Unterstützung aus dem Oberland und Österreich
„Wir sind nicht rechts, wir sind im Recht“ – Wie aus Protest-Mahnfeuern Bürgerdialoge werden
Die Mahnfeuer lodern weiter: am Mittwoch (17. Januar) in Maxlrain, am Samstag (20. Januar) in Bad Feilnbach. Die Bauern haben mit ihren friedlichen Protesten viele Menschen wachgerüttelt. Sie kommen miteinander ins Gespräch. Dazu ein Überblick, wo in der Region protestiert wird.
Tuntenhausen – Diese Mahnfeuer werden so schnell nicht verglühen. Nicht nur, weil die Waldbauern mit ihrer Rücketechnik jederzeit neues, tonnenschweres Futter für die Flammen anschleppen können. Vor allem, weil der Funke von den Bauern übergesprungen ist. „Mit ihren friedlichen, unübersehbaren Aktionen haben unsere Landwirte die Menschen aufgerüttelt, sie zum Nachdenken angeregt. Jetzt unterhalten sie sich wieder über Politik. Das ist gut“, würdigt Tuntenhausens Bürgermeister Georg Weigl die Bauernproteste. Dass sie sich längst zu einem „Aufstand des Mittelstandes und der Normalverdiener“ ausgeweitet haben, bringen viele Menschen zum Ausdruck, die am Mittwoch (17. Januar) zur Mahnwache nach Maxlrain gekommen sind: „Wir sind genau wie unsere Bauern ganz normale Leute mit normalem Menschenverstand.“
Auf dem Parkplatz am Maxlrainer Braustüberl lodert ein riesiges Mahnfeuer. Dort, wo übers Jahr mit Mittelalter-, Hopfen- oder Bikerfestivals, mit Ritterspielen, Krauthobeln oder traditioneller bayerischer Gastwirtschaft Lebensfreude zelebriert wird, trifft sich an diesem Abend der Protest: Weil Freude in Verärgerung umgeschlagen ist, jeder unter der galoppierenden Inflation und unter immer neuen Gesetzen, Steuern und Auflagen ächzt.
Austausch über gemeinsame Sorgen
Etwa 150 Menschen sind gekommen und tauschen sich über das aus, was ihnen auf der Seele brennt. In den vergangenen zwei Jahren und vor allem den zurückliegenden Monaten hat eine Hiobsbotschaft die nächste gejagt. Alle sind von steigenden Preisen betroffen. Keiner kann sich dagegen wehren: Sozialbeiträge, CO₂-Steuer, Maut, Lebensmittel, Strom, Gas, Fernwärme, Essen in Kitas, Schulen und Wirtschaften oder Trink- und Abwasserkosten. „Wir sind die Leistungsträger dieser Gesellschaft und müssen immer mehr abgeben, aber mitreden dürfen wir bei der Verteilung der Steuergelder nicht“, sagt ein Unternehmer aus der Gemeinde Tuntenhausen.
In den Gesprächen geht es um Steuerverschwendung, um die dramatische Situation des Gesundheitssystems, die hoffnungslose Lage vieler Rentner, um die steigende Armut im Land. Es geht um die Zukunft der mittelständischen Wirtschaft und die Frage, was aus den Handwerksbetrieben wird, wenn die Leute nicht mehr bauen können, weil ihr Geld nicht reicht. Das Wohnbauland für Einheimische ist Thema. Im Gedächtnis geblieben ist den Menschen im Mangfalltal, wie 2022 die soziale Rangliste in Bruckmühl von Energiekrise, Preisexplosionen am Bau und Inflation ausgehebelt wurde. 93 Interessenten hatten sich um 13 Parzellen beworben: 40 Familien mussten auf ihren Hausbau verzichten, obwohl sie mit Kindern und kleinem Einkommen eigentlich die Auserwählten gewesen wären. Doch sie konnten die Finanzierung nicht stemmen. Bei Listenplatz 51 gab es erstmals grünes Licht von der Bank.
Was wird aus den Dörfern, wenn die Wirtschaften sterben?
In der Gemeinschaft fällt es leichter, ehrlich darüber zu reden, dass am Monatsende keiner mehr viel übrig hat vom hart erarbeiteten Lohn. Alle müssen sparen, wo es nur oder wo es noch geht. Und gespart wird vor allem an der Lebensfreude. „Es ist deutlich zu spüren, dass die Verbraucher preissensibler geworden sind, ihr Konsumverhalten ändern und immer häufiger auf Konsum sogar ganz verzichten“, sagt Roland Bräger, Direktor der Schlossbrauerei Maxlrain. Jeder dritte Kunde in den Wirtshäusern bleibe weg. Der Umsatz sinkt. Doch die Kosten steigen. Nun ist auch die Mehrwertsteuer in der Gastronomie zurück bei 19 Prozent. 600 Wirte werden allein in Oberbayern das Handtuch werfen, so die düstere Prognose der DEHOGA Bayern. Und am Mahnfeuer fragt man sich, was aus den Dörfern werden soll, wenn die Wirtschaften fehlen.
