„Habe das in meinem Stadtratsleben noch nie erlebt“
Neue Lagerhalle trotz unzähliger Mängel? Bauvorhaben stellt die Stadt Bad Aibling vor Konflikt
Zahlreiche Punkte hatte die Aiblinger Stadtverwaltung an einem Bauvorhaben zu bemängeln. Trotzdem stand eine Genehmigung für eine große Produktions- und Lagerhalle im Raum. Wie der Bauausschuss die komplizierte Situation nun löste.
Bad Aibling – Als einen Punkt, „der uns sehr intensiv beschäftigt“, bezeichnete Stadtbaumeister Andreas Krämer einen Bauantrag zum Neubau einer Lager- und Produktionshalle im Bad Aiblinger Ortsteil Mietraching. Geplant ist dort durch die Retis Holding GmbH ein Gebäude zur, wie es heißt, „Entwicklung und Produktion von Werkstoffen und Produkten nach den Maßstäben der modernen Leichtbauweise“. Das Tochterunternehmen Pyrus Panels GmbH (Holzwerkstoffbranche) hat seinen Firmensitz und Produktionsstandort in Bad Aibling und will sich nun ausweiten.
In der Sitzung des Bauausschusses schlug die Aiblinger Stadtverwaltung nun vor, dem Vorhaben zuzustimmen, allerdings unter der Berücksichtigung zahlreicher Maßgaben. Doch dieser Vorschlag sorgte für Verwirrung im Gremium. Denn in Bezug auf den Bebauungsplan wurden zuvor etliche „Unstimmigkeiten“ festgestellt.
Genehmigung von vielen Korrekturen abhängig
Heißt konkret: Es wurden zahlreiche Punkte aufgelistet, die die Stadtverwaltung bemängelt. Dementsprechend knüpfte sie auch 14 Maßgaben an eine tatsächliche Genehmigung, erklärte Krämer. Es müsste also seitens des Bauherrn noch einiges passieren, bis der Bau tatsächlich erfolgen kann. Eine vorläufige Zusage also, trotz etlicher Fragezeichen? Und was steckt hinter den Unstimmigkeiten?
Besonders intensiv hat sich Monika Niedermaier von der Bauverwaltung mit dem Vorhaben befasst. Sie sagte zum Bauantrag: „Beim konkreten Hinschauen haben wir festgestellt, dass vieles nicht eingehalten wurde.“ Dazu wurde etwa die entsprechende Nutzung für das als Gewerbegebiet festgesetzte Teilgebiet genannt. Denn diese entspreche zwar wie vorgegeben dem Bebauungsplan. „Die im Betrieb vorhandene Lagerfläche ist jedoch sehr groß angelegt, weshalb darauf hingewiesen wird, dass ein reiner Lagerbetrieb nicht zulässig ist“, so die Verwaltung.
„Ich habe das in meinem Stadtratsleben noch nicht erlebt, dass so viel zu beanstanden ist.“
Weitere Mängel beim Bauantrag betreffen beispielsweise Unstimmigkeiten bei der Bemessung der Wandhöhe, die fehlende Planung zur Begrünung von Dachflächen, Höhenüberschreitungen von Werbeanlagen, fehlende Informationen zu geplanten ebenerdigen Stellplätzen oder ein fehlendes schalltechnisches Gutachten.
Die Verwaltung schlug dennoch vor, dem Antrag auf Baugenehmigung mit den Maßgaben zuzustimmen, dass folgende Nebenbestimmungen in der Baugenehmigung aufgenommen werden. Diese umfassen 14 Punkte, in denen entsprechende Nachreichungen und Korrekturen verlangt werden. Außerdem müsse eine überarbeitete Betriebsbeschreibung mit genauerer Darstellung des Betriebs vorgelegt werden.
Bürgermeister will Sachlage nicht dramatisieren
Bürgermeister Stephan Schlier (CSU) war anschließend bemüht, die Sachlage nicht zu dramatisieren. „Das hört sich jetzt alles furchtbar negativ an“, sagte der Rathauschef. Sollten alle aufgeführten Punkte erfüllt werden, begrüße die Stadt das Vorhaben jedoch durchaus. „Was entstehen soll ist positiv, aber die Maßgaben müssen eben erfüllt werden.“
Doch genau an dieser Stelle gingen die Meinungen auseinander. Im Gremium wurden Zweifel daran geäußert, ob man bei ähnlicher Mängellage andere Vorhaben ebenfalls so wohlwollend behandeln würde. Denn dass man diesen Bauantrag trotz der vielen Unstimmigkeiten – und zugleich mit zahlreichen Bedingungen – genehmigt, konnte sich Stadtrat Richard Lechner (SPD) nicht vorstellen. „Ich bin der Meinung, wir sollten hier nicht zustimmen“, sagte er und verwies auf die vielen Mängel. „Wenn man sich von Anfang an nicht an den Bebauungsplan hält, dann wird man das später vermutlich auch nicht tun“, befürchtete Lechner. Auch eine gesicherte Erschließung, die etwa nach Aussage des Nachbarn fehle, wurde im Gremium hinterfragt.
Zustimmen trotz „Mängel-Katalog“?
Angesichts dieses „Mängel-Kataloges“ sah sich auch CSU-Stadtrat Erwin Kühnel außer Stande, dem Bauantrag zuzustimmen. „Ich habe das in meinem Stadtratsleben noch nicht erlebt, dass so viel zu beanstanden ist.“ Ein Bauwerber müsse zunächst mal seine Hausaufgaben machen, bevor die Stadt grünes Licht geben könne.
Bürgermeister Schlier hatte ein Einsehen und schlug für die Beschlussempfehlung eine neue Formulierung vor. Dieses Mal empfahl die Stadtverwaltung eine Ablehnung. Zugleich werde dem Antragsteller allerdings das gemeindlichen Einvernehmen in Aussicht gestellt, sollte er die Maßgaben-Liste erfüllen.
Wie man es nun also dreht oder wendet: Solange die Vorgaben nicht erfüllt werden, wird die Lagerhalle nicht errichtet werden können. Übrig bleibt ein positiver Aspekt: Eine Zustimmung trotz langen „Mängel-Kataloges“ bleibt Erwin Kühnel auch in seinem Stadtratsleben weiterhin erspart.