Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Interview mit dem Bad Aiblinger

Chris Gall geht für neuen „Checker Tobi“-Streifen unter die Filmkomponisten

Chris Gall zuhause an seinem Arbeitsplatz, an dem die komplette Musik für den Film entstand.
+
Chris Gall zuhause an seinem Arbeitsplatz, an dem die komplette Musik für den Film entstand.

Der aus Bad Aibling stammende Pianist Chris Gall hat die Musik für den Kinofilm „Checker Tobi und die Reise zu den fliegenden Flüssen“ komponiert. Im Interview erzählt er von den besonderen Herausforderungen, die das Schreiben von Filmmusik mit sich bringt.

Von Arnulf Luers

Bad Aibling – Chris Gall, der aus Bad Aibling stammende Jazzpianist, durch seine Soloprojekte und seine Zusammenarbeit mit Quadro Nuevo und speziell mit Mulo Francel in der Region bestens bekannt, hat ein neues Kapitel in seinem musikalischen Schaffen aufgeschlagen: Er hat die komplette Filmmusik für den neuen „Checker-Tobi“-Film geschrieben, der gerade in den Kinos angelaufen ist.

Was ist anders als bei Ihrer bisherigen Arbeit als Komponist für konzertante Musik oder für Ihre verschiedenen Formationen, wenn man für einen Film komponiert?

Chris Gall: Vom Ausgangspunkt her ist kein großer Unterschied. Es beginnt meist mit einer Idee für ein Motiv am Klavier, dann kommen Bleistift und Notenpapier und erst dann gehe ich an den Computer und entwickle die Musik je nach Stilistik.

Woher kommt diese Liebe zur Filmmusik?

Gall: Schon in der Schulzeit habe ich im Aiblinger Kino Stummfilme am Klavier begleitet und dazu improvisiert, wie ich das heute beispielsweise mit Mulo Francel live auf der Bühne mache. Das ist der größte Unterschied beim Komponieren für einen Film, denn da ist zum Improvisieren überhaupt kein Platz. Während des Lockdowns mit dem kompletten Ausfall des Konzertbetriebes hat mir mein College in Boston die Möglichkeit eröffnet, mich im Bereich Filmmusik fortzubilden – ein sehr intensives Studium mit einem Masterabschluss.

Welchen Einfluss haben die Bilder auf den Schaffensprozess?

Gall: Die Vorgaben sind durch Bildsequenzen, Inhalte und Wünsche, die auch vom Regisseur kommen, sehr konkret. Vor allem die Szenenlänge ist entscheidend und schließlich muss die Musik punktgenau sein. In einer Szene muss beispielsweise die Musik einsetzen, wenn eine Tür geöffnet wird und auf den Ton genau dort enden, wenn die Tür wieder zugeht oder jemand den Raum verlässt. Aus musikalischer Sicht ist man zwar sehr eingeschränkt, aber andererseits ist es herausfordernd und spannend, genau in der vorgegebenen Zeitspanne ein Motiv unterzubringen.

Schildern Sie uns doch mal den technischen Ablauf beim Entstehen der Filmmusik.

Gall: Mit dem Regisseur Johannes Honsell habe ich das Drehbuch durchgearbeitet und weil sich die Produktion durch die Pandemie erheblich verzögerte, konnte ich ihm schon einige Motive vorstellen und mit ihm besprechen, aber die wirkliche Arbeit begann erst, nachdem der Film fertig geschnitten war. Vorher macht es ja keinen Sinn, weil man die fertigen Szenen nicht nachträglich verändern kann.

Kommen jetzt wieder Bleistift und Notenpapier zum Einsatz?

Gall: Tatsächlich halte ich die Ideen beim Betrachten des Films auf Notenpapier fest – das ist wie ein Skizzenblock, und da bei diesem Film mit einem Live-Orchester gearbeitet wurde, habe ich das Orchester zuerst auf dem PC simuliert, das Ergebnis dem Regisseur in synthetischer Form vorgestellt, Änderungen verarbeitet und nach Freigabe die Musik in Noten gefasst, damit ich sie dem Orchester aufs Notenpult legen konnte.

