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„Ich bin trotz allem gerne Landwirt“

Litzldorf bei Bad Feilnbach: Zu Besuch auf dem Hof von Jung-Landwirt Balthasar Höfer (21)

Im modernen Laufstall bei seinen Fleckvieh-Kühen fühlt sich der 21-jährige Jungbauer Balthasar Höfer wohl.
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Im modernen Laufstall bei seinen Fleckvieh-Kühen fühlt sich der 21-jährige Jungbauer Balthasar Höfer wohl.

Von den früher 30 Bauern im Ort sind nur drei übrig geblieben: Junglandwirt Balthasar Höfer (21) aus Litzldorf bei Bad Feilnbach war vergangene Woche mit seinem Traktor bei der Protestfahrt nach München dabei. Warum der junge Mann trotzdem in der Landwirtschaft seine Zukunft sieht.

Bad Feilnbach – Wenn Balthasar Höfer nach den Bauern-Demos gefragt wird, leuchten seine Augen. Der 21-jährige Jungbauer aus Bad Feilnbach (Kreis Rosenheim) gehört zu 800 Landwirten, die mit ihren Traktoren von Bad Aibling nach München gefahren sind – und dort mit rund 10 000 Berufskollegen gegen die Kürzungen beim Agrardiesel protestiert haben. „Fast sechs Stunden sind wir über die Landstraße gefahren. Es war fantastisch.“ Überall hätten Passanten ihnen den Daumen entgegengestreckt, um ihre Sympathie zu zeigen. „Sogar die Autofahrer, die wegen uns nicht weiterfahren konnten, sind ausgestiegen und haben den Daumen hochgehalten. Der Bevölkerung haben wir gezeigt: Es gibt uns, wir san wichtig.“ Der Junglandwirt glaubt, dass die Aktionen zu einem besseren Verständnis der Bevölkerung für die Landwirtschaft und mehr Wertschätzung geführt haben.

Die Atmosphäre während der Protesttage sind das eine – auf der anderen Seite steht die Frage, was die Landwirte politisch erreicht haben. Die Forderung an die Bundesregierung, die Streichung des Agrardiesels fallen zu lassen, blieb trotz des massiven Protests bisher unerfüllt. Auch Balthasar Höfer befürchtet: Unterm Strich haben die Bauernproteste in ganz Deutschland viel zu wenig gebracht. „Die Politiker in Berlin haben überhaupt nicht verstanden, um was es geht.“

Von der Milchwirtschaft allein könnte der Betrieb nicht leben

Wunderschön hoch über dem Inntal liegt der „Unterulpointhof“ der Höfers in Litzldorf, einem Ortsteil von Bad Feilnbach (Kreis Rosenheim). Von der Haustür aus reicht der Blick bis zum Samerberg. „Wenn Herbstfest is in Rosenheim, dann segn mas Riesenrad von dahoam aus“, schwärmt der 21-Jährige. Die außergewöhnlich schöne Lage ist auch eine Art Bestandsgarantie für den Hof. Denn allein von der Milchwirtschaft könnte der Betrieb nicht leben. „Ein Stuhl braucht vier Haxen, um sicher zu stehen“, zitiert der Junior seinen 65-jährigen Vater. Vier Standbeine hat deshalb auch der Unterulpointhof: Milchvieh, Obstanbau mit eigener Saftpresse und Brennerei, vier geräumige Ferienwohnungen, zum Teil mit fünf Sternen bewertet, und einen Hofladen. Gut 40 Milchkühe stehen im luftigen Laufstall mit großzügigem Außenauslauf. „Egal, wie viel es regnet – es stehen immer zwei, drei Kühe draußen. Das ist total schön zum Anschauen“, schwärmt der Junior von seinem Fleckvieh.

Im Sommer können die Kühe auf der Streuobstwiese im Schatten der Bäume grasen.

Wenn Finanzminister Christian Lindner (FDP) sage, die Bevölkerung müsse die Landwirtschaft mehr wertschätzen, gibt ihm der Jungbauer recht. Aber: „Des bringt uns nix, wenn die Leit nicht sagen: Des Produkt kimmt aus Deutschland, des kost’ jetzt ein Euro mehr – dann kauf ich mir des.“ Solange die Verbraucher das nicht freiwillig machten, „brauchen wir die Unterstützung vom Staat“. Die deutschen Bauern könnten mit anderen Ländern nicht mithalten, die die Produktionskosten wegen geringerer Standards und eines günstigeren Klimas runterfahren könnten.

Agrardiesel war der letzte Tropfen, der das Fass überlaufen ließ

Die Abschaffung des Agrardiesels würde den Höfers nicht das Genick brechen. Aufs Jahr gerechnet würden etwa 2000 Euro fehlen. Es ist mehr eine Frage der Gerechtigkeit – nach vielen zusätzlichen Auflagen und Kürzungen der vergangenen Jahre war der Agrardiesel der berühmte letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. „Wir fahren ja mit dem Traktor nicht zum Spaß auf der Straße umeinand. Sondern hauptsächlich auf Äckern und Feldern.“ Diese 21 Cent Wertschätzung erwartet der Jungbauer von der Regierung.

