren sie über ihre Einstellungen. Mit Nein gestimmt haben beispielsweise Menschen, die nicht akzeptieren, dass ein bereits abgelehnter Antrag im Gemeinderat dreimal behandelt werde. Andere sind der Meinung, dass es in der näheren Umgebung – Tuntenhausen, Bad Aibling, Bruckmühl, Glonn und Aßling – ausreichend Vollsortimenter und Discounter gebe. „Wir brauchen nicht noch einen Markt“, sagt beispielsweise Valentin Schachtner aus Hohenthann.

Eine Landwirtin hat sich mit ihrer Wahl klar gegen einen Discounter positioniert, weil die harten Preisverhandlungen und monatlichen Preisschwankungen zu großer Unsicherheit und Existenzangst der Landwirte führten. Ein älterer Herr aus Schönau versteht zwar nicht, warum man Bauvorhaben verhindern sollte. Trotzdem hat er sich am Bürgerentscheid aus Prinzip gar nicht beteiligt. Andere sagen „um des Lieben Friedens im Dorf und der Nachbarschaft Willen“ öffentlich lieber gar nichts. Wieder andere haben mit Ja gestimmt, weil sie für Vielfalt sind und künftig mit dem Fahrrad bei Vollsortimenter und Discoutner einkaufen könnten.

Das Stimmungsbild war am Wahlsonntag genauso vielfältig wie in den Wochen und Monaten zuvor. Eine Tendenz zeichnete sich nicht ab, weshalb der Wahlabend von allen mit großer Spannung erwartet wurde.

Erste Tendenzen werden ab 22 Uhr erkennbar

Die Tuntenhausener hatten gewählt und sorgten über Stunden für Spannung. Gegen 22 Uhr haben erst vier von 13 Wahllokalen die Stimmen zum Bürgerentscheid ausgezählt. Alle anderen stecken noch in der Auszählung zum Bezirk.

Wie sehen die ersten Bürgerentscheide zum Bebauungsplan am Moorweg aus? 21.14 Uhr meldet das erste Schönauer Wahllokal „Vollzug“: Dort wünschen sich 65,6 Prozent eine Verbesserung der Nahversorgung. 21.27 Uhr kommen die ersten Ergebnisse aus Ostermünchen: 74,7 Prozent sagen Ja zum Discounter. 21.31 Uhr ist Lampferding fertig: 86,3 Prozent stimmen für einen Discounter. 21.49 Uhr Uhr ist das erste Schönauer Briefwahllokal ausgezählt: 57,9 Prozent sind dafür.

Gegen 22 Uhr sind im Rahmen des Bürgerentscheids 1495 Stimmen ausgezählt, 1464 davon gültig: Langsam lässt sich eine Tendenz erkennen: 66,3 Prozent wollen einen Discounter. Klar ist aber auch: Diese Tendenz kann sich jederzeit ändern, denn noch fehlen die Ergebnisse aus neun Wahllokalen. Es bleibt also spannend.

22.14 Uhr kommen aus dem Wahllokal in Hohenthann die Ergebnisse: 57,9 Prozent sind dafür. 22.39 Uhr trifft die Information aus Beyharting ein: 72 Prozent sagen Ja. Das zweite Schönauer Briefwahllokal meldet 22.45 Uhr sein Ergebnis: 57,9 Prozent der Wähler befürworten einen Discounter.

Voller Spannung verfolgen (von rechts) Bürgermeister Georg Weigl, Peter Niedermeier von der Bürgerinitiative Tuntenhausen und Gemeinderat Stefan Hofbauer die Ergebnisse des Bürgerentscheids, die ab 21.31 Uhr in der Informationszentrale der Gemeinde einlaufen.

