Projekt nach drei Jahren abgeschlossen
Wenn Kühe das Tempolimit festlegen – und was das mit Baukultur im Rosenheimer Land zu tun hat
„Wos isn des?“: Das war die meistgestellte Frage, die den Akteuren der „Baukulturregion Alpenvorland“ in ihrer dreijährigen Projektarbeit begegnete. Klingt trocken, ist es aber nicht. Das zeigen auch die zahlreichen Bilder in einem Buch, das nun im Beisein von Schirmherrin Ilse Aigner in Au präsentiert wurde.
Bad Feilnbach – Keine einfache Aufgabe, einen trockenen Begriff mit Leben zu füllen und dann noch dafür zu sorgen, dass ein Funke der Begeisterung überspringt. Denn die Frage „Wos is‘n des“ ist den Vertretern der acht Gemeinden aus drei Landkreisen, die an dem Modellprojekt „Baukulturregion Alpenvorland“ teilnahmen, nach drei Jahren so vertraut wie keine andere. Und deswegen heißt das Buch, das zum Abschluss des Projektes herausgegeben wurde, auch genau so: „Baukultur – wosisndes?“
Baukultur ist, „wenn acht Kommunen sich als Region verstehen, um über den Kirchturm hinaus zu denken“, heißt es darin etwa neben einer Aufnahme von einer Ortsbegehung. Oder „...wenn Haus und Hof gut gestaltet werden“ zu einem Bild, das einen Blick in einen Offenstall zeigt. Oder eben auch: „...wenn Kühe das Tempolimit festlegen“, anschaulich gemacht mit einem Foto, das die Teilnehmer beim Blick aus dem Bus zeigt, vor dem gerade das Vieh über die Straße trottet – ein Anblick, der selten geworden und mancherorts sogar ein Alleinstellungsmerkmal ist.
Eine ganze Liste an Antworten auf die Frage gab es aber auch zuvor schon vor dem Trogerhaus in Au, einem Ortsteil der Teilnehmergemeinde Bad Feilnbach. Den Treffpunkt für diesen letzten Baukulturspaziergang im Rahmen des Projekts hatte der Feilnbacher Bürgermeister und Vorsitzende der LAG Mangfalltal-Inntal, Anton Wallner, ganz gezielt gewählt: Das Trogerhaus stammt aus dem Jahr 1536 und ist damit laut Kreisheimatpfleger Daniel Hoheneder der älteste erhaltene Bauernhof im Landkreis Rosenheim. Die Gemeinde hat das Bauwerk, in dem zuletzt der Maler Pepp Füss gelebt hatte, erworben und möchte das Anwesen nun zum Zentrum der Ortsgemeinschaft von Au machen.
Hoheneder, der sich schon seit 2009 mit der Historie des Trogerhauses beschäftigt, erklärte angesichts dieses Vorhabens mit spürbarer Begeisterung: „Das ist Baukultur!“ Er sei sich sicher, dass hier ein Objekt mit großer Strahlkraft entstehe. Alleine die an diesem Tag zugänglichen Räumlichkeiten hinterließen auch bei den zahlreichen Gästen einen tiefen Eindruck. Das Projekt war Wallner zufolge „sicherlich auch ein Ausfluss aus dem Baukultur-Projekt“. Er bekannte: „Es war schon auch mal lästig, aber es war gut, dabei gewesen zu sein, denn sonst wäre nichts weitergegangen. Und wenn sowas wie ,der Troger‘ mal weg ist... Das kriegt man nie wieder.“
Inititator des interkommunalen Leader-Projektes mit europaweiter Ausschreibung ist der Altbürgermeister von Weyarn, Michael Pelzer. Sein Anliegen: „Impulse zu setzen, unsere wunderschöne Gegend zu schützen und zu erhalten“. Er zeigte sich stolz angesichts dessen, was in den vergangenen drei Jahren erreicht worden sei: „Eine Sensibilisierung der Menschen, Verwaltungen und Entscheidungsträger für die Kultur des Bauens und der Landschaft, das Bewusstsein, was Baukultur für unsere Lebensqualität bedeutet und vor allem die Schaffung von Netzwerken.“
Dies sei nicht zuletzt auch den drei Kreisbaumeistern Rupert Seeholzer, Christian Boiger und Andreas Heinz sowie dem ARGE-Team mit Elisabeth Leitner, Björn Teichmann, Florian Kluge und Josef Mathis zu verdanken, die „mit Leidenschaft und Kompetenz, Phantasie und Professionalität sowie mit Lust und Fröhlichkeit etwas auf den Weg gebracht haben, das Dauerhaftigkeit verspricht“.