Ein weiteres Standbein: Im zweiten Stock des Hofes und im Anbau befinden sich vier Ferienwohnungen.

2023 hat Höfer die Ausbildung zum Landwirt abgeschlossen

Trotzdem: So schwierig die Lage der Bauern derzeit auch sein mag, für den 21-Jährigen ist und bleibt die Landwirtschaft seine Zukunftsperspektive. Im vergangenen Jahr hat er seine dreijährige Ausbildung zum Landwirt abgeschlossen. Ab Herbst geht es drei Semester auf die „Winterschule“ nach Rosenheim, dann will er seinen Landwirtschaftsmeister machen, in drei bis dreieinhalb Jahren will er fertig sein. „Mein Papa hat nie gesagt, dass ich das machen muss. Für mich war aber immer klar, dass ich den Hof übernehm.“ Mindestens 350 Jahre geht die Familiengeschichte auf dieser Scholle zurück – und sie wird weitergehen.

Der Vater hat über 600.000 Euro in den Hof investiert

Der biologisch bewirtschaftete Grünlandhof ist gut für die Zukunft aufgestellt, dafür hat der Senior rechtzeitig gesorgt. Mit 58 Jahren hat er zusammen mit seiner Frau entschieden, richtig viel zu investieren. Allein der neue Laufstall kostete 600 000 Euro. Dazu leisteten sich die Höfers einen Melkroboter. „Das alles, obwohl er da noch gar nicht wusste, ob ich den Hof übernehme“, sagt der Sohn voller Hochachtung.

Tierwohl spielt auf dem Bio-Hof eine wichtige Rolle

Heute kann sich der Junior freuen: Denn aktuell würde ein moderner Laufstall für 45 Kühe über eine Million Euro kosten. Anders als viele andere junge Hoferben muss sich der Hofnachfolger am Unterulpointhof keine Gedanken darüber machen, ob sich teure Investitionen lohnen. Der Biobetrieb erfüllt nicht nur die ökologischen Voraussetzungen, auch das Tierwohl spielt eine wichtige Rolle. Frische Luft und genügend Platz haben die Kühe. Im Sommer können sie den Schatten unter den 120 Obstbäumen genießen. „Wenn’s zu heiß ist, können sie sich in den Schatten stellen.“ Die Höfers liefern an die Molkerei Berchtesgadener Land. Nach der Corona-Krise, wo die Biomilch zum Teil billiger war als die konventionelle Milch, bekommen sie jetzt wieder 53 Cent pro Liter von der Molkerei.

„Wenn die Kuh um 1 Uhr nachts ein Problem hat, muss ich aufstehen“

So idyllisch der Betrieb liegt – die Arbeit eines Landwirts ist hart. Das hat Balthasar Höfer von Kindesbeinen an gelernt. Bis der Melkroboter die Arbeit deutlich erleichtert hat, „war der Papa von dunkel bis dunkel bei der Arbeit“. Also von morgens vor Sonnenaufgang bis abends nach Sonnenuntergang. Jetzt piept der Wecker erst um 6.30 Uhr. Trotzdem bedeutet Milchbauer zu sein, rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche für die Tiere da zu sein. „Wenn in der Nacht eine Kuh um 1 Uhr ein Problem hat, dann muss ich aufstehen.“

Von den früher 30 Bauern im Ort sind nur drei übrig geblieben

Daneben müssen 33 Hektar Grünland bearbeitet, das Futter eingebracht, die Ferienwohnungen auf Vordermann gebracht, die 28 Hektar Bergwald in Schuss gehalten werden. Die Hälfte des Grünlands haben die Höfers gepachtet. Als der Senior so alt war wie sein Sohn jetzt, gab es noch 30 Bauern im Ort. Drei sind übrig geblieben. Die Pachtpreise sind in die Höhe geschossen. Land kaufen – fast unerschwinglich. „Wenn ich mir heute eine Fläche kauf, müsste ich sie 300 Jahre lang pachten, bis ich die Summe erreicht hätte, die ich heute bezahlen muss“, sagt der Junior.

„Man muss mit uns reden, nicht über uns“

Höfer weiß, dass er in seinem Beruf 24 Stunden abrufbereit sein muss: „Ich stell mich darauf ein und ich mag das – aber wenn es uns Bauern immer wieder so schwer gemacht wird, ist das nicht gut.“ Und wie geht es weiter in der großen Politik? „Man muss mit uns reden, nicht über uns“, wünscht sich der junge Mann. „So, wie es jetzt ist, kann’s nicht weitergehen.“

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