Dann passiert lange nichts. 23.32 Uhr ist Tuntenhausen ausgezählt: 83,4 Prozent wollen einen Discounter. Acht von 13 Wahllokalen sind inzwischen fertig. Es ist 23.45 Uhr. Ein Ostermünchener schaut im Rathaus vorbei: „Ich bin der Hoffnung, dass dieses Thema durch diese basisdemokratische Entscheidung jetzt wirklich abgehandelt ist“, sagt Landrat Otto Lederer (CSU). Wichtig sei aber vor allem, dass mit dem vorhandenen Vollsortimenter, der Ansiedlung eines Discounters und dem geplanten Dorfladen in Ostermünchen ein ausgewogenes Angebot in der Gemeinde geschaffen werde. „Dann können die Bürger mit ihrem Einkaufsverhalten wirklich entscheiden.“

Am Montagmorgen wird noch immer gezählt

Es ist Mitternacht. Noch fehlen die Ergebnisse aus vier Briefwahllokalen. Alle Briefwahllokale waren übrigens zentral in der Mehrzweckhalle Schönau angesiedelt. 0.04 Uhr trudeln die Ergebnisse aus einem weiteren Briefwahllokal ein: 81,1 Prozent wollen einen Discounter. 0.15 Uhr das nächste Ergebnis: 79,9 Prozent stimmen mit Ja. Es ist 0.27 Uhr: 74,4 Prozent wollen einen Discounter. Zwei Wahllokale noch, dann ist es geschafft.

1.08 Uhr: Das vorletzte Wahllokal meldet: 76,3 Prozent - dafür. Und noch immer heißt es: Geduld. Ein Wahllokal fehlt noch.

Das Ergebnis steht fest: Tuntenhausen bekommt einen Discounter. Um 1.33 Uhr sind endlich alle Ergebnisse ausgezählt und gemeldet. Doch noch bis circa 3 Uhr hatte Geschäftsleiter Erik Thomas mit seinem Team im Rathaus alle Hände voll zu tun. Etwa 107 Wahlhelfer waren im Einsatz. „Allen gilt ein riesiges, dickes Dankeschön“, lobt Thomas den reibungslosen Ablauf. Wenige Stunden später ging die Arbeit weiter, wurden die Unterlagen zur Wahl von Landtag und Bezirk kontrolliert, aufbereitet und ins Landratsamt gebracht.

Ergebnisse noch einmal im Ausschuss

„Die Ergebnisse des Bürgerentscheids werden am Donnerstag dem Abstimmungsausschuss – bestehend aus Bürgermeister Weigl und vier Gemeinderäten – vorgelegt. Dieser stellt dann das endgültige Wahlergebnis fest“, erläutert der Verwaltungsleiter. Nach dem vorläufigen Wahlergebnis haben sich 75,4 Prozent der wahlberechtigten Bürger für eine Verbesserung der Nahversorgung ausgesprochen.

Drei Viertel der Bürger wollen einen Discounter

5889 Einwohner der Gemeinde – darunter auch EU-Bürger – waren wahlberechtigt. Die Wahlbeteiligung am Bürgerentscheid lag bei 75 Prozent. Es wurden 4420 Stimmen abgegeben – davon 4381 gültige und 39 ungültige. Für die Änderung des Bebauungsplanes sprachen sich 3303 Wähler und damit drei Viertel der wahlberechtigten Bürger der Gemeinde Tuntenhausen aus. 

„Ich bin mehr als zufrieden“, reagiert Bürgermeister Georg Weigl (CSU) noch in der Nacht auf das Ergebnis. „Ich war schon immer ein Befürworter einer besseren Nahversorgung im Bereich Lebensmittel. Diese basisdemokratische Entscheidung ist so eindeutig, dass es keinen Diskussionsbedarf mehr gibt. Das muss man als Demokrat akzeptieren.“

Gemeinde soll sich weiterentwickeln

Investor Peter Eder ist überwältigt vom Wahlsieg: „Ein hervorragendes Ergebnis. Ich gratuliere der Bürgerinitiative Tuntenhausen und allen Unterstützern zu diesem tollen Resultat.“

