Was die Kommune unternehmen will
„Städtischer Charakter“: Verliert Bad Aiblings Jugend den Zugang zur Landwirtschaft?
Die Kinder in Bad Aibling sind „weiter weg von der Landwirtschaft als in anderen Gemeinden“: Stephanie Wimmer, Geschäftsführerin der Ökomodellregion „Hochries-Kampenwand-Wendelstein“, ist sich dieser Tatsache bewusst. Im Stadtrat ging es um die Frage, was zu tun ist, um der Entwicklung entgegenzusteuern.
Bad Aibling – Vor allem das jüngere Publikum scheint vom 24 Stunden-Supermarkt, der seit vergangenem Jahr in Bad Aiblings Innenstadt etwa Snacks oder Süßigkeiten, insbesondere spezielle US-Ware, aus Automaten anbietet, angezogen zu werden. Passend dazu sinnierte Stadträtin Martina Thalmayr (Grüne) kürzlich über die Frage, ob nicht ein ähnliches Konzept, etwa mit der „Milch von nebenan“, in der Kurstadt ebenfalls funktionieren könnte. Mit der Idee reihte sich Thalmayr in eine Diskussion ein, die sich mit der Frage beschäftigte, inwiefern vor allem Aiblings Jugend noch Bezug zur Landwirtschaft hat.
Hintergrund war die Mitgliedschaft der Stadt in der Ökomodellregion Hochries-Kampenwand-Wendelstein. Dem Projekt, das Kommunen helfen soll, Bereiche wie Ökologie, Regionalität sowie Nachhaltigkeit voranzubringen, gehörte Bad Aibling in den vergangenen Jahren an. Da die Förderperiode im Oktober 2024 endet, musste nun der Stadtrat entscheiden, ob man die Mitgliedschaft bis 2027 verlängern möchte. Jährlich zahlte die Stadt bislang bis zu 5000 Euro dafür. Verbunden damit war vor allem die Frage, was der Beitritt bisher überhaupt gebracht hat – und ob eine Verlängerung dementsprechend Sinn ergibt.
Wo sich Aibling von den anderen Gemeinden unterscheidet
„Man merkt in Aibling den städtischen Charakter“, erklärte Stephanie Wimmer, die als Managerin zusammen mit Stefanie Adeili für eine Verlängerung im Stadtrat warb. Wimmers Eindruck: „Die Kinder sind hier einfach weiter weg von der Landwirtschaft als in anderen Gemeinden.“ Gerade deshalb könne ein verstärktes, weiteres Engagement in der Kurstadt hilfreich sein. Ziele der Modellregion: Ausbau der ökologischen Landwirtschaft, Aufbau regionaler Wertschöpfungsketten durch Integration von heimischen Bio-Produkten und eine Stärkung des Stellenwerts der Bio-Landwirtschaft etwa durch Bewusstseinsbildung für Verbraucher.
Was in der Theorie durchweg positiv klingt, rief im Bad Aiblinger Gremium auch Kritik hervor. Zwar sprach Bürgermeister Stephan Schlier (CSU) von einer „richtigen Stoßrichtung“. Man habe sich hier jedoch mehr Projekte und mehr Resonanz erhofft. So habe man etwa vereinbart, „sollten wir in die Verlängerung gehen“, dass man etwa gezielt auf die Aiblinger Landwirte zugehen und diese zum Austausch einladen wolle. Während Stadtrat Andreas Winhart (AfD) die Zugehörigkeit zur Modellregion „grundsätzlich gut und fördernswert“ einstufte, wollte Dieter Bräunlich (ÜWG) wissen, was in den vergangenen Jahren eigentlich konkret vorangebracht wurde.
„Brotzeitbox-Aktion“ und Besuche auf dem Bauernhof
Neben zahlreichen Veranstaltungen und einer erfolgreichen Öffentlichkeitsarbeit habe man etwa die jährliche „Brotzeitbox-Aktion“ an zwölf Schulen mit rund 550 Kindern in der Öko-Modellregion abgeschlossen, erklärten die Managerinnen. Hierbei erhielten die Kinder, in Bad Aibling etwa 150, auch im Sinn der Bewusstseinsbildung zum ersten Schuljahr eine Brotzeitbox, gefüllt mit einer regionalen Bio-Brotzeit. Außerdem habe man in der Vergangenheit etwa den Familienbetrieb Gartmeier mit dem Gymnasium Bad Aibling vernetzt. 2023 kamen sechs 5. Klassen zu dortigen Bauernhofbesuchen. „Wir können in der Region selber etwas machen für die Landwirtschaft“, betonte Stefanie Adeili die Wichtigkeit des Projektes. Neben Bad Aibling gehören der Modellregion auch Bad Feilnbach, Rohrdorf, Samerberg, Aschau, Neubeuern, Frasdorf und Raubling an. Künftig kommen Nußdorf, Brannenburg, Oberaudorf und Kiefersfelden hinzu.
Für die Kurstadt machte Adeili deutlich, dass durchaus mehr Aktivitäten möglich sind. „Wir sind ganz offen für alle Anliegen, die an uns herangetragen werden.“ Dass die Aktivitäten in Bad Aibling selbst bisher recht überschaubar waren, hat für CSU-Stadtrat Erwin Kühnel einen offensichtlichen Grund: „Ich muss feststellen, dass der Bekanntheitsgrad in Bad Aibling mehr als gering ist.“ Wäre Kühnel nicht persönlich im E-Mail-Verteiler, er würde nichts davon mitbekommen, betonte er. Seine Anregung: Das Thema bekannter machen, indem ein entsprechendes Schild am Ortseingang darauf aufmerksam macht, wie beispielsweise in Bad Feilnbach. Laut Bürgermeister Schlier habe man sich jedoch bewusst dagegen entschieden, weil sonst ein „Sammelsurium an Mitgliedschaften“ am Ortseingang entstehe.
Bleibt Bad Aibling Teil der Öko-Modellregion?
Auch ein Austausch mit den Wirten, wonach sich Markus Stigloher (CSU) erkundigte, sei derzeit am Entstehen. Seit einem Jahr sei die Homepage online, „nach und nach wird alles bekannter“, erklärte Adeili. Noch mehr Bekanntheit wünschte sich auch Anita Fuchs (Grüne), die hierzu Veröffentlichungen im Stadtjournal oder auf der städtischen Internetseite anregte. Und vielleicht wird dann aus der Idee von Parteikollegin Thalmayr, die die Verlängerung in der Öko-Modellregion „selbstverständlich unterstützt“, auch irgendwann mal Wirklichkeit. Doch bevor über einen 24 Stunden-Supermarkt mit regionalen Produkten nachgedacht wird, entschied sich der Stadtrat erst einmal für die Verlängerung der Mitgliedschaft mit 19:3 Stimmen.