Konträre Diskussion
„Besondere Situation“: Bad Aibling hebt Gewerbe-Steuer an – was das im Klartext bedeutet
Lange hat man versucht, es zu vermeiden, doch jetzt kommt die Stadt aufgrund ihrer angespannten finanziellen Situation nicht mehr um die unpopuläre Entscheidung herum: Sie hebt die Gewerbesteuerhebesätze von 380 auf 400 Prozentpunkte an. Was das im Klartext bedeutet.
Bad Aibling – Der Gewerbesteuerhebesatz gilt in den Kommunen als ein wichtiger Standortfaktor. Wie hoch der Anteil ist, den die Unternehmen an die Kommune, in der sie ansässig sind, zahlen, entscheidet die Gemeinde selbst. In Zeiten der höchst angespannten Finanzlage hat Bad Aibling festgestellt, dass es eng wird mit den bisherigen 380 Prozentpunkten.
Denn das Landratsamt Rosenheim, das den Haushalt für dieses Jahr genehmigen musste, forderte nicht nur ein Konsolidierungskonzept von der Stadt, sondern hat ihr auch mit Nachdruck empfohlen, den Hebesatz mit Gültigkeit ab 1. Januar 2024 auf 400 Prozentpunkte anzuheben.
In einem einfachen Rechenbeispiel bedeutete das für einen Unternehmer, der jährlich einen Gewinn in Höhe von 150.000 Euro erwirtschaftet: Dieser Betrag wird mit der feststehenden Gewerbesteuermesszahl (3,5 Prozent) multipliziert, um den Gewerbesteuermessbetrag zu erhalten. In diesem Fall 5250 Euro.
Dieser wird nun mit dem Hebesatz von 400 Prozent multipliziert, sodass ein Betrag von 21.000 Euro herauskommt, die er als Gewerbesteuer an die Kommune abführen muss. Mit dem vorangegangenen Hebesatz von 380 Prozentpunkten betrug sein Anteil 19.950 Euro – also 1050 Euro (0,7 Prozent) weniger.
Warum es die meisten Betriebe nicht trifft
Wie Bürgermeister Stephan Schlier (CSU) und Stadtkämmerer Andreas Mennel erläuterten, seien allerdings Einzelgewerbetreibende und Personengesellschaften in der Regel von dieser Anhebung nicht belastet. Denn: „Die Gewerbesteuer wird pauschal auf die Einkommensteuer angerechnet.“
BP-Rat Florian Weber hatte diese Entwicklung schon lange kommen sehen, wie er in seiner Stellungnahme zum Haushalt betonte. „Noch vor Jahren wurde meine Feststellung, dass eine solche Schuldenpolitik wie die der Stadt Bad Aibling unter anderem zu Steuer- und Abgabenerhöhungen führen müsse, brüsk zurückgewiesen“, erinnerte er und bekräftigte seine Sichtweise, dass mit dem Haushalt 2024 „in tatsächlich schwierigen Zeiten Aiblinger Unternehmen wie Bürger deutlich mehr belastet“ werden.
Rudi Gebhart (ÜWG) stieß die Erhöhung der Gewerbesteuer nach eigenen Worten ebenfalls sauer auf: „Auch wenn es unterm Strich vielleicht nicht so viel ist: Man trifft hier die Falschen. Die Leute, die noch investieren, werden hier geschröpft oder zur Kasse gebeten. Ich finde, das ist einfach der falsche Weg.“
Plädoyer für mehr Gewerbeansiedlung
CSU-Rat und Wirtschaftsreferent Dr. Thomas Geppert hingegen begründete seine Zustimmung zur Erhöhung des Hebesatzes damit, dass diese „in der besonderen Situation“ momentan nötig sei. „Ich bin aber auch der Meinung, dass wir den Mut haben dürfen, den Hebesatz wieder zu senken, wenn sich die Situation wieder ändert.“ Das Einzige, das aus einer Sicht mehr Einnahmen bringen würde, sei allerdings die Ausweisung von Gewerbegebieten. Bei aller Kritik erwähne niemand, dass man zum Beispiel die Ansiedlung des Porsche Zentrums Inntal GmbH an der Autobahn abgelehnt habe: „Das wären mehr Einnahmen gewesen! Nicht Steuererhöhungen schaffen mehr Einnahmen, sondern das Gewerbe.“ Doch das werde in der Diskussion „einfach so weggelassen“.
„Wo bauen wir denn die ganzen Gewerbegebiete hin?“, wollte AfD-Rat Andreas Winhart von Geppert wissen, dem er die Zustimmung zu der Erhöhung gerade als Wirtschaftsreferent ankreidete, auf den die Unternehmen zählten. Das geplante Thermenhotel werde in seinen Augen so schnell keine Gewerbesteuer abwerfen und auch von einem Moorbadehaus erwarte er das nicht. „Ich denke für meinen Teil, wir sollten die Gewerbebetriebe, die wir haben, schützen. Und das Letzte, was man da braucht, ist eine Gewerbesteuererhöhung“, so Winhart.
Bürgermeister Schlier hielt dagegen, dass sich seit Beginn seiner Amtszeit vor vier Jahren tatsächlich kein einziger Unternehmer nach dem Hebesatz erkundigt habe. „In den Gesprächen waren andere Faktoren viel wichtiger, zum Beispiel die Anbindung an die Autobahn und Ähnliches.“