Vor 76. Bayerischem Heilbädertag in Bad Aibling
Gesundheitsvorsorge und Umgang mit Corona: Bad Aiblings Kurdirektor Thomas Jahn spricht Klartext
Viele Heilbäder haben mit den Corona-Folgen zu kämpfen. Wie Politik und Öffentlichkeit die Bäder unterstützen können und warum er die Bürger in puncto Gesundheitsvorsorge in die Pflicht nehmen will, hat Bad Aiblings Kurdirektor Thomas Jahn verraten.
Bad Aibling – Seit gut einem Jahr ist Bad Aiblings Kurdirektor Thomas Jahn Geschäftsführer des Bayerischen Heilbäder-Verbandes. Am Donnerstag/Freitag, 24./25. November, darf er als Gastgeber rund 100 Vertreter bayerischer Kurorte und Heilbäder zum 76. Bayerischen Heilbädertag in Bad Aibling begrüßen. Wie sehr die Kurorte noch unter den Folgen der Corona-Pandemie leiden, warum er die Bürger bei der Gesundheitsvorsorge in die Pflicht nehmen will und wieso er bei aktuell bei vielen Polittalkshows am liebsten abschalten würde, hat Jahn im Interview mit den OVB-Heimatzeitungen verraten.
Findet der Bayerische Heilbädertag erstmals in Bad Aibling statt?
Thomas Jahn: Nein, letztmals hat er in Bad Aibling 2007 zur Eröffnung der Therme stattgefunden. Eigentlich hätte er ja bereits zum 175. Jubiläum der Stadt als Moorbad im Jahr 2020 hier stattfinden sollen. Das hat die Corona-Pandemie aber verhindert. Die meisten Treffen haben in den vergangenen zwei Jahren dann digital stattgefunden, was aber wirklich nur eine Notlösung war, schließlich bekommt man da überhaupt keine Rückmeldungen und Emotionen mit. Für uns ist die Präsenzveranstaltung daher eine große Erleichterung und ein positives Signal.
Sie sind nun seit mehr als zwölf Monaten Geschäftsführer des Verbandes. Welche Themen haben Sie in dieser Zeit am meisten beschäftigt?
Jahn: Neben den üblichen Aufgaben, die einen das ganze Jahr hindurch beschäftigen, waren das eigentlich drei Dinge. Zum einen die Corona Pandemie und deren immer noch spürbare organisatorische Auswirkungen. So bestehen zwar für viele Einrichtungen wie die Therme keine speziellen Vorgaben mehr, die Reha-Kliniken haben jedoch immer noch mit vielen bekannten Corona-Auflagen zu kämpfen. Da ihnen mittlerweile aber finanzielle Corona-Hilfen gestrichen worden sind, sind hier massive finanzielle Probleme entstanden. Die Auslastung der Reha-Kliniken in Bad Aibling ist beispielsweise gut bis sehr gut. Doch der Druck und der Bedarf ist immens, schließlich schieben wir seit Corona eine Bugwelle an Reha-Behandlungen vor uns her, die auf uns zuschwappt, wenn die durch Corona aufgeschobenen Operationen nachgeholt werden. Hinzu kommt dann die bereits erwähnte finanzielle Situation.
Was sind die beiden anderen Themen?
Jahn: Das derzeit alles überstrahlende Thema sind natürlich die Energiekosten sowie die steigenden Kosten allgemein. Damit beschäftigen wir uns sieben Tage die Woche. Zudem arbeiten wir akribisch daran, den Heilbäderverband neuer und moderner aufzustellen. So sind wir derzeit unter anderem dabei, eine GmbH ins Leben zu rufen, um die wirtschaftliche Seite mehr in den Blick rücken zu können.
Stichwort Pandemie: Wie ist der Neustart ohne größere Einschränkungen geglückt?
Jahn: Eigentlich gut bis sehr gut. Wenngleich allerdings schon erkennbar ist, dass bei vielen Menschen ein Stück Unbeschwertheit und Unbekümmertheit verloren gegangen ist. Die Verbraucher sind einfach auch vorsichtiger geworden. Während vor der Pandemie beispielsweise zwischen Buchung und Besuch ein Zeitfenster von zehn bis zwölf Wochen gelegen hat, sind wir schon dankbar, wenn es heute zwei Wochen sind.
