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Was passiert mit den Mitarbeitern?

Tränenreiches Aus nach 62 Jahren: Warum es eine Bad Aiblinger Kult-Tankstelle bald nicht mehr gibt

Für Stephanie Kalteis (Mitte) und ihr Tankstellen-Team ist in ein paar Monaten Schluss in Bad Aibling.
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Für Stephanie Kalteis (Mitte) und ihr Tankstellen-Team ist in ein paar Monaten Schluss in Bad Aibling.

Seit über 60 Jahren ist die Agip-Tankstelle aus der Münchner Straße in Bad Aibling nicht wegzudenken. Doch trotz großer Beliebtheit und vieler Stammkunden ist nun bald Schluss. Warum es so kommt und wie es mit der Belegschaft weitergeht.

Bad Aibling – Wären da nicht die Zapfsäulen draußen vor der Tür oder die typische Einrichtung im Kassenbereich, man würde nicht an eine Tankstelle denken. Wer die Aiblinger Agip- beziehungsweise Eni-Station in der Münchner Straße betritt, der taucht schnell in eine familiäre Stimmung ein – auch wer nur die Tankfüllung zahlen oder ein Päckchen Zigaretten mitnehmen möchte. „Das ist hier ein Stückchen Heimat“, sagt eine Rentnerin, die mit zwei weiteren Senioren an ihrem Stammtisch sitzt. „Wir kommen hier schon seit zehn Jahren regelmäßig her“, sagt ein älterer Mann und nippt an seiner Kaffeetasse.

Im Verkaufsbereich der Bad Aiblinger Tankstelle herrscht an diesem Nachmittag geschäftiges Treiben. Mittendrin: Pächterin Stephanie Kalteis, die hinterm Tresen zwischen Kaffeemaschine, Telefon und Kundengesprächen rotiert. Die 42-Jährige verbindet eine ganz persönliche Geschichte mit der Jahrzehnte alten Kulttankstelle in der Kurstadt, die sie mit 23 Jahren übernommen hatte. Um so trauriger für sie und ihre Stammkunden, dass die Tage der Tankstelle an diesem zentralen Standort gezählt sind.

Warum der Pachtvertrag endet

Denn voraussichtlich Ende Juni 2025 wird die Tankstelle nach 62 Jahren für immer schließen. So endet nicht nur für Stephanie Kalteis und ihre zehn Mitarbeiter schon bald eine Ära. „Zu den Gründen gibt es schlicht und einfach nur zu sagen, dass die Grundstückseigentümer den Pachtvertrag nicht mehr verlängern wollten“, erklärt Kalteis. Da zuvor konzernüblich meist 10- oder 15-Jahresverträge unterschrieben wurden, war im Vorfeld klar: Es geht langfristig weiter oder gar nicht.

Die Tage der Agip-Tankstelle in der Münchner Straße in Bad Aibling sind gezählt.

Und auch wenn Kalteis schon gewisse Vorboten vernommen hatte, kam die Nachricht, dass im Sommer alles abgerissen werden soll, dennoch überraschend und war umso schmerzhafter. „Ich bin hier mein halbes Leben gewesen“, sagt die gebürtige Rosenheimerin emotional. Und nach 20 Jahren sei die Vorstellung, hier nicht mehr Treffpunkt für Jung und Alt sein zu können, natürlich kaum greifbar.

„Ganze Generationen sind hier groß geworden“

„Klar habe ich es mit Tränen aufgefasst und als Erstes meine Mitarbeiter informiert“, sagt die Tankstellen-Chefin. Denn trotz harter Entbehrungen in der Vergangenheit, etwa durch Corona oder die monatelangen Baustellen-Sperrungen in der Münchner Straße, sei die Kündigung nun eine Entscheidung, die ihr „Leben komplett umkrempeln wird“, betont Kalteis.

Im Jahr 1962 öffnete die Tankstelle in der Münchner Straße erstmals ihre Tore und war seitdem, unter verschiedenen Pächtern, ein fester Anlaufpunkt für Autofahrer. „Das sind ganze Generationen, die hier groß geworden sind“, sagt Kalteis, die vom Opa bis zum Enkel ganze Familienstämme bedient hat. Und seit dem sie hier das Sagen hat, habe sie immer versucht, eine ganz persönliche und menschliche Führung vorzuleben.

