Die unglaubliche Welt des Schlafes
„Ein Zustand wie gelähmt“: Bad Feilnbacher Experte gibt Tipps für einen besseren Schlaf
Früher konnte man sich im Schlaf nicht gegen Feinde verteidigen, heute sorgen Stress und Atemaussetzer für Störungen der nächtlichen Ruhe. Professor Dr. Peter Young ist Schlafmediziner und fasziniert vom natürlichen Lebenselixier. Wie viel Schlaf ein Mensch braucht und was man dafür tun kann.
Bad Feilnbach – Kleine Kinder machen „Heia“, Erwachsene schlummern oder nehmen einen „Powernap“. Wie man es auch nennen mag, Schlaf ist für jeden Menschen unersetzlich. Fasziniert von der Materie ist Professor Dr. Peter Young. Er ist ärztlicher Direktor und Chefarzt der Klinik für Neurologie im „Medical Park Bad Feilnbach Reithofpark“. Seine klinischen Schwerpunkte liegen in den neurogenetischen Erkrankungen, der Schlafmedizin sowie der Intensiv- und Beatmungsmedizin. Im OVB-Interview, anlässlich des Tags des Schlafes am 21. Juni, verrät er, wie man gesunden Schlaf fördern kann, wie Störungen behandelt werden und wo er am Wochenende am liebsten ein Nickerchen macht.
Herr Professor Dr. Young, machen Sie als Schlafexperte eigentlich auch mal einen Mittagsschlaf?
Professor Dr. Peter Young: Den Mittagsschlaf am Wochenende, am liebsten im Garten an einem schattigen Plätzchen, mache ich sehr gerne. Ich nehme dafür auch gerne in Kauf, am Abend dann etwas später zu Bett zu gehen, um auch genügend Schläfrigkeit mitzunehmen, um einschlafen und auch durchschlafen zu können. Meine Devise als Schlafmediziner: Den gesunden Schläfer kann in der Regel wenig erschüttern.
Was fasziniert Sie so am Thema Schlaf?
Prof. Dr. Young: Ohne Schlaf kein Leben. Das Thema Schlaf fasziniert mich, seitdem ich mich entschieden habe, Arzt zu werden. Schlaf ist ein essentiell wichtiger Zustand, um überhaupt leben zu können. Die Frage, wie „schlafen“, aber auch „wachen“, biologisch wissenschaftlich zu verstehen ist, ist weiterhin ein Bereich, der immer wieder Überraschungen und auch ein grundsätzlich neues Verständnis für medizinische und biologische Zusammenhänge offenbart.
Was meinen Sie damit?
Prof. Dr. Young: Ein Beispiel: Es ist mittlerweile gut bekannt, dass die individuell bevorzugte Schlafdauer, also wie viel Schlaf man braucht, um ausgeschlafen zu sein, sehr stark genetisch festgelegt ist. Forscher wurden vor einigen Jahren sogar mit dem Medizinnobelpreis ausgezeichnet, weil sie sogenannte Uhrengene identifizieren konnten, die für den Schlaf-Wach-Rhythmus zuständig sind. Eine andere faszinierende Frage im Bereich Schlaf: Wie konnte in der gesamten Evolution ein Zustand, in dem Lebewesen wie gelähmt sind, ohne sofortige Reaktionsfähigkeit, ohne die Möglichkeit sich gegen Feinde zu verteidigen, überhaupt bis heute bestehen? Aus meiner Sicht ist das nur möglich, weil die Funktionen, die vom guten Schlaf abhängig sind, etwa richtig Denken, Lernen und körperliche und geistige Erholung, so wichtige Zustände sind, dass wir sie in der Evolution nicht verlieren durften. Da mich insbesondere viele Krankheitsbilder um den Schlaf herum faszinieren, habe ich mich dazu entschlossen, in Bad Feilnbach eine eigene sogenannte Schlafreha aufzubauen.
Wie wichtig ist Schlaf für die Gesundheit eines Menschen?
Prof. Dr. Young: Ohne gesunden Schlaf ist eine gute Gesundheit undenkbar. Es gibt viele Schlafstörungen, die sich dadurch auszeichnen, dass der nächtliche Schlaf gestört ist, etwa durch Atempausen, durch unruhige Beine oder überhaupt durch das Unvermögen, durchzuschlafen. Wir wissen mittlerweile, dass Menschen, die an unterschiedlichsten Schlafstörungen leiden, ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Auch gibt es Untersuchungen, die nahe legen, dass bei unzureichendem und schlechtem Schlaf, wie zum Beispiel bei nächtlichen Atemaussetzern, auch ein leicht erhöhtes Risiko besteht, im weiteren Verlauf an einer Demenzerkrankung zu erkranken.
Welche Faktoren können bei all den Risiken für einen guten Schlaf sorgen?
