Keine Chance in freier Wildbahn
Immer mehr ausgesetzte Tiere? Bad Endorfer Tierschutzverein „Federn und Pfoten“ schlägt Alarm
Nutztiere und Haustiere haben in Freiheit kaum eine Überlebenschance: Ein Beispiel dafür ist der Fall eines am Simssee ausgesetzten Warzenenten-Pärchens. Wie es den Tieren geht und an wen man sich wenden kann, wenn man ein ausgesetztes Tier findet.
Bad Endorf – „Wir sagen nichts dagegen, wenn Nutztiere geschlachtet werden. Aber aussetzen, geht gar nicht“, sagt Nicola Kohoutek. Die Gründerin des Tierschutzvereins Federn und Pfoten ist sauer. Seit Jahren kümmert sie sich um verletztes und ungewolltes Federvieh bei sich auf ihrem Gnadenhof in Bad Endorf. Egal, ob Huhn, Gans, Ente, Pute oder Taube – bei Familie Kohoutek finden diese Tiere ein neues Zuhause oder werden gepflegt und weitervermittelt. Der jüngste Fall von zwei ausgesetzten Warzenenten ärgert sie besonders, weswegen sie den Vorfall zur Anzeige gebracht hat.
Ente in schlechtem Allgemeinzustand
Ein Rückblick: Anfang September meldeten sich Badegäste bei dem Verein, dass sich am Simssee-Badestrand in Pietzing ein Entenpärchen aufhält. Für die Badegäste war klar: Das sind keine Wildtiere. Und gesund sehen sie auch nicht aus. „Wir konnten daraufhin das weibliche Tier sichern“, erklärt Kohoutek. Die Ente war zwar nicht verletzt, allerdings in einem schlechten Allgemeinzustand. Der Erpel war zunächst nicht auffindbar. Wenige Wochen später, am 24. September, kam dann ein Anruf aus Ecking. Das zweite Tier lag beim Seewirt am Strand und musste nach seiner Sicherung wegen einer Augeninfektion in der Priener Vogelpraxis behandelt werden.
Die Ente – von den Kohouteks „Bella“ getauft – erholte sich schneller als der Erpel, der den Namen „Mato“ erhielt. Wegen eines Durchbruchs musste das Auge entfernt werden. „Inzwischen hat er sich von der OP erholt, die Heilung war aber sehr aufwendig für uns und schmerzhaft für das Tier.“ Mato musste zehn Tage in Quarantäne bleiben, erhielt dreimal täglich starke Schmerzmittel und Antibiotika. Denn da die Operationswunde nur äußerlich, aber nicht innerlich genäht wurde, musste die Augenhöhle von innen heraus ausheilen. „Es war hart, aber er hat es geschafft.“
Alte Besitzerin sorgt für Aufklärung
Durch einen Aufruf in den Sozialen Medien konnte die ehemalige Besitzerin des Warzenentenpärchens ausfindig gemacht werden. „Sie rief aufgelöst bei uns an, weil sie die Tiere abgegeben hatte und dachte, sie seien in guten Händen“, erklärt Nicola Kohoutek. Es stellte sich jedoch heraus, dass der Mann, der die beiden Enten zusammen mit zwei Hühnern und einem Hahn aufgenommen hatte, sie am Simssee aussetzte. „Da es sich um Hausenten handelt, ist das weder erlaubt noch sinnvoll, da die Tiere in freier Wildbahn kaum eine Überlebenschance haben“, erläutert die Tierschützerin.
Der Tierschutzverein hat daraufhin den Halter der Enten bei der Polizei in Prien angezeigt. Dass sich ein Tatbestand wie im Fall der Warzenenten so aufklärt, sei eher selten, erklärt Alexandra Rieger, Polizeioberkommisarin bei der Wasserschutzpolizei in Prien. „In den meisten Fällen fehlen Zeugen, die Ermittlungen laufen dann ins Nichts“, so Rieger. Rieger hat die Anzeige zu den Warzenenten aufgenommen und an die zuständige Polizei in Rosenheim weitergeleitet.