Mit welchem Orchester wurden die Aufnahmen gemacht?

Gall: Ich bin zu einem 60-köpfigen Filmorchester nach Budapest gefahren, das weltweit bei vielen internationalen Produktionen aktiv ist, musste dort die Noten auslegen und dann wurde die komplette Musik für 92 Minuten Spieldauer an einem einzigen Tag eingespielt. Da darf dann auch nichts schief gehen, kein Vorzeichen falsch sein, kein Druckfehler übersehen werden – das wäre mit viel Zeitverlust verbunden und jeder weiß, was das in unserer Branche an Kosten bedeutet.

Konnten Sie, mussten Sie eingreifen?

Gall: Nicht im Sinne von Korrekturen, nur hinsichtlich der Interpretation konnte ich mit dem Dirigenten Wünsche und Anregungen diskutieren. Wenn man dann statt in der Simulation die Musik in echt hört, wenn die Musik sozusagen erblüht, das ist ein toller Moment.

Da Checker Tobis Reise über vier Kontinente geht, kommt im eigentlichen Sinne Weltmusik ins Spiel.

Gall: Weltmusik ist der ständige Begleiter – am Anfang der „Reise zu den Fliegenden Flüssen“ befinden wir uns noch in Europa mit der uns vertrauten Musik, dann geht es nach Asien (Vietnam und die Mongolei) und nach Südamerika. Für mich als Komponist war das Interessante, musikalische Elemente, in denen wir zuhause sind und uns wohlfühlen, mit Klängen aus den bereisten Regionen zu verbinden. Es galt allerdings abzuwägen, ein Motiv durch regionale Musik nicht so zu verändern, dass es klischeehaft wird. Grundmotive erscheinen dann einmal im europäischen, dann im asiatischen und auch im südamerikanischen Gewand. Meine musikalischen Ideen werden je nach Lokation neu gekleidet.

Welche besondere Aufgabe sehen Sie als Komponist speziell für einen Kinderfilm?

Gall: Meine wichtigste Aufgabe ist, die Emotionen des szenischen Ablaufs zu unterstützen, da aber das Zielpublikum des Checker Tobi Films Kinder und Jugendliche sind, darf man nicht zu viel an Emotionen auslösen, man muss genau dosieren, sehr traurige Szenen kann ich durch Musik erträglicher machen oder neutralisieren. Das Ziel ist ja nicht, dass Kinder heulend aus dem Kinosaal laufen. Kinder erleben Musik anders, viel direkter und deshalb brauchen sie Bewegung, Lebendigkeit und Echtheit in der Musik.

Welchen Stellenwert innerhalb des Gesamtkunstwerks hat die Musik?

Gall: Die Filmmusik hat die gleiche Rolle wie der Kameramann oder die Lichttechnik – die Gewichtung nimmt der Regisseur vor und wenn alle Gewerke zusammenpassen kann es gelingen, die Kinobesucher aus dem Alltag in die „Wirklichkeit“ auf der Leinwand zu entführen.

Zwar nicht beim Komponieren, aber in der Aufnahmetechnik und in der Instrumentierung hatten Sie doch Unterstützung?

Gall: Natürlich – das ist nicht allein zu schaffen. Nach der Aufnahmesession in Budapest habe ich zum fertigen Abmischen für eine Woche einen Toningenieur in Hollywood engagiert. Wir haben zeitversetzt gearbeitet, die letzten 48 Stunden ohne Pause. Zusätzliche Spuren wurde mit Freunden von Quadro Nuevo und mit meinem Bruder Peter am Schlagzeug eingespielt, alles mit einem auf einer Zeitspur geeichten Metronom und mit weltweit kompatiblen Programmen. Aber es gibt noch eine ganz andere Form der Unterstützung: Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat sowohl dem Film selbst, als auch dem für Pädagoginnen und Pädagogen mitgelieferten Begleitmaterial extra ein Empfehlungsschreiben mitgegeben.

Interview: Arnulf Luers

Kommentare