Gegängelt von Gesetzen und Verordnungen
Die Menschen fühlen sich von Gesetzen und Verordnungen immer stärker gegängelt. Sie fragen sich, was sie dagegen unternehmen können, außer zu protestieren? Trachtler diskutieren, ob sie die Grüne Woche in Berlin boykottieren sollten. In anderen Gesprächsrunden wird gefachsimpelt, welche Möglichkeiten es vor der Bundestagswahl 2025 für Neuwahlen geben könnte. Dass sie friedlich und demokratisch sein müssen, versteht sich von selbst, denn, so der neue Slogan der Bürgerdialoge am Mahnfeuer: „Wir sind nicht rechts, wir sind im Recht.“
„Bürokratiekrake frisst Unternehmen“
Die Unternehmer unterhalten sich über die steigende Flut an bürokratischen Auflagen. Roland Bräger, Vorsitzender des Wirtschafts-Forums im Mangfalltal, sagt auf OVB-Anfrage: „Wir werden von der Bürokratiekrake förmlich gefressen.“ 2022 warnte er davor, dass der Krieg in der Ukraine die Unternehmen „mit der bisher größten Herausforderung“ konfrontieren werde. Zwei Jahre später müssen sie eine Vielfalt von Problemen meistern, das größte aber ist die Bürokratie. „Und die Politik unternimmt nichts dagegen.“
Bräger teilt das Argument der Bauern, dass sie keine Subventionen bräuchten, wenn sie faire Preise für ihre Produkte bekämen sowie Auflagen und Standards zumindest im europäischen Wettbewerb gleich wären. „Würde zudem die Steuerlast sinken, die auf dem Endverbraucher liegt, hätte auch er mehr Geld in der Tasche und könnte den Bauern marktübliche Preise zahlen.“
Menschen der verschiedensten Berufsgruppen vereinen sich am Mahnfeuer in Maxlrain. Unternehmen und Vereine unterstützen die Aktion. Im Gespräche klären die Landwirte immer wieder auch darüber auf, dass es um weit mehr als Agrardiesel oder Kfz-Steuer für landwirtschaftliche Fahrzeuge gehe: um die wachsende Kluft zwischen Auflagen und Einkommen, um gekürzte Zuschüsse für Kranken-, Pflege- und Unfallversicherung, um die Absenkung der Umsatzsteuerpauschale der Bauern, um gekürzte Betriebsprämien, um fehlende Perspektiven für die nächste Generation an Landwirten. Sie wollen richtig verstanden werden, und am Mahnfeuer hört man einander zu.
Handwerk brechen die Aufträge weg
Den Handwerkern geht es nicht besser. Gesetzes-Hickhack, Förder-Wirrwarr und die Sparmaßnahmen im 2024-Bundeshaushalt haben zu Stagnation geführt. Kunden kündigen bereits geschlossene Verträge oder verschieben ihre Investitionen ganz. Fehlende Planungssicherheit sorgt für sinkende Aufträge bei Baufirmen, Heizungsinstallateuren und Elektrikern. Die Einnahmen verringern sich bei steigenden Ausgaben.
Das Wissen darum, dass sich etwas ändern muss, vereint die Menschen über Regionen und Grenzen hinweg. Auch ein Traktorenkonvoi aus dem Oberland rollt in Maxlrain an. Am Samstag (20. Januar) werde ein Konvoi aus dem Unterland gen Miesbach starten, heißt es. Die Menschen am Mahnfeuer kommen aus den Landkreisen Rosenheim, Ebersberg, Miesbach, Traunstein und aus Österreich.
Peter Walchhofer ist zweieinhalb Stunden von Großarl aus unterwegs gewesen, um mit seiner Drohne Aufnahmen vom Mahnfeuer in Maxlrain zu machen. „Ich unterstütze die Proteste, weil ich selbst Landwirt bin“, sagt er. Die österreichischen Bauern mussten 2023 Einkommenseinbußen verkraften. Jetzt steigen auch im Nachbarland die Sprit-Preise. „Wir gehen am Freitag (19. Januar) in Wien auf die Straße“, kündigt Walchhofer an. Erst am späten Abend macht er sich auf den Rückweg nach Großarl, um am nächsten Morgen (18. Januar) eine Skipiste im Großarltal zu präparieren: „Auch das gehört zu meinen Aufgaben, aber leider ist vielen Menschen gar nicht bewusst, was wir Landwirte eigentlich alles machen.“
Wo Mahnfeuer, Bürgerdialoge und Protestkonvois geplant sind
Kornberg: Freitag, 19. Januar, 19 Uhr, an der B 15 zwischen Attl und Reitmehring
Meitingen: Freitag, 19. Januar, um 15 Uhr, Demonstration auf dem Festplatz
Bad Feilnbach: Samstag, 20. Januar, um 18.30 Uhr, am Zeltplatz
Miesbach: Samstag, 20. Januar, Sternfahrt aus dem Unterland ins Oberland, unter anderem ausgehend vom Texaskreisel in Bad Aibling über Weyarn, Treffpunkt um 15 Uhr in Miesbach.
Schönau: Dienstagabend, 23. Januar
Deutschlandweiter Korso: Samstag, 27. Januar, ab 12 Uhr, ab München, weitere Treffpunkte in der Region werden individuell vereinbart