Keine selbstständige Nahrungsbeschaffung
„Viele Menschen gehen etwas unbedarft mit Tieren um, manchmal sogar ohne böse Absicht“, erklärt Rieger. Ihnen sei nicht bewusst, dass Tiere, die vorher aus einem Napf gefressen haben, unmöglich in der Natur überleben können. Daher ist die Gefährdung des Tierwohls durch das Tierschutzgesetz (§17 TierSchG) geregelt. Sind Tiere länger anhaltendem oder sich wiederholendem Leid oder Schmerzen ausgesetzt, wird dies mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit einer Geldstrafe geahndet. „Das trifft im Fall der Enten zu. Denn bei dem Hunger, den die Tiere in freier Wildbahn erlebt haben, da sie nicht imstande sind, sich selbst Futter zu suchen, spricht man von anhaltendem Leid“, so Rieger.
Wie die Polizistin erläutert, käme es immer wieder zu Fällen von ausgesetzten Tieren. Bei im Wasser lebenden Tieren und anderen Umweltdelikten rund um den Chiemsee sei die Wasserschutzpolizei Prien zuständig. Haustiere wie Hunde würden von den Hundedienstführern abgeholt und ins Tierheim gebracht.
Auch das Tierheim Rosenheim erhält ab und zu Meldungen über ausgesetzte Nutztiere und Vögel. „Allerdings dürfen wir diese nicht aufnehmen“, sagt Andrea Thomas, Vorsitzende des Tierschutzvereins Rosenheim. Denn die Auflagen seien streng und das Tierheim nur für Hunde, Katzen und Kleintiere eingerichtet. Was Thomas jedoch ebenfalls mit großer Sorge beobachtet: Die Abgabe von Haustieren sei „brutal gestiegen“. Ganz besonders bei den Katzen. „Wir sind bei der maximalen Kapazität angelangt und können derzeit keine privaten Abgaben annehmen.“ Ebenfalls stark zugenommen hätte das Aussetzen von Wasser- und Landschildkröten. „Woher die kommen, ist ungewiss“, sagt Thomas.
Auflagen für Nutztierhaltung
In den meisten Fällen wird auch das Veterinäramt in Kenntnis gesetzt. So auch bei den Warzenenten vom Simssee. Bereits in der Vergangenheit habe die Behörde in einzelnen Fällen mit dem Verein Federn und Pfoten zusammengearbeitet. Denn wie das Amt auf Nachfrage erklärt, muss die Haltung von Nutztieren generell gemeldet werden. „Es ist hierbei unerheblich, ob es sich um eine Haltung von Tieren zu einem gewerblichen Zweck, zum Beispiel bei Landwirten, oder um eine sogenannte ‚Hobby-Haltung‘ handelt.“ Dabei müsse der Tierhalter zum einen seinen Namen, seine Anschrift und die Anzahl gehaltener Tiere angeben. Zum anderen müsse aber auch ihre Nutzungsart und der Standort der Haltung bei den zuständigen Behörden gemeldet werden.
Wer ausgesetzte Nutztiere findet, kann sich laut Veterinäramt zum Beispiel an landwirtschaftliche Berufs- und Wirtschaftsverbände oder Tierschutzverbände wenden. Auch der Verkauf oder die Schlachtung von Nutztieren ist unter Beachtung der tiergesundheitlichen Voraussetzungen möglich.
Happy End für Mato und Bella
Die beiden Warzenenten Mato und Bella haben Glück gehabt. „Sie dürfen bei uns bleiben“, sagt Nicola Kohoutek. Mehr noch: Da Warzenerpel als besonders potent gelten und polygam sind, so erklärt es die Tierschützerin, haben die Kohouteks zu dem Pärchen zwei weitere weibliche Enten aufgenommen. Damit sei vor allem Bella geholfen. „Für eine artgerechte Haltung.“