Kehrt die Unbeschwertheit irgendwann zurück?
Jahn: Ich denke schon, dass die Unbeschwertheit wieder mehr zurückkehren wird, aber das wird dauern. Und hängt zudem davon ab, wie in Zukunft mit Corona umgegangen wird. So lange in den Medien jeden Tag die Corona-Inzidenzen abgebildet werden und Bundesgesundheitsminister Lauterbach täglich durch die Talkshows tingelt, wird sich da wohl nicht viel ändern. Erst wenn auf allen Ebenen deutlich gemacht wird, dass wir Corona nun als Erkrankung begreifen müssen, die uns bleibt - wie halt auch die Grippe oder andere Krankheiten - und mit der wir leben müssen, wird es wieder entspannter werden.
Stellen Sie denn ein geschärftes Gesundheitsbewusstsein in der Bevölkerung durch die Corona-Pandemie fest?
Jahn: Man merkt schon, dass der Wert der Gesundheit bei den Menschen wieder mehr wahrgenommen wird. Das Problem ist aber oftmals, dass die Erkenntnis, dass Gesundheit wichtig ist, auch mit Leben gefüllt werden muss. Doch auch da habe ich das Gefühl, dass die Pandemie als Wirkbeschleuniger dazu geführt hat, dass der ein oder andere Bürger sich mehr mit seinem Körper auseinandersetzt.
Eine wichtige Rolle für die Gesundheit spielt das Thema Vorsorge. Wie könnte die Prävention noch mehr in den Vordergrund gerückt werden?
Jahn: Mit dem Präventionsgesetz des Bundes zur Stärkung der Vorsorge und der Rückkehr der ambulanten Badekur als Pflichtleistung der Krankenkassen sind zwei maßgebliche Bausteine vorhanden. Das Problem ist allerdings, dass der Bürger auch in die Pflicht genommen werden muss, präventive Maßnahmen zu ergreifen. In der Regel kann der Deutsche dazu allerdings nur über gesetzliche Vorgaben und über den Geldbeutel eingefangen werden. So, wie es beispielsweise Österreich macht. Dort müssen sich die Bürger einmal im Jahr beim Hausarzt durchchecken lassen. Tun sie es nicht, müssen sie etwaige Folgekosten mittragen. Damit hat das Land die medizinischen Akutkosten immens gesenkt.
Wie würden Sie die aktuelle Situation für den Präventions-, Gesundheits- und Rehasektor in Bad Aibling beschreiben?
Jahn: Von den Ärzten über Therapeuten und Heilpraktiker bis zum frisch sanierten Kurmittelhaus – die Stadt ist hier sowohl bei den Leistungen wie auch in puncto Infrastruktur bestens aufgestellt und muss sich nicht verstecken. Allerdings dürfen wir uns nicht auf den Lorbeeren ausruhen, sondern konsequent weiterarbeiten – und beispielsweise das Moorbadehaus am „Schmelmer Hof” voranbringen.
Der Vorsitzende des Bayerischen Heilbäderverbandes Peter Berek hat 2021 von „neuer Kur” gesprochen. Was ist darunter zu verstehen?
Jahn: Zum einen geht es darum, dass der Anspruch in puncto Qualität – von der Unterbringung über die medizinischen Leistungen bis hin zur Anreise – einfach höher geworden ist. Zum anderen will der Kunde heute genau wissen, was ihm die Kur bringt. Hier arbeiten wir seit Jahren an neuen Angeboten, bei denen wir aufgrund wissenschaftlicher Untersuchungen klar nachweisen können, welche Effekte diese Angebote dann haben.
Wie hat sich die im Juni 2021 wiedereingeführte ambulante Kur als Pflichtleistung der Krankenkassen bislang ausgewirkt?
Jahn: Die Nachfrage nach derartigen Angeboten ist signifikant angestiegen. Allerdings klafft zwischen Nachfrage und Buchung noch eine große Lücke, unter anderem auch aufgrund der lange andauernden Renovierung des Kurmittelhauses Egger. Da sind wir letztlich selber das Problem gewesen. Die Tendenz geht aber ganz klar in die richtige Richtung.