Prof. Dr. Young: Das sind Faktoren, die den abendlichen und nächtlichen Zustand der Ruhe und der Ungestörtheit fördern. Dazu gehören natürlich eine entsprechende Umgebungstemperatur, die allermeisten Menschen bevorzugen eine dunkle Umgebung. Des Weiteren gibt es Empfehlungen, dass die abendliche Kalorienzufuhr nicht allzu hoch ist, damit der Körper nicht zu stark mit der Verstoffwechselung der Mahlzeit des Abends beschäftigt ist. Die wichtigste Grundregel für den Schlaf ist aber, dass ein Mensch erkennt, wie viel Schlaf er etwa benötigt, die meisten Menschen sind mit sieben bis siebeneinhalb Stunden zufrieden, so dass damit der Schlafbedarf auch wirklich gedeckt werden kann.
„Ohne gesunden Schlaf ist eine gute Gesundheit undenkbar.“
Braucht also jeder Mensch ungefähr gleich viel Schlaf?
Prof. Dr. Young: Es gibt sogenannte Kurz- und Langschläfer. Deshalb bewegt sich die normale Schlafenszeit zwischen fünf und elf Stunden. Der Schlafbedarf ist in erster Linie über die Gene geregelt, die die Länge der Schlafperiode und der Wachperiode regulieren. Äußere Faktoren, wie soziale oder persönliche Belastung, Medikamente und klimatische und kulturelle Einflüsse, spielen natürlich auch eine Rolle. Diese haben häufig einen sehr starken Einfluss auf unsere tatsächliche Schlafenszeit. Wir wissen aber, dass in den letzten Jahren die Gesellschaft insgesamt ein stärkeres Gesamtschlafdefizit entwickelt, was nicht immer einhergeht mit den eigentlichen persönlichen Schlafbedürfnissen.
Was sind die häufigsten Gründe für Schlafprobleme?
Prof. Dr. Young: Die häufigsten Ursachen für vorübergehende Schlafprobleme sind sozialer oder persönlicher Stress und körperliche Erkrankungen. In der Schlafmedizin sprechen wir jedoch von Schlafstörungen, wenn entsprechende Erkrankungen des Schlafs auftreten und diese zeichnen sich in der Regel alle durch eine chronische Störung aus, die über drei Monate besteht. Zum Beispiel ist die chronische Ein- und Durchschlafstörung (Insomnie) eine Erkrankung, bei der es zu dauerhaft erschwertem Ein- und oder Durchschlafen kommt.
Was kann man gegen Schlafstörungen unternehmen?
Prof. Dr. Young: Auf der einen Seite kann schlechter Schlaf mit Medikamenten behandelt werden. Auf der anderen Seite steht die als kognitive Verhaltenstherapie angewandte Methode, um Menschen wieder ohne Medikamente zu einem besseren Schlaf zu bringen. Die Anwendung ist vielfältig und es gilt die Grundregel, dass Medikamente für den kurzfristigen Einsatz von Schlafstörungen sehr geeignet sein können. Bei chronischen Schlafstörungen, etwa chronische Insomnie, sind Medikamente jedoch für eine dauerhafte Verbesserung ungeeignet. Aus diesem Grund sind die medizinischen Leitlinien derzeitig alle der Meinung, dass die kognitive Verhaltenstherapie zur Behandlung der Schlafstörung die erfolgreichste Therapie auf Dauer ist.
Und wie sieht diese aus?
Prof. Dr. Young: Hier besagen die Grundprinzipien vor allem, dass Menschen, die schlecht schlafen können, die Zeit eher weniger im Bett verbringen sollen, tagsüber nicht schlafen dürfen und vorübergehend sogar einen gewissen Schlafmangel verordnet bekommen. Dadurch sollen der Schlafdruck, die Schläfrigkeit und das Einschlafen oder Durchschlafen wieder verbessert werden. Methoden beispielsweise, wie wir sie in der Rehabilitation in Bad Feilnbach in der sogenannten „Schlafreha“ anwenden. Damit Menschen, die eine Schlafstörung haben, die länger als drei Monate besteht, weitestgehend ohne Medikamente wieder erlernen können, richtig zu schlafen.
Wissen die Menschen grundsätzlich zu wenig über ihren Schlaf?
Prof. Dr. Young: Klar ist, dass das fundierte Wissen über den Schlaf in der Bevölkerung eher schlecht ist. Viele Menschen sind weiterhin der irrigen Annahme, dass man chronische Schlafstörungen mit Hausmittelchen und nicht medizinischem Beistand behandeln kann. Das ist grundlegend falsch. Neurologen, Pneumologen, Internisten, Hausärzte, Psychiater und HNO-Ärzte können die Zusatzbezeichnung Schlafmedizin erlangen. Diese sind auf die Diagnostik und Therapie von Schlafstörungen spezialisiert. Aus meiner Sicht ist der Tag des Schlafes deswegen wichtig, damit die Menschen tatsächlich ihren Schlaf ernst und wichtig nehmen und dem Phänomen Schlaf auch entsprechenden Raum in ihrem Leben einräumen.