Das Projekt „Baukulturregion Alpenvorland“
Im Projekt „Baukulturregion Alpenvorland“ haben sich die Landkreise Rosenheim, Miesbach und Bad Tölz-Wolfratshausen vernetzt. Im Rahmen eines regionalen Auswahlverfahrens haben sich die acht Kommunen Bad Aibling, Bad Feilnbach, Dietramszell, Gmund, Holzkirchen, Kiefersfelden, Neubeuern und Samerberg zusammengetan. Ziel: Baukultur als ein wichtiges Thema der kommunalen Entwicklung zu verankern. Unter anderem ging es darum, die wesentlichen Baukultur-Anliegen vor Ort zu identifizieren, zu fokussieren und in konkrete Projektaufgaben weiterzuentwickeln. Begleitet wurden die Kommunen von der Arbeitsgemeinschaft (ARGE) Baukultur konkret. Das generierte Wissen diente im zweiten Schritt zur Entwicklung einer gemeinsamen Baukulturstrategie für die Region. Diese besteht aus sieben Bausteinen, die die Baukulturregion strategisch voranbringen. Das Projekt ist ein LEADER-Kooperationsprojekt der drei Lokalen Arbeitsgruppen (LAG) Mangfalltal-Inntal, Kreisentwicklung Miesbacher Land und Bad Tölz-Wolfratshausen.
Pelzer richtete sich auch an die Bürgermeister und 192 Stadt- und Gemeinderäte, die hinter dem Projekt standen und stehen: „Sie alle wissen, dass das Geschenk, in einem besonders schönen Teil dieser Welt leben zu dürfen, auch eine Verpflichtung ist: Unsere Landschaft mit Gebautem und frei Gehaltenem so zu bewahren und gleichzeitig zu gestalten, dass wir diesem Geschenk gerecht werden und den folgenden Generationen unsere Welt ein wenig besser zu übergeben, als wir sie übernommen haben.“
Die Schirmherrin des Projekts, die Bayerische Landtagspräsidentin Ilse Aigner, bezeichnete das Projekt als etwas ganz Besonderes. Hier gehe es um „gebaute Heimat“ und die wichtige Frage „Wie bauen wir in Zukunft?“ Es sei „allen Hirnschmalzes wert, sich Gedanken darüber zu machen, wie man die eigene Heimat fortentwickeln kann, damit sie liebenswert und Heimat bleibt“. Sie zeigte sich beeindruckt von dem, was in den vergangenen drei Jahren geschehen sei: „Ein großes Werk und eine große Tat für unsere Region – ausgeführt mit Vernunft, Herz und Verstand.“
Landrat Otto Lederer ging angesichts des besichtigten Trogerhauses dem Gedanken nach: „Welche Häuser, die wir heute bauen, werden in 500 Jahren noch stehen? Ich bin überzeugt: kein einziges.“ Er betonte: „Wer glaubt, Baukultur ist etwas Museales, ist auf dem Holzweg. Baukultur muss gelebt werden, muss bewahren und zugleich offen sein für Neues.“
Auch wenn das Projekt „Baukulturregion Alpenvorland“ nach drei Jahren nun beendet ist, will man auch in Zukunft vernetzt bleiben und sich vierteljährlich zu den Bürgermeisterstammtischen weiterhin treffen. So lud der Kiefersfeldener Bürgermeister Hajo Gruber zur Besichtigung in seinen Ort ein: „Bei uns entsteht eine der spektakulärsten Firmenzentralen, die der Firma Dynafit.“



