Blick ins OVB-Zeitungsarchiv
„Keine wildgewordenen Cowboys!“: 30 Jahre Sicherheitswacht in Rosenheim
Vor 30 Jahren startete die Sicherheitswacht in Rosenheim. Wir blicken an Hand von Berichten aus dem OVB-Zeitungsarchiv darauf zurück. Und Ihr erfahrt auch, warum es heuer eigentlich ein Doppel-Jubiläum ist.
Rosenheim - „Wir wollen keine Draufgänger, die in ihrer Freizeit Gesetzeshüter spielen“, zitiert das Oberbayerische Volksblatt in seiner Ausgabe vom 12. Februar 1995 den im vergangenen Jahr verstorbenen CSU-Landtagsabgeordneten Adolf Dinglreiter. Bei einer Pressekonferenz in München mit Innenminister Günther Beckstein war das Konzept der Sicherheitswachten der Öffentlichkeit vorgestellt worden. „Wir wollen das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verstärken. Die Angehörigen der Sicherheitswacht werden keine wildgewordenen Cowboys sein“, betonte auch der 2013 verstorbene damalige Bürgermeister Michael Stöcker bei einem weiteren Termin Anfang März, diesmal im Rosenheimer Rathaus.
Aus einem Bericht zu jenem Termin am 3. März erfuhren die Rosenheimer: „Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit sei ein gesamtgesellschaftliches Problem und würde immer mehr die Mitwirkung jedes einzelnen Bürgers erfordern, so Staatssekretär Hermann Regensburger. Deshalb sollen auf Initiative der Bayerischen Staatsregierung in einem auf zwei Jahre angelegten Pilotprojekt zehn verantwortungsbereite Bürger ehrenamtlich die Rosenheimer Polizei nach dem Motto ‚Gemeinschaft macht stark‘ unterstützen.“ Regensburger legte Stöcker bei der Veranstaltung auch symbolisch eine der grellgrünen Armbinden an, welche künftig die Angehörigen der Sicherheitswacht erkennbar machen sollten.
Blick ins OVB-Zeitungsarchiv: „Keine wildgewordenen Cowboys!“ - 30 Jahre Sicherheitswacht in Rosenheim
Am 31. Mai 1995 konnte das OVB dann berichten: „Vier Frauen und fünf Männer im Alter zwischen 19 und 55 Jahren nehmen ab 1. Juni im Stadtgebiet von Rosenheim ehrenamtlich ihren Dienst bei der neuen Sicherheitswacht auf. Rosenheim ist nach Nürnberg, Ingolstadt und Deggendorf somit die vierte ‚Modellstadt‘ in Bayern, wo dieser Dienst auf Dauer eingerichtet werden soll. Ziel ist es — so Rosenheims Polizeidirektor Wolfgang Asprion bei der gestrigen Vorstellung der Gruppe —, die Polizei bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu unterstützen. Außerdem soll das Sicherheitsgefühl bei der Bevölkerung erhöht werden.“
„Die neun ‚Wachtler‘ wurden aus insgesamt 44 Bewerbern herausgesucht und geschult. Das berufliche Spektrum reicht von der Hausfrau über den Studenten bis zum Angestellten. Die Truppe ist auf ihren Streifengängen in Zivilkleidung unterwegs. Jedes Mitglied ist an der grünen Armbinde mit der Aufschrift ‚Sicherheitswacht‘ und am Dienstausweis zu erkennen, der auf der linken Brustseite getragen wird“, erfahren wir weiter aus jenem Bericht von Ende Mai.
