Jugendleiterin der „Mangfalltaler“ Kolbermoor
„I bin koa Preiß, i bin a Fischkopp“: Claudia Beutl hat eine Heimat am Meer und eine in den Bergen
Claudia Beutl hat es vorgemacht: Aus einem Fischkopp kann eine echte Bayerin werden. Und auch wenn sie anfangs großes Heimweh plagte, ist es heute nicht mehr nur der Sonnenuntergang am Meer, der ihr eine Gänsehaut bereitet, sondern auch ein Gaufest in der Tracht der „Mangfalltaler“ Kolbermoor.
Kolbermoor – Wenn es draußen stürmt, reißt Claudia Beutl alle Fenster auf. „Jetzt ist Mama wieder in ihrem Element“, wissen die Kinder dann. Denn Claudia stammt von der Küste. „Ich habe eine Heimat am Meer und eine in den Bergen“, beschreibt sie. Ein Sturm in Bayern ist für sie wie eine frische Brise auf der Insel Rügen. „Ich liebe es, wenn mir der Wind ins Gesicht weht.“ Am Meer ist sie daheim – mit den Füßen im Sand und dem schier endlosen Blick übers Wasser zum Horizont. Doch auch wenn sie heute mit ihrer Familie aus dem Ostsee-Urlaub nach Kolbermoor zurückkehrt, geht ihr das Herz auf, sobald sich am Irschenberg der Blick in die Berge eröffnet.
Schon mit 16 Jahren „zuagroast“
16 Jahre war sie auf der Insel Rügen „tohuus“, seit 27 ist sie in Oberbayern „dahaom“. Dass sie kein „Preiß“ ist, obwohl sie nördlich des Weißwurst-Äquators geboren wurde, hat sie den Einheimischen schon als junges Dirndl beigebracht: „I bin koa Preiß, i bin a Fischkopp“, erklärte sie mit viel Humor, denn nicht jeder Norddeutsche wird gern als „Fischkopp“ bezeichnet. Und nicht jedem „Zuagroasten“ geht die bayerische Mundart so gut über die Lippen wie Claudia.
Kaum 16 Jahre alt, machte sie sich von der Insel Rügen auf in der Gemeinde Dietramszell und begann im Landgasthof Baiernrain eine Lehre zur Restaurantfachfrau. 1000 Kilometer von der Ostsee entfernt war das Heimweh groß: „In den ersten Monaten sind viele Tränen geflossen“, erinnert sie sich an ihren Start. Doch ihr offenes Wesen, die Azubi-Wohngemeinschaft und die Menschen in der Wirtschaft machten ihr das Eingewöhnen leicht.
27 Jahre später: Drei Ausbildungen und vier Kinder
27 Jahre später ist Claudia Beutl Mutter von vier Kindern, hat noch zwei Ausbildungen zur zahntechnischen Assistentin und Tagesmutter aufgesattelt und fühlt sich als echte Bayerin wohl. „Mit einem schönen Dirndl ist frau immer gut angezogen“, sagt sie. Zu Festen trägt sie jetzt voller Stolz ihren schwarzen Schalk, den Goldschnurhut und den wertvollen Trachtenschmuck aus Keramik. Dabei ist sie erst relativ spät zum Trachtenverein gekommen: „2012 durch den Umzug“, erzählt sie lachend, denn wie es der Zufall wollte, landete sie mit ihrer Familie in der Nachbarschaft von Annelies und Walter Weinzierl, den Urgesteinen der Mangfalltaler Trachtler in Kolbermoor.
Die ganze Familie ist vom Brauchtum fasziniert
Weinzierl begeisterte zuerst Sohn Lukas für den Verein, dann Tochter Lena, später Sohn Brian. Mutter Claudia verschlang die Trachtenbücher von Walter Weinzierl, fragte ihn über Traditionen und Brauchtum aus, lernte das Haareflechten, übte sich in Hochsteckfrisuren und probte bayerische Tänze. „Am Ende war unsere ganze Familie im Trachtenverein und unsere jüngste Tochter Sarah sogar schon als Baby in Tracht beim Gaufest dabei.“ Heute ist Claudia die Jugendleiterin der Mangfalltaler Trachtler, und ihr Mann Michael nicht mehr nur ihr Fels in der Brandung, sondern als Vorstandsvorsitzender auch der der Kolbermoorer Trachtler.
Kolbermoor sei schon immer ein Schmelztiegel der Kulturen gewesen, sagen die Trachtler. Und so gehören „Zuagroaste“ wie die gebürtige Mecklenburgerin Claudia ganz selbstverständlich zu den 234 Mitgliedern der Mangfalltaler dazu, genauso wie kleine und große Trachtler aus Sachsen, Thüringen, Kroatien, Rußland oder afrikanischen Ländern.
Jugendleiterin aus Leidenschaft
Claudias Leidenschaft gehört vor allem den kleinen Trachtlern, denn als Mutter und Tagesmutter liebt sie es, Kinder um sich zu haben und sie auf ihrem Weg ins Leben zu begleiten. „Es ist so schön zu sehen, wie aus Kindern junge Männer und Frauen werden.“ Doch nicht nur das: „Fühlen sich die Kinder im Verein wohl, kommen auch die Eltern nach“, sagt sie aus eigener Erfahrung. Mit 43 Jahren fühlt sich Claudia Beutl als Jugendleiterin genau im richtigen Amt: „Aber nur so lange, bis irgendwann einmal meine Enkel zur Plattlerprobe kommen.“
Tracht ist eine Herzenssache
Claudia hat in Bayern und im Trachtenverein eine zweite Heimat gefunden, denn Tracht ist für sie nicht einfach nur eine Bekleidung, sondern vor allem eine Herzenssache. „Ich fühle mich wohl im Jahresrhythmus des Brauchtums“, erzählt die Jugendleiterin der Mangfalltaler. Seien es Fasching, Ostern, Mai- oder Gaufeste, Kräuterbuschenbinden, Herbstfest, Krippenspiele, Weihnachtsfeiern, der traditionelle Trachten- und Handwerkermarkt alle zwei Jahre oder jetzt (4. März) der Dirndl- und Trachtenmarkt. „Es macht einfach immer Spaß, dieser Gemeinschaft anzugehören“, erzählt die 43-Jährige. Besonders beeindruckend sei es, bei Gaufesten im Zug der Mangfalltaler Trachtler zu laufen und die anerkennenden Blicke der Zuschauer zu sehen. „Das ist Gänsehaut-Feeling. Genau wie ein Sonnenuntergang am Ostseestrand.“
Dirndl- und Trachtenmarkt in Kolbermoor
Zum 12. Mal bietet der Trachtenverein „d‘Mangfalltaler“ Kolbermoor am Samstag, 4. März, von 13 bis 16 Uhr, im Trachtenheim an der Angerbauerstraße die Gelegenheit, alles was zur Tracht gehört, günstig zu erwerben: Es gibt Kleidung, Schuhe, Hüte, Schmuck und vieles mehr aus zweiter Hand. Zehn Prozent vom Verkaufserlös kommen der Jugendarbeit des Trachtenvereins zugute. Die Trachtler bewirten ihre Gäste mit Kaffee und Kuchen – gern auch zum Mitnehmen.