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Internationaler Tag gegen Homophobie am 17. Mai

Pankraz Schaberl (36) aus Feldkirchen-Westerham verrät, wie befreiend sein Outing war

Leben seit 2008 in einer notariell eingetragenen Lebenspartnerschaft: Pankraz Schaberl (links) und Detlef Biermann.
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Leben seit 2008 in einer notariell eingetragenen Lebenspartnerschaft: Pankraz Schaberl (links) und Detlef Biermann.

Als Jugendlicher hat sich Pankraz Schaberl aus Feldkirchen-Westerham gegenüber Freunden als schwul geoutet, später dann gegenüber seiner Familie. Im OVB-Gespräch verrät der 36-Jährige, wie sein Umfeld reagiert hat – und warum „safe spaces“ so wichtig sind.

Feldkirchen-Westerham – Beleidigungen oder gar körperliche Attacken in Bezug auf seine Sexualität hat er bislang nicht erlebt. Dennoch weiß Pankraz Schaberl (36) aus Feldkirchen-Westerham – schwul und seit 2008 mit einem Mann verheiratet – wie groß der Druck ist, der auf Betroffenen lastet. Wie werden Familie und Freunde auf ein Outing reagieren? Wie sein Comingout verlaufen ist, wie emotional sein Vater reagiert hat und wieso es so wichtig ist, sogenannte „safe spaces“ (geschützte Räume, frei von Diskriminierung) zu haben, darüber hat Pankraz Schaberl mit dem OVB gesprochen.

Aufgewachsen mit fünf Geschwistern – zwei Brüdern und drei Schwestern – auf dem Bauernhof der Eltern hatte Pankraz Schaberl in der Pubertät immer mehr das Gefühl, dass er einfach anders war, als seine Klassenkameraden. „Das kündigte sich natürlich schon länger an“, erinnert sich der heute 36-Jährige an seine Schulzeit in Feldkirchen-Westerham zurück. „Doch im Alter von 13 oder 14 Jahren ist einem noch nicht ganz klar, was das bedeutet.“ Ein Beispiel: „Als meine Freunde die ersten Freundinnen hatten, wollte ich natürlich auch eine Freundin haben.“

„Da habe ich meinen besten Freunden dann gesagt, dass ich schwul bin“

Im Alter von 15 oder 16 Jahren wurde dem Feldkirchen-Westerhamer dann aber immer klarer, „dass ich mich viel mehr für Männer als für Frauen interessiere“. Eine Erkenntnis, die ihn zunächst unter Druck gesetzt hatte. „Aus Angst vor den Reaktionen in meinem Umfeld war ich zunächst natürlich extrem vorsichtig und bin damit nicht offen umgegangen.“ Eine belastende Geheimniskrämerei, von der sich der Heranwachsende in der zehnten Klasse endlich lösen wollte. „Da habe ich meinen besten Freunden dann gesagt, dass ich schwul bin.“

Deren Reaktionen? „Sie haben sich total gefreut und es vollkommen positiv aufgenommen.“ Allerdings sei es für die meisten auch keine große Überraschung gewesen. „Das war denen sowieso schon klar“, erinnert sich Schaberl. Doch warum haben sie den damals Heranwachsenden selbst nicht darauf angesprochen? Schaberl mutmaßt, dass „einfach auch Angst da war, sich vielleicht doch zu täuschen“. Für ihn selbst sei das Comingout auf jeden Fall „eine große Erleichterung“ gewesen.

Ein fesches Mannsbild: Pankraz Schaberl ist nicht nur Mitglied im Trachtenverein, sondern befasst sich auch beruflich mit Trachtenmode.

Bis er sich seiner Familie offenbarte, sollten allerdings noch ein paar Jahre vergehen. Nachdem Schaberl nach seinem Schulabschluss eine Hotelfach-Ausbildung in Aying (Landkreis München) begonnen hatte, knüpfte er in der großen Schwulenszene Münchens erste wichtige Kontakte, die ihm halfen, mehr Selbstbewusstsein als schwuler Mann zu entwickeln. „Ich habe ja in einem persönlichen Umfeld keinen Homosexuellen gekannt“, erzählt Schaberl, der in queroffenen Kneipen in München dann nicht nur die Möglichkeit hatte, andere Homosexuelle kennenzulernen, sondern auch „mit ihnen Erfahrungen, Sorgen und Nöte auszutauschen“.

Für Schaberl ein ganz wichtiger Punkt für junge Menschen, die mit ihrer sexuellen Orientierung und dem Umgang damit im familiären Umfeld erst einmal klar kommen müssen: „Diese ,safe spaces‘ sind enorm wichtig, damit junge Menschen, die einfach Angst davor haben, wie Familie und Freude reagieren, sich mit Menschen, denen es ähnlich geht oder ergangen ist, austauschen können“, sagt der 36-Jährige und verweist darauf, „dass es immer noch junge Menschen gibt, die sich aufgrund ihrer Homosexualität das Leben nehmen“.

Seelische Belastungen, mit denen sich Schaberl glücklicherweise nie konfrontiert sah. Zumal er bereits im Alter von 19 Jahren den Elektrotechniker Detlef Biermann, heute 56 Jahre alt, aus Travemünde bei Lübeck in Schleswig-Holstein kennen und lieben lernte. Die Liebe seines Lebens. Seit 2008 sind die beiden Männer, die in Feldkirchen-Westerham leben, verheiratet – oder genauer gesagt in einer notariell eingetragenen Lebenspartnerschaft, nachdem zu diesem Zeitpunkt die „Ehe für alle“, 2017 letztlich auf politischer Ebene verabschiedet, noch Wunschdenken war.