Erstes positives Fazit schon nach wenigen Monaten
Schon wenige Monate später konnte ein erstes positives Fazit gezogen werden, wie wir aus einem Zeitungsbericht vom 22. August erfahren: „Nach Angaben von Bernd Hackl, Polizeioberkommissar und zuständig für die Sicherheitswacht, ist die befürchtete Überlastung der Polizei durch sinnlose Mitteilungen ausgeblieben: ‚Wir führen das darauf zurück, dass wir bereits bei der Ausbildung darauf geachtet haben, nicht eine zweite Verkehrsüberwachung oder Ordnungswacht zu installieren.‘“
Ein Jahr darauf hielt sich die positive Einschätzung seitens der Polizei und es konnte in einem Bericht am 14. Juni 1996 bereits auf eine Reihe von Höhepunkten der Tätigkeit zurückgeblickt werden: „Bei den Großbränden in der Klepperstraße und Am Stöttenfeld unterstützten die Helfer der Sicherheitswacht die Polizei und die Feuerwehr, indem sie Schaulustige zurückdrängten und die Rettungswege freihielten. Im Salingarten entdeckte eine Streife eine leblose Person. Durch schnelle, per Funk herbeigeholte Hilfe konnte der Mann gerettet werden. Auch ein Vermisster wurde im Rahmen des Streifendienstes wieder aufgefunden.“ Auch nach fünf Jahren wurde laut einem Bericht vom 3. Januar 2001 weiter ein positives Fazit gezogen.
Neugründung 2010 nach Mitgliederschwund
2010 musste die Wacht allerdings neu gegründet werden, nachdem sie zwischenzeitlich schwindende Mitgliederzahlen verzeichnen musste und ihre Tätigkeit für eine Weile sogar ruhte. „Die Werbemaßnahmen starteten im März 2010 in den regionalen Medien mit der Folge, dass sich weit über 40 Personen teils schriftlich, persönlich beziehungsweise per E-Mail bewarben. Aus dieser Bewerberanzahl wurden 18 Interessenten genommen mit einem Frauenanteil von einem Drittel, sowie Bewerber mit Migrationshintergrund. Wir gingen dann im Juni 2010 in den ‚Echtbetrieb‘“, erinnert sich Erster Polizeihauptkommissar Robert Maurer, der seit 1. Juni 2024 stellvertretender Dienststellenleiter der Inspektion Rosenheim ist. 2010 war er für die Wacht zuständig.
Die Aufgaben der Sicherheitswacht, damals wie heute:
„Die Aufgabengebiete haben sich nicht ver- beziehungsweise geändert“, meint Robert Maurer: „Sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Auf Sicherheitsstörungen reagieren, Hilfe anbieten und geben, bei Sorgen und Nöten der Bürgerinnen und Bürger. Die rechtliche Basis bildet das Gesetz über die Sicherheitswacht.
Im Grunde besteht das Gesetz aus drei Rechten:
1. Platzverweis erteilen
2. Befragungen von Beteiligten vor Ort vollziehen
3. Personalien erheben
Aber alles nur, bei Gefahrenlagen und ganz wichtig: Der Sicherheitswacht stehen keine Zwangsmaßnahmen zur Durchsetzung zur Verfügung. Dazu muss die Polizei hinzugezogen werden, falls sich beispielsweise eine Person weigert, die Anordnungen nicht zu befolgen. Das Gesetz beinhaltet natürlich noch andere Vorgaben, zum Beispiel Datenschutz, Unfallschutz und so weiter.“
2011 konnte nach einem Jahr dann wieder ein positives Fazit gezogen werden: „Neben kleinen Hilfeleistungen, wie beispielhaft die Wegbeschreibung an hilfesuchende Bürger, konnten auch Straftäter auf frischer Tat angetroffen und der Polizei übergeben werden. So wurde erst in letzter Zeit ein Fahrraddieb auf frischer Tat ertappt“, erfahren wir aus einem Bericht damals. Die Aufgaben der Wacht sind im Wesentlichen seit 1995 die gleichen geblieben. „Die Ausstattung hat sich enorm ins Positive verändert“, meint Robert Maurer, „Früher war es tatsächlich nur ein Armbinde. Jetzt gut geschnittene Polo-Shirts im Sommer, hochwertige Winterjacken, Mützen, Handschuhe, Schreibunterlagen. In meinen Augen eine hervorragende und funktionstüchtige Ausstattung.“
Alle bisher erschienen Artikel aus der jeden Samstag um 15 Uhr erscheinenden Reihe „In alten Zeitungsbänden gestöbert“, aber auch diverse zusätzliche Artikel über spektakuläre Kriminalfälle, bekannte Persönlichkeiten der jüngeren Zeitgeschichte sowie andere bedeutende Ereignisse, nacherzählt an Hand von alten Zeitungsartikeln findet Ihr ab sofort auf dieser Themenseite.(hs)