Kunden im Krankenhaus besucht

„Wenn die Leute reinkommen, merken sie sofort, mit wie viel Herz hier gearbeitet wird.“ Man kenne viele Kunden persönlich und habe für jeden ein offenes Ohr. Kalteis erzählt von Hausbesuchen und Fahrten ins Krankenhaus, wenn es dem ein oder anderen Kunden mal nicht gut geht oder er länger nicht mehr aufgetaucht ist.

„Einer meiner Mitarbeiter bestellt manchen Senioren zum Beispiel online Dinge, da sie das selber nicht können.“ Stammkunden müssten überdies kaum mehr sagen, wie sie ihren Kaffee trinken oder welche Zigaretten-Marke sie kaufen wollen, „wir kennen sie ja gut genug“. Und dass eine Tankstelle, die naturgemäß nicht die billigste Adresse sei, ein solcher Ort der Begegnung ist, „ist sicher nicht selbstverständlich“.

Für Stephanie Kalteis (Mitte) und ihr Tankstellen-Team ist in ein paar Monaten Schluss in Bad Aibling.

Dieser menschliche Umgang sei nur mit ihrem besonderen Team, den „Agipinis und Enianern“, möglich, ohne die sie so lange niemals hier Chefin gewesen wäre, ist sich Kalteis sicher. „Die Mitarbeiter und die Kunden bedeuten mir sehr viel und es ist schwer, jetzt ein Stück Familie gehen zu lassen.“ Dabei hebt sie besonders die Mitarbeiter Markus, Dominik und Urgestein Horst hervor, die sie über Jahre hinweg als enge Vertraute begleitet hätten. „Horst beispielsweise ist fast 82 und er steht hier immer noch seit so langer Zeit an meiner Seite“, sagt die Pächterin dankbar.

Was passiert mit der Belegschaft?

Doch wie geht es für Kalteis und ihre Mitarbeiter über den Sommer 2025 hinaus weiter? Tatsächlich hat die 42-Jährige vor Kurzem einen neuen Pachtvertrag unterschrieben, diesmal in der Hubertusstraße 9 in Rosenheim. Dort, ebenfalls in einer Agip-Tankstelle, schließt sich nun ein Kreis, hatte sie doch dort in früheren Jahren schon als Kassiererin angefangen. In Rosenheim trifft sie auf ein bestehendes Team und eine ebenso bestehende Stammkundschaft. „Vielleicht folgt uns ja der ein oder andere auch aus Bad Aibling dorthin“, sagt Kalteis, die in der Kurstadt rund 75 Prozent Stammkunden unter ihren Besuchern zählt.

Und was passiert mit den Aiblinger Mitarbeitern? „Mir war es ganz wichtig, jedem einzelnen das Angebot zu machen, mit nach Rosenheim zu kommen“, betont die Pächterin. Einige hätten sich bereits dazu entschieden, ihr zu folgen, andere gehen von nun an andere Wege oder nutzen die Schließung auch als persönlichen Wendepunkt. So wie Markus Rinser, der an diesem Nachmittag im Dienst ist und sich mit jedem Kunden überaus freundlich unterhält. „Für mich waren es hier 18 tolle Jahre, voller Höhen und Tiefen“, sagt Rinser, der nun einen persönlichen Cut macht und sich beruflich anders orientieren möchte. Für ihn bleiben „viele Highlights“ und vor allem die Stammkunden, für die die Tankstelle wie ein „zweites Zuhause“ war, in besonders schöner Erinnerung.

„Es wird uns hier etwas fehlen“

Für Stephanie Kalteis, die derzeit schon häufig zwischen Rosenheim und Bad Aibling hin und her pendelt, ist eines wichtig: „Wir gehen hier alle sehr friedlich auseinander und wir versichern, bis zum Schluss unsere menschliche Linie durchzuziehen.“ Dass die Ära in Bad Aibling nun tatsächlich bald endet, hätten viele Kunden mit großem Bedauern vernommen. Und so zeigt sich Kalteis sogar ein bisschen besorgt darüber, dass gerade für einige Senioren ein wichtiger Treffpunkt in deren Alltag wegfallen wird. „Es wird uns hier etwas fehlen“, beteuert auch ein weiterer Rentner, der traurig auf die Schließung blickt. Immerhin: Laut Kalteis hätte der Aiblinger Rentner-Stammtisch sogar schon mal in die Rosenheimer Tankstelle „reingeschnuppert“.

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