Peter Niedermeier, Chef der Bürgerinitiative Tuntenhausen und Initiator des Bürgerentscheids, erfährt vom Erfolg noch am frühen Morgen im Rathaus: „Ich freue mich, dass unsere Aufklärungsarbeit zum Projekt angekommen ist und die Bürger entschieden haben, dass sich die Gemeinde weiterentwickeln soll.“

Gemeinderat Dionys Schweiger (FWG Beyharting) ist überzeugt davon, dass es richtig war, die Entscheidung in die Hand der Bürger zu legen. „Es ist eine demokratische Entscheidung gefallen“, sagt der Biolandwirt. „Auch wenn ich persönlich vom Ergebnis enttäuscht bin, weil ich bei Discountern einfach die Wertschätzung für Lebensmittel vermisse, hoffe ich, dass der Bürgerwille nun umgesetzt wird.“

Gemeinderätin Theresia Englhart (Frauenliste) wünscht sich, dass nun in der Gemeinde wieder Ruhe einkehrt und betont: „Der Bürger hat entschieden. Das wird akzeptiert.“

Wie es mit dem Projekt weitergeht

Die Änderung des Bebauungsplanes „Moorweg“ hatte die Eder Familienholding GmbH & Co. KG beantragt. Ihr Wunsch ist es, im Bereich der heutigen Firmenparkplätze westlich des Eder Profi-Baumarktes ein zweistöckiges Gebäude zu errichten. Im Erdgeschoss sollen Verkaufsfläche für einen Lebensmittel-Discounter entstehen. Konkretes Interesse haben alle Discounter angemeldet. Im Obergeschoss sind ein Beratungszentrum für die Volksbank Raiffeisenbank Rosenheim eG und ein Konferenzzentrum für die Eder GmbH geplant.

Die Gemeinde Tuntenhausen wird in den kommenden Wochen ein Planungsbüro mit der Änderung des Bebauungsplanes am Moorweg beauftragen. Erfahrungsgemäß kann es bis zu einem Jahr dauern, ehe ein B-Plan Rechtskraft erlangt.

Parallel dazu kann der Investor sein Projekt im Rahmen der Vorhabens- und Erschließungsplanung konkretisieren, die Kosten ermitteln und mit den potenziellen Mietern in Verhandlung treten. Erst wenn klar sei, ob die Investition trotz der Baupreise und Zinsen vertretbar bleibe, werde eine finale Entscheidung getroffen, informiert die Familienholding.

So könnte der Edeka-Markt nach einer Erweiterung aussehen. Zwar hat er die landesplanerisch mögliche Verkaufsfläche erreicht. Auf der Suche nach Lösungen schlug die Regierung Oberbayerns der Gemeinde 2020 vor, einen separaten Getränkemarkt bis zu einer Verkaufsfläche von rund 530 Quadratmetern anzubauen. Die Frage ist, ob der Investor zu einer solch „kleinen“, aber teuren Erweiterung und der dazu erforderlichen Umgestaltung der Parkplätze bereit ist – vor allem angesichts der aktuellen Baukosten und Zinsen.

Welche Lösung es für Edeka geben kann

Für die Erweiterung des Edeka-Marktes gab es von der Regierung Oberbayerns schon im Jahr 2020 eine Stellungnahme: Demnach ist die landesplanerisch mögliche Verkaufsfläche des Edeka-Marktes schon erreicht. Auf der Suche nach Lösungen wurde mit der Gemeinde darüber gesprochen, dass zusätzlich zum bestehenden Markt ein separater Getränkemarkt bis zu einer Verkaufsfläche von rund 530 Quadratmetern möglich wäre. Die Frage wird auch sein, ob die Mehrkosten an Miete, die eine solch kleine, aber teure Erweiterung und die dazu erforderliche Umgestaltung der Parkplätze nach sich ziehen würde, vom Betreiber des Marktes geschultert werden können.

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