Emotionale Szene bei der Autofahrt

Ein Mann, der letztlich dazu führte, dass sich Pankraz Schaberl auch gegenüber seiner Familie outete. Und zwar ein bisschen mit der Holzhammermethode. „Ich habe ihn einfach nach einem Theaterstück, bei dem ich selbst mitgespielt habe, meinen Eltern vorgestellt“, erinnert sich Schaberl. „Am Anfang war die Stimmung zwar erst einmal etwas komisch“, beschreibt der heute 36-Jährige, der seit Jahren in einem Trachtengeschäft in Bad Tölz arbeitet, die damalige Situation. „Mein Vater hat beispielsweise mehr oder weniger durch die Blume gesprochen, weil er das Thema irgendwie nicht direkt ansprechen wollte.“ Seine Mutter habe seinen Freund hingegen „sofort umarmt“.

Wenn Eltern spüren, dass ihr Kind homosexuell ist, sollten sie es offen ansprechen. Das nimmt schon Mal ganz viel Druck raus.

Pankraz Schaberl, dessen Familie auf sein Outing „toll reagiert hat“

Insgesamt stellt Schaberl seinen Eltern im Umgang mit seiner Homosexualität ein hervorragendes Zeugnis aus: „Sie haben wirklich ganz toll reagiert.“ So habe ihm sein Vater wenig später auf einer gemeinsamen Autofahrt gesagt, dass es für ihn überhaupt kein Problem sei. Anschließend folgte ein Satz von Hans Schaberl, bis April noch Bürgermeister der Gemeinde Feldkirchen-Westerham, der Pankraz Schaberl heute noch extrem berührt: „Im Endeffekt hat er sich beim mir dafür entschuldigt, dass er mir seiner Einschätzung nach wohl das Gefühl gegeben haben muss, dass ich mich gegenüber ihnen nicht früher outen konnte.“

Doch nicht nur für seine Eltern, auch für seine Geschwister sei seine Homosexualität nie ein Problem gewesen. So erinnert sich der 36-Jährige, der in vielen Feldkirchen-Westerhamer Vereinen aktiv ist, gerne Theater spielt und für die SPD im Gemeinderat seiner Heimatgemeinde sitzt, besonders an ein Erlebnis mit seinem Bruder Vinzenz. „Ich bin damals nach langer Zeit wieder gemeinsam mit meinem Mann aufs Volksfest in Feldkirchen gegangen“, so der 36-Jährige. „Da wusste ich dann natürlich auch nicht, wie die Leute reagieren würden, nachdem es sich sicherlich schnell rumgesprochen hatte, dass ich schwul bin.“ Doch sein Bruder Vinzenz, der mit vielen Burschen an einem Tisch gesessen hatte, winkte das Paar zu sich uns sagte: „Hockt‘s euch doch her.“ Schaberl: „Damit war das Thema erledigt.“

Aktionstag gegen Diskriminierung

Der Internationale Tag gegen Homo-, Bi-, Inter- und Transphobie, der seit seiner Initiierung im Jahr 2005 jährlich am 17. Mai begangen wird, soll die Aufmerksamkeit darauf lenken, dass auch heutzutage immer noch Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert, in manchen Ländern sogar bestraft werden. Das Datum 17. Mai wurde bewusst gewählt, da am 17. Mai 1990 die Weltgesundheitsorganisation WHO Homosexualität von der Liste der Krankheiten gestrichen hatte.

Mit homophoben Beleidigungen oder gar körperlichen Attacken hat sich Schaberl persönlich noch nicht konfrontiert gesehen. Seine Verwandtschaft hingegen sei manchmal schon angesprochen worden – und zwar nicht immer wohlwollend. So habe eine „superkatholische Frau“ Schaberls Tante in einem Supermarkt angesprochen und sinngemäß ihr Mitleid bekundet, was Pankraz Schaberls Vater Hans mit seinem Sohn nun mitmachen müsse. „Meine Tante hat dann ganz cool mit dem Satz „Wenn der Herrgott das so will, dann wird das schon so richtig sein“ geantwortet. Der 36-Jährige erinnert sich auch an ein besorgtes Ehepaar, das seine Schwester, Erzieherin in einem Kindergarten, auf dessen Sexualität angesprochen hatte – wohl aus Angst, Pankraz Schaberls Homosexualität könne auf deren Kind abfärben.

Gründe, wieso Schaberl es auch so wichtig findet, offen mit seiner Homosexualität umzugehen – und sein Leben, wie eben Heterosexuelle auch, ganz normal zu leben. „So sorgt man dafür, dass nachkommende Generationen ganz normal mit dem Thema umgehen und aufwachsen“, findet Schaberl und verweist auf die Kinder seiner Geschwister, für die es ganz normal sei, dass er gemeinsam mit seinem Mann Detlef zu Familienfesten komme. Sein Traum: Dass das Thema Homosexualität einfach überhaupt kein Thema mehr in der Gesellschaft ist.

„Die Eisschicht ist jedenfalls schon mal gebrochen“

Dass er das noch erleben wird, glaubt Schaberl zwar nicht. Dennoch habe er das Gefühl, dass sich die Gesellschaft in die richtige Richtung entwickle und die „Offenheit immer größer wird“. Schaberl: „Die Eisschicht ist jedenfalls schon mal gebrochen.“ Wobei Schaberl natürlich auch weiß, dass er das Glück hatte, dass es zumindest in seiner Familie und seinem Freundeskreis eine derartige Eisschicht nie gegeben hat. So hatte er bei seinen Eltern auch nach dem Outing das Gefühl, „dass sie mich noch genauso lieben, wie vorher.“ Schaberl: „Ich weiß natürlich, dass es ein Privileg ist, dass ich mich und meine sexuelle Orientierung zuhause und bei meinen Freunden nie verstecken musste.“

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